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Informationen zum Buch

Philosophie und Geschlechterdifferenz

Auf dem Weg eines genealogischen Geschlechterdiskurses

(4 Kundenrezensionen)
Autor*innen/Herausgeber*innen:

Erscheinungsdatum : 07.03.2022

23,99  inkl. MwSt. - 29,90  inkl. MwSt.

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ISBN: 978-3-8474-2589-2
Kategorien: Gender Studies

Beschreibung

Seit mehr als 2500 Jahren sind Geschlechterkonzepte heiß umkämpft. Zur Orientierung in diesen Auseinandersetzungen ist es wichtig, ihre Traditionen ebenso wie eroberte Alternativen zu kennen. Simone de Beauvoirs Konzepte der „Existenz“ und „sexuellen Differenzierung“ und Hannah Arendts Begriff der „Pluralität” stellen entscheidende Prüfsteine dafür dar, die philosophische Kategorienlehre und deren Verstrickungen mit Geschlechtertheoremen zu rekonstruieren. Die Autorin untersucht Geschlechterdiskurse in der Philosophiegeschichte von der Antike bis in die Moderne, macht die zugrunde liegenden Konzepte sichtbar und zeigt darin Kontinuitäten und Brüche auf.

Es geht hierbei zunächst darum, die Zusammenhänge zwischen Geschlechterkonzepten und den Erfindungen von Ontologie, Metaphysik bzw. Gerechtigkeit bei Parmenides, Aristoteles und Platon nachzuvollziehen und sich zugleich die Lücken und Uneindeutigkeiten in diesen Diskurses zunutze machen. So wird es sich herausstellen, dass zwei Substanz-Begriffe unterschieden werden müssen, die einander diametral entgegenstehen. Beauvoir wird diesen Unterschied aufgreifen und ferner Hegel folgend die „Existenz-Substanz“ zur Grundlage ihres Geschlechterdiskurses machen.
Nachfolgend werden kategoriale Gewohnheiten aufgesucht, die Geschlechterdiskurse gewöhnlich strukturieren. Geschlechtertheoreme werden aber auch als kritisches Moment herangezogen, um Kategorisierungsgewohnheiten zu diskutieren und präzisieren.
Ein weiterer Schwerpunkt wird darin liegen, das Klassifizierungsgefüge „Überlegenheit, Unterlegenheit und Gleichheit“ (Beauvoir) zu korrigieren, das Geschlechterverhältnisse grundlegend strukturiert. Hierfür werden Platons „Gastmahl“ und Aristoteles‘ Politische Philosophie und Gerechtigkeitsdiskurs ebenso herangezogen wie Argumentationsfiguren der modernen Philosophie (Kant, Hegel, Fichte, Fourier) und Hildegard von Bingens und Jane Austens Konzeptionen eines „tugendethischen Realismus“, der die Situation von Frauen zum Kriterium für maßvolles Handeln und Urteilen erhebt. Um diese weiblichen Traditionen sichtbar zu machen, sind methodologische Überlegungen wichtig, die den investigativen Charakter von freiheitlichen Geschlechterdiskursen verdeutlichen.

Inhaltsverzeichnis + Leseprobe

Die Autorin:
PD Dr. phil. Dr. theol. Andrea Günter, Privatdozentin für Philosophie, u.a. an der Universität Freiburg; freischaffende Autorin und Referentin in der Beruflichen Fort- und Weiterbildung; Coaching-, Teamentwicklungs- und Moderationsprojekte

 

Hier finden Sie den Waschzettel zum Buch (pdf- Infoblatt).

 

Die Zielgruppe:
Lehrende und Forschende der Gender Studies und Philosophie

Zusätzliche Information

Verlag

ISBN

978-3-8474-2589-2

eISBN

978-3-8474-1750-7

Format

14,8 x 21 cm

Umfang

274

Erscheinungsjahr

2022

Erscheinungsdatum

07.03.2022

Auflage

1.

Sprache

Deutsch

4 Bewertungen für Philosophie und Geschlechterdifferenz

  1. Mareike Borger

    In dieser Publikation setzt sich die Autorin tiefgreifend mit dem von ihr für den Geschlechterdiskurs geforderten genealogischen Bewusstsein auseinander. Von den antiken Geschlechterdiskursen – man erinnere sich an die Frau als passive Pflanze bzw. den Mann als aktives Tier – bis hin zu Jane Austens Roman als Abbildung von „Geschlechterkonturen“, zeichnet sie den Geschlechterdiskurs nach, ohne den Kontakt zur Gegenwart zu verlieren. Günter zeigt aus verschiedenen, spannenden Perspektiven die Genealogie von Geschlechterverhältnissen und -beziehungen und verknüpft diese mit Kategorien wie Natur, Haben/Besitz, Zeit, Differenz und Politik.
    Für mich ist das Buch weniger eine Einführung als eher eine Weiterführung eigener Studieninhalte. Daher würde ich es eher Studierenden mit etwas Vorwissen empfehlen. Für mich als Politik- und Germanistikstudierenden gab es viele interessante Verknüpfungen dieser Bereiche mit der Geschlechterforschung – eine Fundgrube für Hausarbeitsthemen!

