Inhalt
Femina Politica – Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft
2-2020: Politiken der Generativität und Reproduktive Rechte
Schwerpunkt
Heike Kahlert / Agnes Blome: Politiken der Generativität und Reproduktive Rechte. Eine Einleitung
Susanne Schultz: Der gefährliche Geist der ‚Bevölkerung‘ in der Klimadebatte
Judith Goetz: ‚Der große Austausch‘– Rechtsextreme Reproduktions- und Bevölkerungspolitik am Beispiel der ,Identitären‘
Lisa Brünig: Schwangerschaftsabbruch zwischen Biopolitik und Selbstbestimmung – Eine feministisch-diskursanalytische Perspektive auf die parlamentarischen Debatten zur Änderung des §219a Strafgesetzbuch
Sarah Eckardt: Selbstbestimmung kontrovers?! Patient*innenautonomie in der Geburtshilfe
Ginger Feather: Proactive versus Reactive Sexual and Reproductive Health Rights: A Comparative Case Study Analysis of Morocco and Tunisia
Forum
Jennifer Ramme: ‚LGBT-freie Zonen‘ und der Weg zur Institutionalisierung von Homophobie in Polen
Carina Maier: Zur Universalisierung von Abhängigkeit in einem feministischen Subjektbegriff
Tagespolitik
Covid-19: Politiken der Sorge und Verletzbarkeit
Ingrid Kurz-Scherf: „Wir müssen über den Tod reden“
Interview mit Madeleine und Jane, Aktivistinnen von Women in Exile
Antke Engel: The Virus as a Straightening Device
Esther van Lück / Eddi Steinfeldt-Mehrtens: Leben und sterben lassen in Zeiten von Corona. Eine feministisch-inklusionspolitische Perspektive
Sonja John: Na Klasse! Gefängnispolitik und Covid-19
Synthia Hasenöhrl: Afrikanische Im/Mobilisierungen im Umgang mit Covid-19: intersektionale Politiken der Sorge an der Schnittstelle von Geschlecht, Klasse und Postkolonialität
Louka Maju Goetzke / Magdalena Müssig: Die Covid-19-Pandemie bedroht alle. Geschützt werden nur einige
Tobias Boos / Katharina Hajek / Benjamin Opratko: Corona-Solidaritäten
Sandra Jurdyga / Brigitte Temel: Zwischen Ignoranz, Prekarisierung und Selbstorganisation: Sexarbeiter_innen während Covid-19 in Österreich
Lilian Hümmler / Marilena de Andrade: Wenn Krise auf Krise trifft: die weltweite Epidemie geschlechtsspezifischer Gewalt in Zeiten von Corona
Miriam Augdoppler: Covid-19: der Kern bäuerlicher Verletzlichkeit
Teresa Gärtner: Geteilte Erfahrungen als Ausgangspunkt für Veränderung: Kinderbetreuung in der Covid-19-Krise
Hanna Lichtenberger / Stefanie Wöhl: Strukturelle Sorglosigkeit: die 24-Stunden-Betreuung in der Covid-19-Krise
Hilde Schäffler: Psychische Verletzlichkeit und Gesundheit im Schatten von Covid-19-Politiken
Sandra Brunsbach / Ines Weber: Corona-Papers: Gleichstellungserfolge ade?
Anna Kasten: Corona-Krise in Polen: Gelegenheitsfenster für antifeministische Politik?
Simon Ledder: Für eine Utopie der Verletzlichkeit – Vulnerabilität in pandemischen Zeiten
Christa Wichterich: Covid-Kapitalismus, Körper und Care
Neues aus Lehre und Forschung
Kurznachrichten
Gundula Ludwig / Philipp Schulz: Politiken des Lebens – ein Lehr- und Ausstellungsprojekt in Zeiten der Covid-19-Pandemie
Regina Frey: Die Gleichstellungsstiftung kommt – aber was ist ihr Auftrag?
