Inhalt
Femina Politica – Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft
2-2019: Umkämpfte Solidaritäten
Schwerpunkt
Brigitte Bargetz / Alexandra Scheele / Silke Schneider: Umkämpfte Solidaritäten. Einleitung
Inga Nüthen: Schwul-lesbische Klassenpolitiken: mit Lesbians and Gays Support the Miners (LGSM) politische Solidarität unter Bedingungen von Differenz denken
Kirsten Achtelik: Eingeschränkte Solidarität – Feminismus zwischen Ableism und Intersektionalität
Mareike Gebhardt: Flüchtige Präsenz. Umkämpfte Solidaritäten des EU-Migrationsregimes
Christine M. Klapeer: Transnationale queere Solidarität als „burden of the fittest“? Zur Problematik einer Einpassung von LGBTIQ*-Rechten in die Logik von Entwicklungszusammenarbeit
Johanna Leinius: Feministische Solidarität als Kosmopolitik
Esther M. Franke / Carla Wember: „The Power of Food to Bring People Together and Create Common Ground“. Affektive Dissonanz und transnationale Solidarität in einem Ernährungsnetzwerk
Laura Moisi: Etwas stimmte nicht. Narrative Allianzen und retrospektive Zeug*innenschaft
Forum
Jessica Bock: Kein einig Schwesternland. Über die bestehende Un-Einigkeit zwischen ost- und westdeutscher Frauenbewegung
Sandra Matthäus: ‚Der Osten‘ als Teil ‚des Westens‘ und ‚des Rests‘. Eine unmöglich knappe Skizze der Potenziale Postkolonialer Theorien für eine Analyse ‚des Ostens‘
Brigitte Young: Haben Ostfrauen heute noch einen nachweisbaren ökonomischen Vorteil gegenüber Westfrauen?
Judith C. Enders: Feminismus und Mütterlichkeit – ein Ost-West Thema?
Tagespolitik
Sarah Clasen: Wer bestimmt über den weiblichen Körper? Worum es in der Auseinandersetzung um §219a StGB wirklich geht
Henrike Bloemen / Gabriele Wilde: Genderdiskurse im bundesdeutschen Europawahlkampf 2019: Zwischen feministisch- demokratischem Aufbruch und rechtsautoritärer Aushöhlung
Angelika von Wahl / Gabriele Abels: Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin – ein gleichstellungspolitischer Erfolg? Zwei Positionen
Christine Löw: Kämpfe gegen die Enteignung natürlicher Ressourcen – (k)ein feministisches Thema?
Neues aus Lehre und Forschung
Kurznachrichten
Johanna Elle / Daniela Müller: Gender, Flucht, Aufnahme – Einblicke in die Verschränkung von ethnographischer Forschung und medialer Diskursanalyse
Rebecca Gulowski: Zwischen Entfremdung und Empowerment: Zur Thematisierung sexualisierter Gewalt in der Hochschullehre
Rezensionen
Eric Llaveria Caselles: Perspektiven aus den Trans*Studies. Zwischen anhaltender Gewalt und gesellschaftlichen Transformationsprozessen
Gabriele Abels: Susan Franceschet, Mona Lena Krook, Netina Tan (Hg.): The Palgrave Handbook of Women’s Political Rights
Regina Frey: Arn Sauer: Equality Governance via Policy Analysis? The Implementation of Gender Impact Assessment in the European Union and Gender-based Analysis in Canada
Anne Jenichen: Yanina Bloch: UN-Women. Ein neues Kapitel für Frauen in den Vereinten Nationen
Heike Mauer: Beate Kortendiek, Birgit Riegraf, Katja Sabisch (Hg.): Handbuch Interdisziplinäre Geschlechterforschung
Denise Bergold-Caldwell / Eleonore Wiedenroth-Coulibaly: Natasha A. Kelly (Hg.): Schwarzer Feminismus – Grundlagentexte
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Abstracts
Schwul-lesbische Klassenpolitiken: mit Lesbians and Gays Support the Miners (LGSM) politische Solidarität unter Bedingungen von Differenz denken (Inga Nüthen)
