Beschreibung
Der Zugang zu Bildung und damit der Übergang in das Regelschulsystem findet für neu zugewanderte und geflüchtete Kinder und Jugendliche oft durch eine institutionell gerahmte Zwischenphase in Vorbereitungsklassen statt. Aus einer ungleichheitsrelevanten Perspektive rekonstruiert Anna C. Reinhardt in ihrer qualitativen Studie diese Vorbereitungsklassen als komplexe Übergangssituationen und dekonstruiert ihr relationales Zustandekommen als konflikthaften Aushandlungsprozess um Teilhabe und Zugehörigkeit in der Migrationsgesellschaft.
Das staatliche Bildungssystem war und ist aufgrund heterogener Migrations- und Fluchtbewegungen kontinuierlich mit der Aufgabe befasst, neu zugewanderte/geflüchtete Kinder und Jugendliche in das Schulsystem zu inkludieren und damit den Zugang zu schulischer Bildung zu ermöglichen. Bildungspolitisch wird dieses migrationsspezifische Übergangsphänomen vielmals durch die institutionelle Etablierung von sog. Vorbereitungsklassen, altersheterogenen und (teil-)separierten Unterrichtskontexten, bearbeitet. Dadurch wird eine Transitionsphase institutionell hervorgebracht, die einerseits quer zu den schulischen Verlaufskonzepten der Dominanzgesellschaft liegt. Andererseits wird mit dieser Beschulungsform ein Übergang sozial konstruiert, den ausschließlich die (fremd-)kategorisierte ‘Personengruppe‘ der sog. Seiteneinsteiger:innen durchlaufen muss, um in das Regelschulsystem integriert zu werden. Die Studie setzt an diesem ungleichheitsrelevanten Transitionsphänomen der Vorbereitungsklassen an und erforscht dieses aus einer situationsanalytisch informierten und übergangstheoretischen Perspektivierung. Damit wird eine konstruktivistische Lesart eingenommen, die diese Übergangssituation nicht als quasi-natürliche Gegebenheit versteht, sondern ihre Herstellungspraxis kritisch reflektiert. Ziel dieser Studie ist es dem folgend eine Rekonstruktion des relationalen Zustandekommens – also wie und durch wen werden diese Vorbereitungsklassen gegenwärtig hergestellt und (aus-)gestaltet – und eine Dekonstruktion dieser institutionell gerahmten Übergangssituation zu erhalten. Im ethnografischen Forschungsprozess war es möglich Vorbereitungsklassen an Schulen in Baden-Württemberg zu erkunden und dabei unterschiedliche Daten (z.B. Beobachtungsprotokolle, Dokumente, Interviews) zu erheben und situationsanalytisch zu interpretieren. Dadurch kann zum einen dargelegt werden, wie Vorbereitungsklassen durch ein relationales Zusammenspiel unterschiedlicher Akteursgruppen, Institutionen und Diskursen als symbolische Übergangssituation hergestellt werden. Diese Situation wird zum anderen für die sog. Seiteneinsteiger:innen im schulischen Kontext zu einer ungleichheitsrelevanten Zwischenphase, in welcher symbolische Zugehörigkeitsordnungen (re-)produziert und konflikthafte Aushandlungsprozesse, um die Frage nach Teilhabe in der Migrationsgesellschaft ausgetragen werden.
Die Autorin:
Dr. Anna C. Reinhardt, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Arbeitsbereich Erziehung und Bildung in der Migrationsgesellschaft, Institut für Erziehungswissenschaft, Universität Osnabrück
Die Fachbereiche:
Erziehungswissenschaft, Soziologie
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