Beschreibung
Wie sehen gegenwärtige „Männlichkeitsnormen“ aus? An welchen Leitbildern orientieren sich Jugendliche und mit welchen widersprüchlichen Erwartungen sind Jungen heute konfrontiert? Welche Handlungsempfehlungen lassen sich für die Politik ableiten? Jungenpolitik stellt ein neues Politikfeld im Rahmen einer lebenslauforientierten Gleichstellungspolitik dar. Der Bericht des Beirats Jungenpolitik ist die erste Publikation hierzu und bietet den Zielgruppen die notwendige Informationsbasis.
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Die HerausgeberInnen:
Prof. Dr. Michael Meuser,
Technische Universität Dortmund, Fakultät Erziehungswissenschaft und Soziologie, Institut für Soziologie, Vorsitzender des Beirats Jungenpolitik
Dr. Marc Calmbach,
SINUS-Institut, Direktor der Sozialforschung
Dr. Winfried Kösters,
freier Journalist und Publizist, Moderator und Berater, engagiert in der Jungenarbeit
Marc Melcher,
Paritätisches Bildungswerk Bundesverband, Leitung von geschlechtsbezogenen Jungenprojekten
Dr. habil. Sylka Scholz,
TU Dresden, wiss. Mitarbeiterin SFB „Transzendenz und Gemeinsinn in privaten Lebensformen“
Prof. Dr. Ahmet Toprak,
Fachhochschule Dortmund, Fachbereich Angewandte Sozialwissenschaften, Professor für Erziehungswissenschaft
In den Beirat Jungenpolitik wurden vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend folgende Mitglieder berufen:
Prof. Dr. Michael Meuser (Vorsitzender),
Noah Bönninghausen, Dr. Marc Calmbach,
Dr. Winfried Kösters, Sebastian Leisinger,
Marc Melcher, Philip Müller, Dr. Sylka Scholz,
Ricardo Sinesi, Moritz Sonnenberg,
Prof. Dr. Ahmet Toprak und Adnan Tuncer
Hier finden Sie den Waschzettel zum Buch (pdf- Infoblatt).
Zielgruppen:
GeschlechterforscherInnen, JugendforscherInnen, Organisationen der Jungen- und der Jugendarbeit, AkteurInnen in Gleichstellung und Gleichstellungspolitik
Eine Pflichtlektüre für alle, die sich mit der Gleichstellung auseinandersetzen, denn Frauen- und Männerpolitik sollten sich gegenseitig ergänzen und nicht bekämpfen.
Hessenbrief 3/2014
Das Buch bietet ein sehr differenziertes Bild auf Jungen, zeigt auch Leerstellen auf (z.B. die Situation queerer Jugendlicher), gibt Schlussfolgerungen für die Jungenpolitik, aber auch ganz konkrete Anregungen, wie mit Jungen / Jugendlichen gearbeitet werden kann (z.B. “Spiel des Lebens” S. 69).
www.efeu.or.at, 04.03.2014
Im Mai 2011 hat das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend einen paritätisch aus erwachsenen und jugendlichen Mitgliedern zusammengesetzten Beirat für Jungenpolitik einberufen. Die Ergebnisse aus zwei Jahren Beiratsarbeit sind in diesem Buch versammelt, das wissenschaftliche wie auch persönliche Beiträge enthält.
SuchtAktuell 2/2013
… ein gutes Beispiel für eine partizipative und realitätsnahe Bedarfsanalyse, die die Lebenswelten und Perspektiven der Jungen berücksichtigt.
Stadtpunkte 4/2013
„Jungen und ihre Lebenswelten” ist nicht nur eine lesenswerte Dokumentation, die einige Einblicke in die Arbeit des Beirats Jungenpolitik gibt. Das Buch könnte seine Leserschaft auch dazu anregen, ihren Umgang mit Jungen und Jungenthemen in der eigenen Praxis zu hinterfragen. Zu oft reden Fachleute und die sogenannten Entscheider über Jungen und nicht mit ihnen. Insofern ist es löblich, dass die jugendlichen Mitglieder des Beirats auch mit eigenen Buchbeiträgen vertreten sind, welche sich in ihrer Kürze und Prägnanz sehr wohltuend von den meist eher wissenschaftlich distanzierten und ausholenden Beiträgen der Erwachsenen abheben. Interessant wäre es gewesen, aus dem Beteiligungsprozess selbst neben den abschließenden, eher thematischen Forderungen noch mehr an prozessbezogenen Anregungen und Hinweisen für das Miteinander der Generationen unter einer Geschlechterperspektive herauszuarbeiten. Denn das „neue” Feld einer Jungen- (und Männer-) Politik verdient ja auch andernorts mehr Beteiligung der Jungen und Männer, um die es dabei geht.