  2. Ben Bubeck

    „Man wird nicht als Frau geboren: Man wird dazu gemacht.“ Der Satz, den Simone de Beauvoir 1949 in Das andere Geschlecht niederschrieb, wird gerade an geisteswissenschaftlichen Fakultäten kaum noch hinterfragt. Essentialistischen Vorstellungen („Frauen sind so“) mit der Betonung der kulturellen Prägung zu begegnen, mag zunächst einleuchten. Die Begrenztheit dieser Argumentation kennen alle, die schon mal versucht haben, die Behauptung, Frauen könnten nicht einparken, mit der banalen Feststellung zu entkräften, Frauen könnten sehr wohl einparken. Unabhängig davon, was gegen dieses „Frauen sind so“ in Anschlag gebracht wird, die Logik eines festgefahrenen Geschlechtsunterschieds wird damit nicht angetastet. Andrea Günter will mit ihrem Buch „Philosophie und Geschlechterdifferenz – Auf dem Weg eines genealogischen Geschlechterdiskurses“ diesen Diskurs aufklären. Dem starren Dualismus versucht sie dadurch zu entkommen, die Unterschiedslogik selbst zu befragen. Das gelingt ihr unter anderem durch saubere Quellenarbeit. Leser*innen lernen, dass Beauvoir nicht vom Geschlechtsunterschied, sondern von sexueller Differenzierung geschrieben hat. Auch das Eingangszitat ist misslich übersetzt: Im Original heißt es: „on le devient“ („Man wird es“). Anstatt Frauen folglich als passive Empfängerinnen zu konzeptionalisieren, betont Beauvoir ursprünglich die wechselseitige Interdependenzbeziehung. Günter zeigt, wie folgenreich solche Missverständnisse sind und wie schwer sie es uns heute machen, das Geschlechterverhältnis nicht als eindeutigen Geschlechtsunterschied, sondern als Bedingungsgefüge relationaler Beziehungen zu begreifen. Durch die Rekonstruktion von Parmenides‘ Vorstellung, Knaben würde in der Gebärmutter rechts, Mädchen links entstehen, wird erklärbar, warum noch heute in Kirchen diese Sitzordnung gilt. Günter entlarvt dieses Denken als ein Denken gegen die Natur. Sie sensibilisiert dafür, genau zu differenzieren, ob bei der Referenz auf die Natur mehrheitlich die vorausgesetzte, „wahre“ Natur gemeint ist. Sie verweigert sich jedoch nicht nur einem falschen Naturalismus, sondern auch einem falschen Konstruktivismus. Das ist erfrischend – gerade für Studierende, die immer häufiger nur mit eindimensionalen Kanon-Lektüren in Kontakt kommen. Wie produktiv und aktuell historische Texte gelesen werden können, zeigt Günter in ihrem Durchgang durch die Geschichte. Erkenntnistheoretisch wie hermeneutisch leistet sie damit einen Beitrag, das Geschlechterverhältnis (wieder) neu zu denken. Diese Irritation sei allen Studierenden empfohlen, die die Irritation noch als Kern ihres Studiums ansehen.