Die Londoner Gruppe Lesbians and Gays Support the Miners (LGSM) war Teil eines breiten Solidaritätsnetzwerks zur Unterstützung des großen Streiks der Bergbaugemeinden 1984/85 in Großbritannien. Ihre Politiken lese ich als schwul-lesbische Klassenpolitiken, die eine Gegenüberstellung von Identitäts- und Klassenpolitiken überwinden, ohne dabei auf Politiken der Sichtbarkeit zu verzichten. Zentral dafür ist das Begehren nach solidarischen Beziehungsweisen. Dieses fungiert als utopisches Moment einer Gemeinschaft und eines Allgemeinen, die in den Beziehungen selbst erst entstehen, die begehrt werden. Im Anschluss an diese Politiken lässt sich Solidarität als politische Solidarität konzipieren, die nicht auf einer gemeinsamen Identität aufbaut, sondern auf ähnlichen Unterdrückungserfahrungen und einer gemeinsamen Opposition zu neoliberalen Politiken. Zur Herausforderung wird hierbei das Spannungsverhältnis zwischen Einheit und Differenz. Unter den Bedingungen von Differenz wird Solidarität schließlich als ‚solidarity to come‘ gefasst.
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Eingeschränkte Solidarität – Feminismus zwischen Ableism und Intersektionalität (Kirsten Achtelik)
Wie kann Solidarität innerhalb und zwischen verschiedenen Bewegungen hergestellt und aufrechterhalten werden? Dieser Frage geht der Text anhand der Kontroversen in der Frauenbewegung um behindertenpolitische Themen nach, insbesondere in Bezug auf humangenetische Beratungsstellen und Pränataldiagnostik. Dazu werden vier Texte von Feministinnen mit und ohne Behinderung vorgestellt und auf ihre Appelle zur Solidarität befragt, die zwischen den beiden feministischen Kongressen gegen Reproduktionstechnologien ab Mitte der 1980er Jahre entstanden sind. Hier ist besonders interessant, wer in Bezug auf welche Ziele und Werte an wessen Solidarität appelliert. Die Anwendung des zentralen feministischen Slogans „Das Private ist politisch“ auf die eigene Bewegung durch Feministinnen mit Behinderung und die autonome Strömung ermöglichte eine Kritik an internalisierter Behindertenfeindlichkeit/Ableism und an einem eindimensionalen und exklusiven Selbstbestimmungsbegriff in den Debatten um pränatale Diagnostik und Abtreibung. Diese Aufforderung zur Selbstkritik und die Vorschläge zur Entwicklung eines komplexeren und inklusiveren Selbstbestimmungsbegriffs wurden teilweise ignoriert oder auch mit Verratsvorwürfen begegnet. Die Konflikte sowie die Solidaritätsaufrufe zeigen, dass praktische Solidarität eher zwischen verschiedenen Bewegungsströmungen möglich ist als zwischen ganzen Bewegungen. Schlagwörter: Soziale Bewegungen, Feminismus, Reproduktionstechnologien, Behinderung, Intersektionalität, Ableism
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Flüchtige Präsenz. Umkämpfte Solidaritäten des EU-Migrationsregimes (Mareike Gebhardt)
Der Beitrag diskutiert das Migrationsregime der EU im Hinblick auf ambivalente Prozesse der (Ent-)Solidarisierung. Er betrachtet zunächst Bewegungen der binneneuropäischen Entsolidarisierung, die durch die strukturellen Asymmetrien der Dublin-Verordnungen evoziert werden. Fokussiert wird dabei der Nord-Süd-Konflikt zwischen Italien und der EU, in dem neo-koloniale Differenzen zwischen den ‚Kernstaaten‘ und den südlichen ‚Peripherien‘ Europas reproduziert werden. Im Folgenden konzentriert sich die Untersuchung dann auf eine radikaldemokratietheoretische Analyse der Proteste von „Lampedusa in Hamburg“, anhand derer europäische Solidarisierungsbewegungen aufgezeigt werden. Im Anschluss an die Arbeiten von Judith Butler, Isabell Lorey und Jacques Rancière wird hierfür das Konzept der flüchtigen Präsenz entwickelt, durch das die Proteste von „Lampedusa in Hamburg“ als widerständige Subjektivierung lesbar werden.
