Inhalt
PERIPHERIE – Politik • Ökonomie • Kultur
1-2022 (Heft 165-166): DDR postkolonial
Editorial
Schwerpunkt
Maria Backhouse / Theo Mutter / Miriam Friz Trzeciak: Mosambikanische Vertragsarbeiter*innen in der DDR. Interview mit Madgermanes in Maputo. Mit einer Einführung von Hans-Joachim Döring
Johanna M. Wetzel / Marcia C. Schenck: Liebe in Zeiten der Vertragsarbeit. Rassismus, Wissen und binationale Beziehungen in der DDR und Ostdeutschland
Isabel Enzenbach: Black East & Ossis of Color. Fotografien afrikanischer Migrant:innen in der DDR
Miriam Friz Trzeciak / Manuel Peters: Urbane imperiale Differenz. Verflechtungen postkolonialer und post(real) sozialistischer Konfigurationen am Beispiel von Cottbus
Jannik Noeske: Mit Tropenhelm in Thüringen. Rezeption und Repräsentation Albert Schweitzers in Weimar seit 1960
Raja-Léon Hamann / Jan Daniel Schubert: Zwischen anti-imperialistischem Anspruch und politischer Wirklichkeit. Die Reproduktion kolonialrassistischer Strukturen in dem Amo-Forschungsprojekt der 1960er Jahre und der Statue „Freies Afrika“ in Halle a.d. Saale
Samuel Quive / Adérito Machava: Eine zerbrochene Vision? Wie Samora Machels Projekt für eine Elitebildung in der DDR entgleiste
Martina Kofer: (Interkulturelle) Begegnungen mit der DDR-Gesellschaft in chilenischer Exilliteratur. Versuch einer postkolonialen Lesart
Bianca Bodau: Bruderland ist abgebrannt. Ein Dokumentarfilm von Angelika Nguyen (Zur Einführung)
Angelika Nguyen: Film als Weg aus Familienproblemen. Interview mit dem Filmregisseur Duc Ngo Ngoc über einen Filmworkshop mit Kids aus der deutsch-vietnamesischen Community
PERIPHERIE-Stichwort
Reinhart Kößler / Miriam Friz Trzeciak: Postsozialismus?
Patrice G. Poutrus: Arbeitskräfte für den Sozialismus: Die Vertragsarbeiter*innen
Rezensionen
Theo Mutter: Birgit Neumann-Becker & Hans-Joachim Döring (Hg.): Für Respekt und Anerkennung. Die mosambikanischen Vertragsarbeiter und das schwierige Erbe der DDR
Reinhart Kößler: Eric Burton, Anne Dietrich, Immanuel R. Harisch & Marcia C. Schenck (Hg.): Navigating Socialist Encounters. Moorings and (Dis)Entanglements Between Africa and East Germany during the Cold War
Reinhart Kößler: Hans-Georg Schleicher: Doppelte Zeitenwende. Der Süden Afrikas und Deutschlands Osten
Gerhard Hauck: Arno Sonderegger: Afrika und die Welt. Betrachtungen zur Globalgeschichte Afrikas in der Neuzeit
Reinhart Kößler: Franz Halbartschlager, Andreas Obenaus & Philipp A. Sutner (Hg.): Seehandelsrouten. Wegbereiter der frühen Globalisierung
Fabian Fechner: Heiko Wegmann: Vom Kolonialkrieg in Deutsch-Ostafrika zur Kolonialbewegung in Freiburg. Der Offizier und badische Veteranenführer Max Knecht (1874-1954)
Reinhart Kößler: Michaela Fink & Reimer Groenemeyer: Namibia’s Children. Living Conditions and Life Chances in a Society in Crisis
Tobias Breuckmann: Annett Bochmann: Public Camp Orders and the Power of Microstructures in the Thai-Burmese Borderland
Sören Scholvin: Victor Bravo & Nicolas Di Sbroiavacca: Oil and Natural Gas Economy in Argentina. The Case of Fracking
Reinhart Kößler: Karl Reitter: Kritik der linken Kritik am Grundeinkommen
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Abstracts
Liebe in Zeiten der Vertragsarbeit. Rassismus, Wissen und binationale Beziehungen in der DDR und Ostdeutschland (Johanna M. Wetzel, Marcia C. Schenck)
