Beschreibung
Stand lange das Subjekt im Fokus des Integrationsdiskurses, nehmen vermehrt Migrant*innen-Organisationen eine zentrale Position im Kampf um die Deutungsmacht dieses Übergangs ein. Vor diesem Hintergrund analysiert die Studie die Bedingungen, unter denen Kollektive in einer postmigrantischen Gesellschaft soziale Existenz und Handlungsfähigkeit erlangen. Sie geht der Frage nach, wie Migrant*innen-Organisationen integrationspolitisch adressiert werden und wie sie sich zu diesen Vereinnahmungen positionieren. Mit ihren Erkenntnissen leistet die Arbeit einen Beitrag zur diskriminierungs- und rassismuskritischen Organisationsforschung.
Galten Migrant*innen-Organisationen innerhalb der öffentlichen Debatte lange als integrationshemmend, werden sie zunehmend als unverzichtbare Akteure für eine gelingende Integrationsarbeit und -politik anerkannt und mit dem Übergang vom nicht-integrierten zum integrierten Subjekt betraut. Seit einigen Jahren formieren sich jedoch verstärkt Kollektive, die sich explizit gegen die verandernde Bezeichnung und den Auftrag zur Integration aussprechen.
Stellt die Anerkennung einer sozialintegrativen Funktion das Ende der Unterdrückung, der Heteronomie und Fremdbestimmung dar? Haben Migrant*innen-Organisationen also das erreicht, wofür sie jahrzehntelang gekämpft haben? Aktuelle Debatten über das post-souveräne Subjekt lassen an einer uneingeschränkten Emanzipationserzählung zweifeln.
Vor diesem gesellschaftspolitischen Hintergrund zielt das Erkenntnisinteresse der Studie auf den Konstitutionsprozess von Migrant*innen-Organisationen in einer (post-)migrantischen Gesellschaft. Subjektivierungstheoretisch wird die Organisationswerdung durch soziale Praktiken fokussiert, denn erst mit einem solchem Verständnis kann analysiert werden, wie sie als übergangsrelevante Organisationen anerkannt werden.
Anhand von Interviews und Dokumenten werden in einer poststrukturalistisch-praxeologischen Diskursanalyse die Kämpfe um gesellschaftliche Hegemonie herausgearbeitet. Integrationspolitische Ansprachen sind wie die Reaktionen darauf als im Widerstreit von Ordnungen zu verstehen. Selbst- und Fremdführung bilden dabei keine Opposition mehr. Vielmehr kennzeichnen überlagernde und ambivalente Anhängigkeiten die Subjektposition. Die zentrale Einsicht liegt darin, dass Migrant*innen-Organisationen selbst subjektiviert werden müssen, um das migrantisch adressierte Subjekt als eines im Übergang zu subjektivieren.
Autor*in:
Nils Klevermann forscht und lehrt am Institut für Erziehungswissenschaft der Eberhard Karls Universität Tübingen
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Die Zielgruppe:
Forschende und Lehrende der Soziologie
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