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Transnationale queere Solidarität als „burden of the fittest“? Zur Problematik einer Einpassung von LGBTIQ*-Rechten in die Logik von Entwicklungszusammenarbeit (Christine M. Klapeer)
Auf der Basis einer produktiven Zusammenführung von Erkenntnissen aus dem Bereich der postkolonialen und ‚radikalen‘ Entwicklungsforschung und queeren Auseinandersetzungen mit homonationalistischen Implikationen globaler LGBTIQ*-Politiken diskutiert dieser Beitrag das Spannungsverhältnis zwischen Entwicklungszusammenarbeit und transnationaler queerer Solidarität. Es wird gezeigt, inwiefern Solidarität vor dem Hintergrund einer problematischen Aktualisierung modernisierungstheoretischer und developmentalistischer Annahmen im Zuge LGBTIQ*-inklusiver bzw. SOGI-sensibler Entwicklungsagenden vor allem als eine Verantwortung ‚der Entwickelten‘ bzw. mit Gayatri Chakravorty Spivak gesprochen, als „burden of the fittest“, geframt wird. In diesem Zusammenhang nimmt der Beitrag auf der Basis postkolonialer Entwicklungskritiken die selbstaffirmativen Implikationen von entwicklungspolitischen Artikulationen transnationaler queerer Solidarität in den Blick und untersucht, inwieweit diese als eine Form der okzidentalistischen Selbstvergewisserung interpretiert werden können. In einem letzten Teil wird problematisiert, inwiefern eine Viktimisierung von LGBTIQ*s im Globalen Süden bzw. insgesamt eine sogenannte Spektakularisierung von Gewalt gegen LGBTIQ*s in den sogenannten Partnerländern als zentraler diskursiver Bedingungsrahmen für transnationale queere Solidarität fungiert.
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Feministische Solidarität als Kosmopolitik (Johanna Leinius)
In meinem Beitrag diskutiere ich, inwiefern die Anerkennung von Differenz als Basis für feministische Solidarität dienen kann. Ich verbinde die Debatten innerhalb postkolonial-feministischer Theorie über die Un/Möglichkeiten von feministischer Solidarität mit der Perspektive der Politischen Ontologie, um Kosmopolitik als die Verhandlungen zwischen miteinander in ungleicher Beziehung verbundener heterogener Welten zu greifen. Dafür untersuche ich zwei Bewegungstreffen in Peru, die Fünften Dialogen zwischen Bewegungen und Wissen sowie das 13. Feministische Lateinamerikanische und Karibische Treffen. Um zu analysieren, wie Differenz auf den beiden Treffen konstruiert wird und welche Effekte dies auf die Möglichkeit hat, Solidarität zu praktizieren, schlage ich zwei Konstellationen von Solidarität und Kosmopolitik vor: Kosmopolitische Solidarität bezeichnet eine Haltung gegenüber als different betrachteten Gruppen und Individuen, die Differenz als Stärke emanzipatorischer Kämpfe sieht. Statt exklusive Grenzen zu betonen, wird die Intersektionalität verschiedener Kämpfe anerkannt, das geteilte politische Bewusstsein wird als erst im gemeinsamen Kampf geschaffen gesehen, und die Praxis der Imagination wird eingesetzt, um potenzielle Inkommensurabilitäten zu überbrücken. Kosmopolitik der Solidarität meint hingegen die Praxen der Solidarität, die heterogene und potenziell nicht ineinander aufgehende Kämpfe verschränken und auf wechselseitiger Kritik aufbauen. Erst die gemeinsame Betrachtung beider Konstellationen, so mein Argument, kann die machtvollen Aushandlungsprozesse fassen, die feministische Solidarität als dekolonisierende Praxis ermöglichen.