Gunter Neubauer, Tübingen 10/2013
Dieses Buch zur Jungenpolitik ist mehr als eine spannende Expertise, es ist ein Ereignis: Erstmals waren Jugendliche als gleichwertige Mitglieder an einem politikberatenden Beirat beteiligt, so dass nicht über sie, sondern mit Ihnen gesprochen wurde. Die wechselseitige Wertschätzung und die Anerkennung unterschiedlicher Perspektiven sind im gesamten Buch zu spüren. Dabei bleiben sich beide Seiten treu: Die wissenschaftlichen Analysen sind theoretisch wie empirisch anspruchsvoll, die Beiträge der Jugendlichen engagiert und authentisch. Fachlich, aber auch für die Lehre besonders interessant wird das Buch durch die verschiedenen methodischen Zugänge und durch die Reflexion auf geschlechtsspezifische Differenzen und Gemeinsamkeiten unter Jungen. Das Buch ist von Anfang bis Ende lesenswert!
Carol Hagemann-White 9/2013
Der Bericht des Beirats Jungenpolitik ist überaus lesenswert und inspirierend. Eine Stärke ist dabei die Mischung aus wissenschaftlichen Artikeln und Beiträgen, die von den Jugendlichen selbst geschrieben wurden. Mit den konkreten Ergebnissen kann dieser Bericht nicht nur in Deutschland mit Gewinn für die Jungenarbeit herangezogen werden.
wienxtra.at 8/2013
In Deutschland hat die Bundesregierung einen „Beirat Jungenpolitik“ geschaffen, der inzwischen einen ersten Abschlussbericht vorgelegt hat. Der Verlag Barbara Budrich hat das Dokument soeben in einem sehr schön aufgemachten und editierten Buch vorgelegt. Der Band versucht, Lebenswelten von Buben nachzuzeichnen; dabei ist löblich, dass Jungen auch selber an diesem Vorhaben beteiligt wurden.
NZZ am Sonntag, 25.8.2013
Rezension zum Buch –
„Jungen und ihre Lebenswelten – Vielfalt als Chance und Herausforderung“ Barbara Budrich Publishers 2013 Opladen
Herausgegeben wurde das Buch vom „Beirat Jungenpolitik“, den die damalige Ministerin Dr. Kristina Schröder 2010 ins Leben rief, der sich 2011 konstituierte und erstmals (und dann zwei Jahre regelmäßig) traf, von den Herren Kollegen Michael Meuser, Marc Calmbach, Winfried Kösters, Marc Melcher, Ahmet Toprak und der Kollegin Sylka Scholz sowie den jungen Erwachsenen Noah Bönninghausen, Sebastian Leisinger, Philip Müller, Ricardo Sinesi, Moritz Sonnenberg und Adnan Tuncer.
Im Vorwort weist die Ministerin darauf hin, dass es im Rahmen des Beirats darum gehe, eine eigenständige Jungen- und Männerpolitik aufzubauen, was aus heutiger (Dezember 2018) Sicht zum Teil wohl bereits verwirklicht ist, letztlich aber noch eine Zukunftsaufgabe darstellt. Erst dann, so Frau Schröder im Vorwort weiter, werden faire Chancen für Frauen und Männer gegeben sein. Frau Schröder hat den Beirat Jungenpolitik 2010 einberufen, ein wichtiger und wegweisender Schritt. Mit diesem Beirat für Jungen und junge Männer wurde Neuland betreten, denn der Beirat Jungenpolitik sprach nicht nur über Jungen, sondern vor allem mit ihnen, so Frau Schröder. Sie als Experten in eigener Sache einzubeziehen habe sich als erfolgreich erwiesen, weil sich die Beiratsarbeit damit an den tatsächlichen Bedürfnissen und Realitäten der Jungen orientiert habe. Der vorliegende Abschlussbericht mache deutlich, dass es den Jungen vor allem um die Befreiung von Normen gehe, die sie einengen und festlegen; sie wollen selbst entscheiden, ihren eigenen Weg gehen. Deshalb gehe es laut Frau Dr. Schröder darum, Rollenklischees aufzubrechen und die Jungen bei ihrer individuellen Lebensplanung zu unterstützen. Der vorliegende Bericht gebe damit die Richtung für eine Jungenpolitik vor, die Jugendlichen auch abseits traditioneller Geschlechterrollen Chancen biete.
