Beschreibung
Wie lässt sich die strukturelle Ausbeutung weiblich konnotierter Care-Arbeit für andere, aber auch die Ausbeutung nicht-menschlicher Natur überwinden? Vonnöten ist eine wirkmächtige Care-Bewegung, um die (über-)lebensnotwendigen sorgenden Tätigkeiten für Mensch und Umwelt ins Zentrum allen Wirtschaftens zu rücken. In dem Band werden Beweggründe und Perspektiven care-politischer Initiativen vorgestellt, die seit der Covid-19-Pandemie an Bedeutung gewinnen.
Care-politische Initiativen haben seit der Covid-19-Pandemie auch im deutschsprachigen Raum einen deutlichen Aufschwung erfahren: Plötzlich gab es ein breites öffentliches Bewusstsein darüber, dass weiblich konnotierte Sorgearbeit im Gesundheits-, Bildungs- und Pflegesektor, aber auch im Privathaushalt von erheblicher Systemrelevanz ist, ohne die Wirtschaft und Gesellschaft nicht lebensfähig wären. Daraus speiste sich die Hoffnung, dass die überfällige Aufwertung von un- und unterbezahlter Care-Arbeit endlich eingeleitet würde. Gleichzeitig wird die veritable Care-Krise von anderen multiplen Problemlagen überlagert. Das lässt immer deutlicher werden, dass Care-, Klima- und Energiekrise die gleichen Ursachen haben: Ein renditeorientiertes Wirtschaftssystem verleibt sich gleichermaßen ausbeuterisch die scheinbar unerschöpflichen Care- und nicht-menschlichen Naturressourcen ein, ohne sich an den Kosten zu beteiligen. Das geht zulasten von Care-Arbeiter*innen und beeinträchtigt die Lebensqualität vieler Menschen in allen Lebensphasen massiv. Zudem führt diese Strategie zur Reproduktion bestehender Geschlechterhierarchien, die weiblich gelesene Menschen unterschiedlicher sozialer und ethnischer Herkunft benachteiligen, indem ihnen die Care-Arbeit für Mensch und Umwelt überantwortet wird und häufig als „Ehrenamt“ gilt bzw. an „globale Sorgeketten“ delegiert wird.
Im Sammelband werden verschiedene Care-Initiativen mit ihren vielfältigen Motiven und Lösungsansätzen vorgestellt. Sie sind Teil einer kreativen Suchbewegung, die nach gangbaren Wegen fragt, um die massive strukturelle Abwertung der lebensnotwendigen Sorgearbeit und die Feminisierung der Umweltverantwortung zu überwinden. Dazu braucht es eine wirkmächtige Care-Bewegung, die eine sorge-zentrierte Neuausrichtung der Wirtschaft für Mensch und Umwelt in Gang setzt. Nur dann kann eine sozial-ökologische Transformation der Weltgesellschaft gelingen, die ein gutes Leben für alle in planetaren Grenzen ermöglicht.
Inhaltsverzeichnis + Leseprobe
Die Herausgeberinnen:
Prof. Dr. em. sc. oec. Uta Meier-Gräwe, Professorin für Wirtschaftslehre des Privathaushalts und Familienwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen
Dr. theol. Ina Praetorius, freie Autorin und Referentin mit Schwerpunkt Sozial- und Wirtschaftsethik
Feline Tecklenburg M.A., Politikwissenschaftlerin und geschäftsführende Vorständin Wirtschaft ist Care e.V.
Hier finden Sie den Waschzettel zum Buch (PDF-Infoblatt).
Die Zielgruppe:
Lehrende und Forschende der Soziologie und Gender Studies
Viola Schramm –
Wer einen Einstieg in die aktuelle Landschaft von Care-Initiativen und -Diskursen sucht, wird hier fündig. Der Herausgeberband bietet eine hervorragende Übersicht über aktuelle Care-Initiativen im deutschsprachigen Raum und bietet diesen jeweils die Möglichkeit, eigene Perspektiven auf Care, die jeweiligen Arbeitsweisen und Entstehungsgeschichten auszubreiten. Interessant sind dabei auch die Perspektiven auf sozialpolitische Errungenschaften aus den vertretenen Initiativen, da diese in unterschiedlich aufgebauten politischen Systemen agieren.
Im Rahmen des Studiums der Sozialen Arbeit bietet dies Stoff auf mehreren Ebenen: Es bietet die Möglichkeit, die eigene berufliche Identität und ihre Stellung im aktuellen wirtschaftlichen und politischen System kritisch-emanzipatorisch zu hinterfragen und gleichwohl Anknüpfungspunkte für ein eigenes Engagement zu suchen. Gleichzeitig zentriert die Soziale Arbeit als solche in ihren Arbeitsinhalten „Care“, ebenso wie soziale Bewegungen.
Im einleitenden Kapitel wird nicht nur der Care-Begriff eingeordnet, es wird auch deutlich, dass die Herausgeberinnen dieses Sammelbandes selbst leidenschaftlich für die Sache brennen. Auffallend sind auch die Info-Kästen, die das Buch durchziehen. Sie bieten wertvolle Anregungen zur vertiefenden Recherche.
Auch wenn der Care-Diskurs in den aktuellen Curricula der Sozialen Arbeit m.E. eher randständig thematisiert wird, so bietet der Band denen, die sich in diese Richtung vertiefen wollen (und Gründe gibt es dazu genug!), einen guten Überblick über wichtige Begriffe und Autor*innen für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit allem rund um Care-Diskurse und -Bewegungen.