Rassismus in der DDR und den neuen deutschen Bundesländern wurde und wird noch immer überwiegend durch einen analytischen Fokus auf die weiße, ostdeutsche Mehrheitsgesellschaft erforscht. Im Vordergrund dieses Artikels stehen hier jedoch die oral histories mosambikanischer und angolanischer Vertragsarbeiter*innen, die zwischen 1978 und 1990 in der DDR arbeiteten, lebten und liebten, sowie ihrer in Ostdeutschland geborenen mixed-race-Kinder. Obwohl alltägliches rassistisches Wissen, Staatsinteressen und die Solidaritätsdoktrin binationale Beziehungen zwischen Vertragsarbeiter*innen und DDR-Bürger*innen einschränkten, lebten sie ihre Beziehungen selbstbestimmt, nutzten Handlungsspielräume in ihrem Interesse aus und maßen ihren Beziehungen subjektive Bedeutung innerhalb ihrer eigenen, intersektionalen Wissenshorizonte bei. Die Widerstandsstrategien der zweiten Generation schließen die Suche nach dem mosambikanischen Elternteil und die Neuverhandlung der Beziehungen mit ostdeutschen Familienmitgliedern ein. Gemeinsam beleuchten die Erinnerungen beider Generationen die Wirkungsweisen rassistischen Wissens vor und nach 1990 aus einem konkreten, nicht-weißen Fokus und werfen dabei neue Fragen und Herausforderungen für die DDR-Rassismusforschung auf. Schlagwörter: Ostdeutschland, DDR, Angola, Mosambik, Vertragsarbeiter*innen, rassistisches Wissen, binationale Beziehungen
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Black East & Ossis of Color. Fotografien afrikanischer Migrant:innen in der DDR (Isabel Enzenbach)
Fotografien sind eine wichtige und bislang wenig genutzte Quelle, um migrantisches Leben in der DDR zu erforschen. Publik sind vor allem DDR-Pressefotografien, die junge Menschen aus dem Globalen Süden bei der Arbeit in der DDR zeigen, wobei das Land als technologisch überlegenes Bruderland inszeniert wird. Der Artikel zeigt und diskutiert von diesem Muster abweichende Bilder. Sie stammen aus dem Archiv der DDR-Bildagentur Zentralbild sowie aus dem im Entstehen begriffenen Archiv „De-Zentralbild“, das private Fotos von DDR-Migrant:innen und die dazugehörigen Erzählungen zusammenträgt. Diskutiert werden Fotos, die Migrant:innen verschiedener afrikanischer Länder abbilden. Der Artikel analysiert sie anhand der von DDR-Migrant:innen formulierten Begriffe „Black East“ und „Ossis of Color“ sowie dem Konzepte eines „Socialist Chormatism“. Schlagwörter: Migration, Fotografie, DDR, Rassismus, black history
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Urbane imperiale Differenz. Verflechtungen postkolonialer und post(real) sozialistischer Konfigurationen am Beispiel von Cottbus (Miriam Friz Trzeciak, Manuel Peters)
Der vorliegende Artikel unternimmt eine dekolonisierende Spurensuche im post(real)sozialistischen Raum Cottbus. Inspiriert durch post- und dekoloniale Städteinitiativen lokalisieren wir verschiedene Erinnerungsorte in der Stadt. Wir zeigen, wie der post(real)sozialistische urbane Raum, der aus der DDR hervorgegangen ist, auf ambivalente Weise in eine koloniale Matrix eingebunden ist. Wir rekonstruieren, wie diese spezifische Kolonialität/Modernität zur sozialen Hierarchisierung von sozialen, ökonomischen und epistemischen Beziehungen führte. Die ambivalente Positionierung der DDR, die einerseits koloniale Machtverhältnisse fortsetzte, diesen gleichzeitig entgegentrat sowie selbst von Prozessen der Abwertung betroffen war, konzeptualisieren wir als urbane imperiale Differenz. Wir argumentieren, dass die Aufarbeitung der Prozesse von Rassialisierung im (real)sozialistischen urbanen Raum wichtig ist, um gegenwärtige rechtsextreme, zuwanderungsfeindliche und rassistische Bewegungen besser verstehen zu können. Schlagwörter: Postkolonialismus, Postsozialismus, Kolonialität des post(real)sozialistischen urbanen Raumes, Cottbus, Rassismus, Ossifizierung, Migration, Stadtrundgänge