Die Publikation ist über die Fachöffentlichkeit hinaus interessant und relevant, weil sie Wissen und Handlungskompetenzen liefert und eben nicht nur wissenschaftlich-analytisch an das Thema herangeht, sondern auch persönlich und praktisch. Äußerst positiv fand ich am Buch, dass sämtliche Beiratsmitglieder zu Beginn mit Foto und kurzer persönlicher Skizze vorgestellt werden: Als Leser kann man so viel besser gewichten, man hat gleich ein Bild des Autors bzw. der Autorin vor Augen und kann seine oder ihre Ausführungen so besser und schneller einordnen. Das ist didaktisch gut gemacht und erleichterte mir das eigene Lesen.
Im Vorwort erklären die jugendlichen Mitglieder des Beirats Jungenpolitik: „Vor zwei Jahren, als der Beirat Jungenpolitik – und damit auch wir – berufen wurden, kamen wir Jungen mit einer eher vagen Vorstellung von dem, was vor uns lag, nach Berlin. Für uns alle war die Möglichkeit, an Politik tatsächlich mitwirken zu können, hoch interessant und motivierend. Wir sprachen mit Experten, Politikern und anderen Jugendlichen über Themen, die uns im Alltag zwar nicht unbedingt ständig beschäftigen, aber doch wichtig sind. – Das offene und daher zunächst etwas verwirrende Konzept gab uns die Möglichkeit, eigene Themenschwerpunkte zu setzen und vorgeschlagene Themen auf eine eigene Art und Weise zu sehen. Uns wurde klar, dass die Erwachsenen uns ernst nahmen und unsere Beiträge deutlich erwünscht waren und anerkannt wurden. Diese Wertschätzung durchzog die ganze Beiratsarbeit und hat diese nicht nur sehr angenehm gestaltet, sondern auch bereichert. Wir haben das gute Gefühl, dass unsere Ideen und Vorschläge in der Politik Anklang finden und umgesetzt werden. Da uns das Konzept des Beirats Jungenpolitik, Vertreter der Zielgruppe in die Beiratsarbeit einzubinden, sehr gefallen hat, können wir es für alle weiteren politischen Beiräte nur empfehlen.“
Von den Schlussfolgerungen für die Jungenpolitik sollten folgende Themen nach Ansicht des Beirats mit Priorität in Angriff genommen werden:
• Stärkung von Geschlechtervielfalt in der Berufsberatung
• Mehr Verantwortungsübernahme von Männern.
• Jungenpolitik solle darauf hinwirken, Männer verstärkt zur Übernahme von Verantwortung für heranwachsende Menschen zu motivieren, in der Familie und in pädagogischen Institutionen. Damit Jungen (und Mädchen) Erfahrungen mit männlichen Bezugspersonen machen könnten, sollten, so die Beiratsmitglieder, Männer verstärkt zur Übernahme von Verantwortung für heranwachsende Menschen motiviert werden.
• Die Politik solle hierfür die Rahmenbedingungen schaffen, z.B. mit Maßnahmen wie dem Bundesprogramm „Mehr Männer in Kitas“ oder durch finanzielle Anreize, die eine Inanspruchnahme von Elternzeit durch Väter attraktiver machten.
• Ebenso sollte die Jungenpolitik der Zukunft verstärkt bereit sein, tradierte Pfade der Vermittlung zu verlassen und sich der Kommunikationsmedien zu bedienen, die im Alltag der Jugendlichen vorrangige Bedeutung hätten. Sie sollte die Adressaten, also die Jungen und jungen Männer, selbst an der Erstellung entsprechender Formate und Inhalte beteiligen.