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„The Power of Food to Bring People Together and Create Common Ground“. Affektive Dissonanz und transnationale Solidarität in einem Ernährungsnetzwerk (Esther M. Franke, Carla Wember)
Wie entstehen kollektives Handeln und Solidaritäten jenseits von Identitätspolitik? Dies ist Ausgangsfrage und Erkenntnisinteresse dieses Artikels, der sich der Entstehung von subjektiven und kollektiven Räumen der Bewegung in und durch geteilte lebensweltliche Sphären zuwendet. Aufbauend auf Material, das in einer empirischen Studie im Ernährungsnetzwerk in Toronto, Kanada, gewonnen wurde, wird argumentiert, dass durch Problematisierungen geteilter lebensweltlicher Anliegen, wie hier Ernährung, Räume für eine Politisierung jenseits von Identitätspolitik entstehen. Diese Räume produzieren „affektive Dissonanzen“ (Hemmings 2012), die transnationale solidarische Praktiken ermöglichen. Affektive Dissonanzen werden verstanden als (körperliche) Erfahrung von Divergenz zwischen Ontologie und Epistemologie, also der Differenz zwischen der gefühlten Wahrnehmung des eigenen Seins in der Welt und den Bedingungen eines lebbaren Lebens. Wie über affektive Dissonanzen solidarische Praktiken entstehen ist dabei zentrales Augenmerk des Artikels. Es wird gezeigt, dass materialisierte Ungleichheiten, für die Deutungsangebote bestehen – wie in diesem Fall rassistisch produzierte (ökonomische) Marginalisierung –, affektive Dissonanzen explizierbar machen, während andere (in diesem Fall die Verbindung, Naturalisierung und Abwertung von Weiblichkeit mit Sorge) zwar diffus gefühlt jedoch nicht eingeordnet werden können. Damit, so das Argument, wird die Existenz eines Deutungsangebots zu einer zentralen Schnittstelle von affektiver Dissonanz und Solidarität jenseits von Identitätspolitik.
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Etwas stimmte nicht. Narrative Allianzen und retrospektive Zeug*innenschaft (Laura Moisi)
In diesem Beitrag geht es um die Frage, wie literarische, filmische und autobiografische Schilderungen von unerwünschten Berührungen und sexuellen Übergriffen zur Grundlage von politischen Allianzen werden. Ausgehend von kulturwissenschaftlichen Perspektiven auf Affekt und Geschlecht, insbesondere mit Blick auf Sara Ahmeds queer-feministische Arbeiten, beschäftigt sich der Beitrag mit gegenwärtigen Neuaushandlungen von feministischer Solidarität. Dabei soll ein Blick auf Formen feministischer Solidarität geworfen werden, die sich weniger an der Überwindung von Gefühlen der Ohnmacht orientieren und mehr an einer narrativen Aufarbeitung von Gewalterfahrungen. Vergangenheit und Gegenwart, persönliche Schicksale und Kulturgeschichte, verschränken sich dabei auf produktive Weise. Bezugnehmend auf gegenwärtige kulturelle Aufarbeitungen von sexualisierter Gewalt in sozialen Medien, Essays und Erzählbänden, geht es um die Frage, wie fiktive und autobiografische Erzählpraktiken Vorstellungen von Handlungsmacht und Passivität, von Dominanz und Opferstatus herausfordern. Dabei wird ein Blick auf narrative Allianzen als feministische Solidaritätsform skizziert, die affektive Verweigerungen und Widerstände sichtbar macht.
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