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Mit Tropenhelm in Thüringen. Rezeption und Repräsentation Albert Schweitzers in Weimar seit 1960 (Jannik Noeske)
Das Albert-Schweitzer-Denkmal in Weimar wurde 1968 aufgestellt und gilt als weltweit erstes Denkmal zu Ehren des Arztes, Theologen und Pazifisten (1875-1965), der durch sein Wirken in Lambaréné (Gabun) weltweit berühmt geworden ist. Das Denkmal ist Ausdruck einer spezifischen Begeisterung und Unterstützung für Albert Schweitzer in der DDR. Diese war gut organisiert und staatlich verankert. Insbesondere die Block-CDU und ihr Vorsitzender Gerald Götting bemühten sich um die Popularisierung Schweitzers in der DDR. Das Denkmal des Bildhauers Gerhard Geyer von 1968 allerdings kann im Lichte seiner rassifizierenden Bildsprache als Teil einer kolonialistischen Ikonographie in der Schweitzer-Rezeption gewertet werden. Diese ist allerdings kein spezifisch ostdeutsches Phänomen. In Weimar, einem Schaufenster des Staatssozialismus, finden das Denkmal und eine Albert-Schweitzer-Gedenkstätte einen erinnerungspolitischen Kontext, der sich bis heute im Kern erhalten hat. Gleichwohl ist das Wissen über die Geschichte der Schweitzer-Rezeption in Weimar und in der DDR weitestgehend begrenzt. Schlagwörter: postkoloniale Erinnerung, soziales Gedächtnis, Denkmal, Statue, internationale Solidarität, DDR
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Zwischen anti-imperialistischem Anspruch und politischer Wirklichkeit. Die Reproduktion kolonialrassistischer Strukturen in dem Amo-Forschungsprojekt der 1960er Jahre und der Statue „Freies Afrika“ in Halle a.d. Saale (Raja-Léon Hamann, Jan Daniel Schubert)
Debatten um Kolonialität haben sich in der Vergangenheit zumeist ausschließlich auf die Kontinuitäten westlicher Kolonialismen und Imperialismen konzentriert. Dies trifft, wenn auch in unterschiedlicher Weise, sowohl auf postkoloniale als auch auf dekoloniale Diskurse zu. Ausgehend von einer Kritik der Vernachlässigung nicht-westlicher Kolonialismen sind in den letzten Jahren jedoch vermehrt Ansätze entwickelt worden, die post- und dekoloniale mit postsozialistischen Perspektiven verbinden. Das Anliegen dieses Artikels ist es, diese Debatten für den Kontext der (ehemaligen) DDR fruchtbar zu machen und mit Hilfe der daraus gewonnen Einsichten eine kritische Untersuchung der diplomatischen Beziehungen zwischen der DDR und der Republik Ghana unter Kwame Nkrumah vorzunehmen. Unsere konkreten empirischen Bezugspunkte sind das in den 1960er Jahren verfolgte Forschungsprojekt an der Universität Halle-Wittenberg zum Schwarzen Aufklärungsphilosophen Anton Wilhelm Amo sowie die im gleichen Kontext geschaffene und noch heute im öffentlichen Raum der Stadt Halle a.d. Saale befindliche Plastik „Freies Afrika“. Die Analyse dieser Phänomene offenbart die Ambivalenz sozialistischer kolonialer Logiken, die den Annäherungen zwischen der DDR und Ghana eingeschrieben waren. Schlagwörter: Dekolonisierung, Postsozialismus, DDR-Afrikapolitik, deutsches koloniales Erbe, Anton Wilhelm Amo