Interessant sind die Beobachtungen von Sylka Scholz im 5. Kapitel auf Seite 128f:
„Die Jungen nehmen war, dass die Lebensplanungen der gleichaltrigen Mädchen stärker auf Familie ausgerichtet sind, dass sie genauer planen als sie selbst. Bedeutsam ist an dieser Stelle, dass die Jungen zwar einerseits ihre Geschlechtszugehörigkeit in Differenz zum weiblichen Geschlecht bestimmen, andererseits aber Ungleichheiten im Geschlechterverhältnis sehr genau registrieren: ‚Ein Junge darf mehr machen, als ein Mädchen‘. Vor diesem Hintergrund erklären sich die enormen Schwierigkeiten der Jungen, klare politische Forderungen für Jungen zu stellen. In verschiedenen Diskussionsrunden des Beirats zur Gleichstellungspolitik einigten sie sich auf Forderungen wie ‚Gleicher Lohn für Frauen‘ oder ‚Höhere Anerkennung von frauentypischen Berufen‘. Beide Ansprüche wirken sich aus Sicht der Jungen auch auf das männliche Geschlecht positiv aus: Männer könnten dann soziale Berufe übernehmen, wenn sie genug in solchen Berufen verdienen würden, und Paare könnten sich unter den Bedingungen ähnlicher Verdienste für Vereinbarkeitslösungen jenseits des Ernährermodells entscheiden.
Sylka Scholz fährt in ihrem Beitrag fort: „Um genauer zu untersuchen, welche Rolle die Geschlechtszugehörigkeit für die Lebensentwürfe der Jungen hat, fragte die Forscherin nach ihren Vorstellungen von einem ‚guten Leben‘. ‚Zukunft‘, ‚Sicherheit‘ und ‚Stabilität‘ werden als Kriterien eines guten Erwachsenenlebens bestimmt, jedoch wird in der Diskussion dem Erwachsenenleben eine Phase der Jugend vorangestellt, welche durch andere Aspekte geprägt sein soll. Generell zeigen sich bei diesem Thema erhebliche Differenzierungen unter den Jugendlichen: Während zwei gern noch Kind bleiben oder ihre Jugendlichkeit ausleben möchten, gehen drei auf ihr späteres Berufsleben ein. Zwei der Jugendlichen grenzen sich von einem auf Arbeit zentrierten Leben ab. Die unterschiedlichen Sichtweisen werden untereinander toleriert. Auffällig ist, dass zunächst Partnerschaft und Familie nicht thematisiert werden, also nicht unmittelbar zu den Vorstellungen von einem ‚guten Leben‘ gehören. Im Gegenteil: Die Ausrichtung auf ‚Haus, Kind, Baum‘ wird abgelehnt, sie sei noch ‚ganz, ganz, ganz weit weg‘.“ (Seite 129)
Frau Scholz auf Seite 130 weiter: „Die im Vergleich zu anderen Diskussionsrunden des Beirats stärkere Offenheit der Lebensentwürfe fordert zu einer Interpretation heraus. Eine erste Lesart lautet, dass die jungen Männer mit ihren hochgradig offenen und flexiblen Lebensentwürfen der gesellschaftlichen Norm entsprechen, das ‚ganze Leben‘ wandlungsfähig zu sein, um sich den verändernden gesellschaftlichen Bedingungen zu stellen. Die zweite Lesart bezieht sich auf das Generationenverhältnis. In der Gegenwartsgesellschaft gilt Flexibilität und lebenslange Jugendlichkeit als soziale Norm. Wenn aber auch Erwachsene immer jugendlich sein sollen, verschwimmt die Generationendifferenz und es wird für die Jugendlichen schwieriger, sich von den Erwachsenen abzugrenzen. Die Erwachsenen wiederum müssen einen beschleunigten Alltag bewältigen und stellen höhere Forderungen an die Jugendlichen. Die geäußerten Wünsche, noch länger Kind sein zu dürfen und/oder seine Jugend erst einmal ausleben zu können, lese ich als eine Zurückweisung der verwischenden Generationengrenzen und als Beharren auf eine spezifische Lebensphase Kindheit und Jugend. (Seite 130)