Rezensionen
Katharina Hajek: Franziska Schutzbach: Politiken der Generativität. Reproduktive Gesundheit, Bevölkerung und Geschlecht. Das Beispiel der Weltgesundheitsorganisation
Silke Schneider: Angelika Schaser, Sylvia Schraut und Petra Steymans-Kurz (Hg.): Erinnern, vergessen, umdeuten? Europäische Frauenbewegungen im 19. und 20. Jahrhundert
Melanie Bittner / Heike Pantelmann: Lucyna Darowska (Hg.): Diversity an der Universität. Diskriminierungskritische und intersektionale Perspektiven auf Chancengleichheit an der Hochschule
Jan Belschner: Petra Ahrens, Katja Chmilewski, Sabine Lang und Birgit Sauer: Gender Equality in Politics. Implementing Party Quotas in Germany and Austria
Ruth Abramowski: Mary Daly: Gender Inequality and Welfare States in Europe
Maximilian Kiefer / Maike Messerschmidt: Sammelrezension: Defizite in der UN-Friedenspraxis
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Abstracts
Politiken der Generativität und Reproduktive Rechte. Eine Einleitung (Heike Kahlert, Agnes Blome)
1995 wurde das im Rahmen der Internationalen Konferenz zu Bevölkerung und Entwicklung ein Jahr zuvor verabschiedete Konzept der Sexuellen und Reproduktiven Gesundheit und Rechte, kurz: Reproduktive Rechte, in die Aktionsplattform der vierten Weltfrauenkonferenz integriert und völkerrechtlich als Bestandteil der Menschenrechte anerkannt. Die Übersetzung dieses Konzepts in nationale Politiken wird seither von einem regen Diskurs und politischen Aktivitäten verschiedener Akteur*innen begleitet. Der Artikel beleuchtet zunächst das komplexe Verhältnis von Staat, Politik und Bevölkerung. Im darauffolgenden Schritt stehen einige feministische Perspektiven auf ‚Generativität‘ als Fundament der Bevölkerungsentwicklung im Fokus. Danach wird das Konzept der Reproduktiven Rechte näher erörtert und anhand von zentralen Indikatoren im weltweiten Vergleich veranschaulicht. Schließlich werden Konfliktlinien im anhaltenden Streit über die Umsetzung dieses Menschenrechts umrissen. Mit einem Überblick über die Beiträge zum Schwerpunkt schließt die Einleitung.
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Der gefährliche Geist der ‚Bevölkerung‘ in der Klimadebatte (Susanne Schultz)
In der Klimadebatte ist derzeit ein neomalthusianischer Reflex zu beobachten: Der Klimawandel wird über statistische Berechnungen in Zusammenhang mit einer wachsenden Weltbevölkerung gebracht, und Strategien der Geburtenkontrolle werden nahegelegt. Der Text diskutiert diese gefährliche Entwicklung kritisch: Untote Geister eines Denkens in der Kategorie ‚Bevölkerung‘ werden wiederbelebt, die untrennbar mit ihrer kolonialrassistischen und sozialdarwinistischen Geschichte verwickelt sind. Zunächst werden die Argumentationslinien sehr unterschiedlicher Akteur*innen rekonstruiert, die sich auf diese Rationalität einlassen: ein ökologischer Mainstream, der Bevölkerung als schädlichen ‚Faktor‘ berechnet, die extreme Rechte, für die biopolitische Argumentationsmuster eine Andockstelle an den Klimadiskurs darstellen, und feministische und klimaaktivistische Aufrufe zum ‚Gebärstreik‘. Daraufhin werden drei Dimensionen in diesen Argumentationslinien unterschieden: die abstrakte statistische Konstruktion eines Zuviels an menschlicher Bevölkerung, die historisch tief verwurzelte Zuschreibung dieses Zuviels an die ‚Anderen‘, sowie totalitäre Planungsvisionen einer global zu managenden ‚Fertilität‘. Im Schlussteil plädiert die Autorin aus einer Perspektive reproduktiver Gerechtigkeit für ein radikales Zurückweisen dieser Verknüpfung von Bevölkerung und Klimawandel.
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‚Der große Austausch‘– Rechtsextreme Reproduktions- und Bevölkerungspolitik am Beispiel der ,Identitären‘ (Judith Goetz)
Ausgehend von einer Rekonstruktion der zentralen Argumentationsmuster rechtsextremer Reproduktions- und Bevölkerungspolitik im deutschsprachigen Raum widmet sich der Beitrag der Analyse von entsprechenden Narrativen am Beispiel der rechtsextremen ,Identitären‘, insbesondere deren ab 2014 gestarteten Kampagne ,Stoppt den Großen Austausch‘. Im Rahmen einer kritischen Diskursanalyse wird dabei den Fragen nachgegangen, inwiefern die ,Identitären‘ trotz einer teilweise modernisierten Sprache die über Jahrzehnte tradierten, zentralen bevölkerungs- und reproduktionspolitischen Argumentationsmuster der extremen Rechten erneuern und welche Rolle geschlechtsspezifische Aspekte darin einnehmen. Dabei zeigt sich, dass sich rechtsextreme Reproduktions- und Bevölkerungspolitiken vor allem rund um Erzählungen eines Geburtenrückgangs unter der autochthonen Bevölkerung, eines ,Bevölkerungsaustauschs‘ durch Zuwanderung, Multikulturalismus und Islamisierung sowie einer ,Vergreisung der Gesellschaft‘ formieren und sich weitgehend in den demografiepolitischen Diskursen der ,Identitären‘ wiederfinden. Die dargestellten vermeintlichen Problemlagen stehen dabei in engem Zusammenhang mit rechtsextremen Vorstellungen von Geschlechterverhältnissen. So lassen sich in Hinblick auf die Verhinderung des imaginierten ,Bevölkerungsaustauschs‘, für die sich Rechtsextreme wie die ,Identitären‘ stark machen, klare Vorstellungen von Geschlechterrollen ablesen. Während Männer den ,Bevölkerungsaustausch‘ durch eine Wehrhaftigkeit abwenden sollten, könnten Frauen diesen aufhalten, indem sie mehr Kinder bekommen. Hinter der Propagierung pronatalistischer, nativistischer und familistischer Politiken verbirgt sich auch bei den ,Identitären‘ die Angst vor gesellschaftlicher Veränderung und der Wunsch nach der Aufrechterhaltung bestehender Ordnungen.