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Eine zerbrochene Vision? Wie Samora Machels Projekt für eine Elitebildung in der DDR entgleiste (Samuel Quive, Adérito Machava)
Der Artikel analysiert die geopolitische und strategische Dynamik der Kooperation zwischen der Volksrepublik Mosambik und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) im Bereich Erziehung und Ausbildung im Kontext des Staats- und Freundschaftsvertrags vom Februar 1979. Wichtiger Teil dieses Abkommens war die Gründung der Schule der Freundschaft in Staßfurt bei Magdeburg. Der Beitrag diskutiert, inwieweit die heutige Staatspartei FRELIMO (Frente de Libertação de Moçambique) und der damalige Präsident Samora Machel ihre Vision verwirklichen konnten, durch die Schaffung des „Neuen Menschen“ eine marxistisch-leninistisch geprägte sozialistische Gesellschaft und einen Einparteienstaat unter FRELIMO zu etablieren. Teil dieses Projekts war es, das politische und ideologische Modell der DDR zu übernehmen und gleichzeitig die enormen Staatschulden bei der DDR zu bezahlen. Ein starkes Interesse der deutschen Seite war neben dem Bestreben nach internationaler Anerkennung die wirtschaftliche Zusammenarbeit, welche die Lieferung von Rohstoffen und von Arbeitskräften beinhaltete. Mit den politisch-ideologischen Veränderungen in Mosambik aufgrund zahlreicher interner und externer Einflussfaktoren sowie mit Machels Tod 1986 verlor das Projekt seine Bedeutung. So gab es keinen Plan für die Integration der zurückgekehrten Absolvent*innen aus der DDR. Die meisten wurden direkt zum Militär eingezogen und endeten später frustriert in der Arbeitslosigkeit. Letztendlich ist Machels Projekt gescheitert. Schlagwörter: Mosambik, DDR, Entwicklungszusammenarbeit, Neo-Kolonialismus, Arbeitsmigration, Sozialistische Länder
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(Interkulturelle) Begegnungen mit der DDR-Gesellschaft in chilenischer Exilliteratur Versuch einer postkolonialen Lesart (Martina Kofer)
Im Zuge des Militärputschs am 11. September 1973 in Chile fanden ca. 2000 Chilen*innen in der DDR Asyl. Die Aufnahme der Flüchtlinge war dabei sowohl außen- als auch innenpolitisch von Bedeutung, da sie die Solidarität der DDR mit den sozialistischen Genoss*innen explizit symbolisieren sollte. Von den ca. 70 emigrierten chilenischen Künstler*innen konnten sich einige trotz strenger staatlicher Kontrolle durch staatliche Hilfen weiterhin ihrem künstlerischen Schaffen widmen. Während des Exils in der DDR entstanden dabei auch Texte, in denen die eigenen Exilerfahrungen literarisch thematisiert wurden und in denen es nicht nur um die Verarbeitung von Gefühlen wie Verlust, Trauer und Einsamkeit ging, sondern auch um interkulturelle Begegnungen mit der DDR-Gesellschaft und die Wahrnehmung der „anderen“ Kultur aus der Perspektive der exilierten Figuren. So veröffentlichte Omar Saavedra Santis den Roman Blonder Tango (1982) oder Roberto Ampuero Espinoza den Erzählband Ein Känguruh in Bernau (1984). Bisher wurden diese Texte zumeist unter politisch-ideologischen Gesichtspunkten analysiert. Der Beitrag analysiert sie hingegen aus einer postkolonialen Perspektive und fragt nach Erfahrungen mit einem weiß-europäischen Überlegenheitsdenken, Prozeduren des othering oder auch Prozessen der kulturellen Hybridisierung der Figuren während des Exils. Schlagwörter: Exilliteratur, DDR, Postkoloniale Studien, Interkulturalität, Chile
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