Moritz Sonnenberg erklärt in Kapitel 6 die Bedeutung von männlichen Bezugspersonen im Leben von Jungen und erklärt gut, wie sich fehlende männliche Präsenz auswirken kann: „Meiner Meinung nach kann das Fehlen einer männlichen Bezugsperson innerhalb der Familie auf den Jugendlichen einen negativen Einfluss haben. Wie bereits dargestellt kann eine allein erziehende Mutter nicht alle Funktionen des abwesenden Vaters übernehmen. Im Speziellen stellt der Vater für viele männliche Jugendliche eine stärkere Autoritätsperson dar als die Mutter.“ – Modelllernen gilt ab dem jugendlichen Alter als wichtigster Lernprozess, wenn es um die Entwicklung der beruflichen und privaten Identität, der psychosexuellen / geschlechtlichen Identität vor allem ab Beginn der Pubertät geht, ist der Vater oder ein guter Ersatzvater wesentlich, der begrenzte väterliche Fürsorge leisten kann. Sonnenberg weiter: „Durch den Vater wird dem Jugendlichen, meiner Beobachtung nach, unter anderem verstärkt Disziplin vermittelt. Ich sehe es so, dass dieser Teil der Erziehung dem Jugendlichen auch hilft, einen festen Halt in Familie und Gesellschaft zu entwickeln. Fehlt der Vater als Person, droht die Gefahr, dass sich Jungen (wie auch Mädchen) alternative Autoritätspersonen suchen und sich in andere hierarchische Strukturen eingliedern. Mein Eindruck ist, dass Jugendliche in problematischen Umfeldern vor allem Halt durch den Anschluss an Jugendgangs mit älteren Anführern als Autoritäten suchen. In der Folge erhalten sie häufig erleichterten Zugang zu Alkohol und Drogenkonsum oder geraten in ein kriminelles Umfeld und werden unter Druck gesetzt, bei dem mitzumachen. Ein weiterer Aspekt männlicher Erziehung, der mir sehr wichtig erscheint, der durch das Fehlen einer Vaterperson verloren geht, ist das Einfühlungsvermögen für persönliche Probleme von Jungen. Besonders in schwierigen Phasen wie der Pubertät ist der Jugendliche mit Problemen konfrontiert, die der Vater aus eigener Erfahrung kennt. Durch das Fehlen einer männlichen Bezugsperson droht der Jugendliche mit seinen Problemen allein gelassen zu werden.“
Sonnenberg zu den Auswirkungen fehlender männlicher Präsenz weiter: „Wie ich bereits erwähnt habe, stellen Frauen den Hauptteil der deutschen Lehrkräfte und des Erziehungspersonals: Dadurch ist die Vielfalt der verschiedenen Perspektiven für Schülerinnen und Schüler, die ein ausgewogen besetzter Schulkörper besäße, wie ich finde nicht gegeben. Die Breite möglicher Sicht- und Verhaltensweisen unter den Lehrkräften ist eingeschränkt, was sich vielleicht vor allem für die Jungen negativ auswirken kann: z.B. Beeinträchtigung ihrer Motivation und subjektiv empfundene Benachteiligung gegenüber den Mädchen könnte die Folge sein.“ – Die größeren schulischen Probleme und das noch stärker oppositionelle Verhalten von Jungen belegen das meiner Meinung nach relativ eindeutig.
Sonnenberg zieht folgendes Fazit: „Ich denke, dass aktive Vaterschaft, Erhöhung des Männeranteils vor allem in Schule und Erziehung, wertschätzende Zuwendung und Orientierung, also erwachsenes männliches Vorbildverhalten, in allen Bereichen wichtig ist für die Persönlichkeitsentwicklung des Jugendlichen. Für die Änderung des ‚typischen‘ Rollenverhaltens in Beziehungen und Familien und die Ablösung von eindimensionalen Männerbildern ist es wichtig, dass sich erwachsene Männer männlichen Jugendlichen gegenüber öffnen und sie an ihren Gefühlen, Erfahrungen und Problemen teilhaben lassen, damit Jungen ein komplexes Bild von Männlichkeit erhalten“.