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Schwangerschaftsabbruch zwischen Biopolitik und Selbstbestimmung – Eine feministisch-diskursanalytische Perspektive auf die parlamentarischen Debatten zur Änderung des §219a Strafgesetzbuch (Lisa Brünig)
22. März 2019 wurde das „Gesetz zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch“ vom Deutschen Bundestag beschlossen. Dieser Beitrag zeigt anhand der Betrachtung parlamentarischer Debatten zur Änderung des §219a StGB unter Berücksichtigung von historischen Kontinuitäten auf, wie staatliche Macht über gebärfähige Personen ausgeübt wird. Das Vorhaben wird als diskursanalytisch inspirierte Inhaltsanalyse mit machtkritischem und feministischem Anspruch bezeichnet und analysiert den parlamentarischen Diskursstrang anhand von Protokollen der Beratungen der Gesetzentwürfe im Bundestag und der Sitzungen im zuständigen Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz. Auf Basis einer feministischen Perspektive und einem Foucaultschen Machtbegriff wird untersucht, wie um Deutungsmacht über Schwangerschaftsabbrüche gerungen wird. Anhand zwei zentraler Thesen wird aufgezeigt, dass im Diskurs Schwangeren durch bestimmte Argumentationslogiken seitens Sprecher*innen eine Mutterrolle zugeschrieben und gleichzeitig die Selbstbestimmung Schwangerer dem staatlichen Schutz des Fötus als ‚ungeborenes Leben‘ untergeordnet wird. Darüber hinaus wird herausgearbeitet, dass angesichts der paradoxen Gleichzeitigkeit von suggerierter Selbstbestimmung und staatlicher Kontrolle biopolitische Regulierungsmechanismen der generativen Reproduktion sichtbar werden. Letztlich kann so am Beispiel der Debatten aufgezeigt werden, wie gebärfähige Personen zum Gegenstand moderner patriarchaler Machtverhältnisse werden.
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Selbstbestimmung kontrovers?! Patient*innenautonomie in der Geburtshilfe (Sarah Eckardt)
Selbstbestimmung und Autonomie während der Geburt sind seit den 1970er-Jahren zentrale Forderungen der Frauengesundheits- und Patient*innenbewegungen. Im Fokus steht dabei eine Emanzipation von der bio-medizinischen Geburtsmedizin mit ihren starken Interventionen und Kontrollpraktiken. Bei Selbstbestimmung im herkömmlichen Sinn wird ein autonomes, unabhängiges Subjekt vorausgesetzt und adressiert. Aber passt diese Beschreibung überhaupt zu einem Ereignis wie der Geburt? Oder treten angesichts der Spannungslage zwischen Selbstbestimmung und Fürsorge Grenzen der Selbstbestimmung für Gebärende zutage? Diesen Fragen geht der Artikel nach, indem er zuerst einen medizinischen Paradigmenwechsel zum Themenbereich der Patient*innenautonomie nachzeichnet und danach fragt, inwiefern das Selbstbestimmungsparadigma für professionelle Geburtshelfer*innen und Gebärende praktisch relevant ist. Dazu wurden gebärende Frauen kurz vor und nach der Geburt befragt. Weiterführende Überlegungen zu Widerstand und Empowerment in einer sehr machtvollen Institution wie dem Krankenhaus, in dem ein Großteil der Geburten stattfindet, bilden den Abschluss des Artikels.
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Proactive versus Reactive Sexual and Reproductive Health Rights: A Comparative Case Study Analysis of Morocco and Tunisia (Ginger Feather)
Morocco and Tunisia, two progressive Muslim-majority countries, took vastly different approaches to women’s sexual and reproductive health rights (SRHR). Sharing a French colonial past and Maliki Islamic tradition, Tunisia is an emerging democracy with a long history of top-down women’s rights advances and state-promoted SRHR. Tunisian women have benefitted from SRH education, access to contraception, emergency contraception, and state-funded first trimester abortion. Tunisia targets vulnerable populations, including unmarried, minor, rural, and poor women, with special clinics and subsidies. Finally, Tunisia holds men responsible for children they father outside of wedlock. In contrast, Morocco’s bottom-up feminist-driven approach to SRHR, including access to contraception, emergency contraception, and abortion, is circumscribed and exclusionary, targeting married couples. The criminalization of extramarital sexual relations and most abortions force single women with unwanted pregnancies to resort to unsafe abortion. Moroccan men who father children outside of marriage enjoy legal impunity from paternal responsibilities. Nevertheless, the recent rise of Islamic parties in both countries poses a potential threat to Tunisia’s proactive laws and policies governing SRHR, while adding another obstacle to adequate SRHR provision in Morocco.
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