Sebastian Leisinger, ein junger Mann aus Süddeutschland mit Berufswunsch Informatiker, stellt im 9. Kapitel richtigerweise fest: „Wir im Beirat haben festgestellt, dass schriftliche Arbeitsberichte, wie sie in der Politikberatung üblich sind, nur wenige Jugendliche erreichen. Dafür bedarf es eines Mediums, das näher am Alltag von Jugendlichen ist, wie zum Beispiel einer Facebook-Kampagne oder ansprechender Plakate. Auf dieser Erkenntnis beruhen auch unsere Überlegungen zum Kommunikationsformat, das sich direkt an Jugendliche wenden soll“. – Ich sehe das ähnlich wie Herr Leisinger: Ein Benchmark könnte u.a. die seit ca. 2015 laufende Kampagne der Handwerkskammern (www.handwerk.de) sein, mit sehr guten Plakaten, gelungenem begleitenden facebook- und youtube-Auftritt und eigener ebenfalls sehr gelungener Homepage. In der Kampagne wurde gekannt, unterhaltsam und didaktisch gut auf die Vorteile handwerklicher Ausbildungen hingewiesen, wobei Humor, Handlungsorientierung, Change-Orientierung und die Orientierung am Prinzip von Passung und Eignung am Arbeitsplatz mit Leistungsfreude verbunden wurden (Slogans u.a. „Die Welt war noch nie so unfertig. Pack mit an.“ — „Leidenschaft ist das beste Werkzeug“ — „Wieder mal die Welt gerettet. Und was hast Du heute gemacht?“) Kommuniziert wurde damals über gute Plakate im öffentlichen Raum, gelungene eigene Homepage, professionell umgesetzte Videos und Clips, die fast die Quadratur des Kreises schafften, nämlich spannend, informativ, interessant, didaktisch überzeugend und sowohl Jugendliche wie junge Erwachsene wie Erwachsene ansprechend. Das ist aber nur ein Beispiel, das dem Rezensenten noch in positiver Erinnerung ist und deshalb hier erwähnt wird; es gibt sicher viele weitere gute Kampagnen – aber leider eben auch viele mittelmäßige und auch schlechte Aktionen und Kampagnen und vor allem schriftliche Beiträge, die die Zielgruppe nicht erreichen, wie Leisinger zu Recht feststellt.
Sehr gut gefallen hat mir das Kapitel 13 von Noah Bönninghausen und vor allem der Raptext seines Cousins Till Bönninghausen, weil es einige Probleme der heutigen Zeit treffend auf den Punkt bringt. Noah Bönninghausen leitet ein: „Als Beispiel für einen politischen Text habe ich einen Text meines Cousins abgetippt:“ Dort heißt es u.a.:
„Ich schaue in die Welt und denke verdammt
das Bewusstsein verläuft sich immer weiter im Sand,
kein kollektiver Verstand, nur verschlossene Gedanken,
dabei liegt auf der Hand, die Wirtschaft gerät ins Wanken,
wann spielt die Politik endlich mit offenen Karten,
fragt sich die Welt, auf der die Betroffenen warten,
verraten, von ihren eigenen Staaten,
Antworten bleiben aus, doch was bleibt sind die Fragen,
nach besseren Tagen, nach Essen im Magen,
nach guten Gesetzen, ohne überzogene Strafen,
nach dem rettenden Hafen in dieser Welt voll Betrug,
wenige die viel haben, viele haben nie genug,
werden trotzdem ausgebeutet, bis zum letzten Atemzug,
Terrorismus als Vorhut, für die ausartende Wut,
der Diamant ist nicht rein, an ihm klebt Blut,
seid auf der Hut, denn ihr wisst, was ihr tut,
(Till Bönninghausen)
Auf Seite 227 bringen die Autoren und die Autorin eine wesentliche Schlussfolgerung für die Jungenpolitik auf den Punkt:
„Ein Problem vieler Jungen ist es, nicht-kommerzielle Räume außerhalb des Elternhauses zu finden, in denen sie ihren Freizeitinteressen gemeinsam mit ihren Peers nachgehen können. Die vorhandenen Angebote der Jugendarbeit entsprechen oftmals nicht den Bedürfnissen von Jungen nach Partizipation und Autonomie. – Angebote sollten nach Zielgruppen differenziert werden, allerdings ist es ebenso wichtig, eine Vermischung verschiedener Jungen- und Jugendgruppen zu ermöglichen. Das Bereitstellen entsprechender Räume befördert die Chance gesellschaftlicher Teilhabe von Jungen aus unterschiedlichen sozialen Milieus. Diese Freizeitorte sind oft auch Orte gesellschaftlichen Engagement. Um dieses zu befördern sollte die Mitarbeit für die Jungen attraktiver gemacht werden; Ideen und Vorschläge Jugendlicher sollten ernst genommen und ihre Umsetzung noch stärker unterstützt werden.“ München, am 12.12.2018 Albrecht Schnabel