  3. Laila Riedmiller

    „Geschlechterdiskurse brauchen ein genealogisches Bewusstsein“ (S. 259) – diese Annahme leitet Günters Argumentation. Genealogie versteht sie dabei mit Hannah Arendt auch in ihrer Zukünftigkeit und betont die geschlechtliche Dimension von Gebürtlichkeit. Diese basiere philosophiegeschichtlich auf unterschiedlichen Subjektkonzeptionen, was zu Missverständnissen führen könne.
    Beginnend mit der Antike arbeitet Günter die philosophische Verwendung von Geschlechterdualismen heraus und verdeutlicht, dass dies häufig von Kategorienfehlern, Hierarchisierungen und Defizitvorstellungen begleitet war und ist. Dazu kommen – auch auf Ebene kritischer Rezeptionen dieser Diskurse – Übersetzungsfehler, etwa wenn Simone de Beauvoirs Hauptwerk in der deutschen Übersetzung plötzlich eine Hierarchie zwischen Frauen und Männern impliziert, gegen die diese eigentlich vehement anschreibt.
    Günter beabsichtigt mit ihrem Ritt durch die Philosophiegeschichte die Entlarvung unreflektierter Übernahmen philosophischer Geschlechterdualismen. Statt von eindeutiger Andersartigkeit auszugehen, müsse es um die Betonung von Pluralität gehen, um Dialektik statt Dichotomie, um Dynamik statt Statik. Dabei verwahrt sie sich sowohl gegen einen radikalen Konstruktivismus, der in der Betonung des sprachlich und sozial Konstruierten lediglich ein anderes Absolutes setze, als auch gegen Naturalismen, die die verabsolutierenden Implikationen der meisten Naturbegriffe verkennen.
    Mit Arendt und Beauvoir betont Günter Uneindeutigkeit und Offenheit, die Gleichzeitigkeit von Allgemeinem und Besonderem, Veränderlichkeit und Dynamik. Die beliebte Gegenüberstellung zweier dichotom und theologisch anmutender Verständnisse innerhalb des Feminismus – essenzielle Geschlechterdifferenz versus postmoderne Willkür – verwirft Günter zugunsten einer erhellenden, dialektischen Lesart des philosophischen Geschlechterdiskurses und der Betonung von Pluralität.
    Damit leistet sie einen wichtigen Beitrag zu einem differenzierten Verständnis mitunter zu Unrecht als essentialistisch verworfener Autorinnen wie Simone de Beauvoir und den häufig unhinterfragten metaphysischen Voraussetzungen feministischer Theoriebildung. Das Buch würde ich daher eindeutig empfehlen, allerdings nicht als Einstiegswerk betrachten. Als angehende Promovendin mit philosophischem, geschlechtertheoretischem und politikwissenschaftlichem Hintergrund konnte ich den Ausführungen gut folgen und viele Anregungen aufnehmen. Ohne Vorwissen, speziell auch über innerfeministische Auseinandersetzungen, stelle ich mir das Verständnis aber stellenweise schwierig vor.

  4. Veronika von Wachter

    Günter legt in diesem Buch eine grundlegende Darstellung des Denkens der Geschlechterdifferenz in der klassischen Philosophie vor, und erarbeitet ausgehend davon Möglichkeiten, diese in feministischer Perspektive philosophisch zu fassen. Damit schafft sie eine Brücke zwischen der Disziplin der Philosophie und der Frauen- und Geschlechterforschung, wobei letztere inhaltlich quer zu den Disziplinen verläuft, im deutschen Hochschulwesen aber tendenziell zumindest institutionell wenig Anbindung an die Philosophie aufweist. Gerade der Versuch, diese Kluft zu überbrücken ist m.E. das Verdienst von Philosophie und Geschlechterdifferenz. Besonders spannend ist hier die produktive Verknüpfung von antiker Philosophie, deren konzeptueller gender bias in der Rezeptionsgeschichte laut Günter (S. 17) systematisch verschwiegen werde, und modernen feministischen Diskursen, in denen der Rückgriff auf philosophische Konzepte oft Hintergrundwissen ermangele (z.B. S. 45). Trotz der klaren Verortung in der Philosophie ist die Lektüre insofern sowohl für (fortgeschrittene) Studierende der Philosophie, als auch der Frauen- und Geschlechterforschung empfehlenswert. Gerade aufgrund der potenziell interdisziplinären Leserschaft wäre allerdings eine stärkere Aufschlüsselung philosophischer Grundbegriffe – etwa „Ontologie“, „Metaphysik“, etc. – hilfreich gewesen. Die Vielschichtigkeit des Buches stellt zudem den hohen Anspruch an die Leserin, beim Ritt durch 2500 Jahre Philosophiegeschichte stets wieder zum roten Faden zurückzufinden, nämlich der theoretischen Ausarbeitung einer im Sinne Simone de Beauvoirs konzipierten Geschlechterdifferenz. Eine Straffung des Umfangs, oder aber eine noch deutlichere Herausstellung der Relevanz der jeweiligen Kapitel und Unterkapitel für dieses Unterfangen wäre daher der Argumentation zuträglich gewesen.

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Autor*innen

Schlagwörter

Aristoteles, Differenz, Diskurs, Gender, Gender Beiratstreffen, Geschlecht, Hannah Arendt, Kategorien, Parmenides, Philosophie, Platon, Simone de Beauvoir, Tagung Macht und Geschlecht

Pressestimmen

Zum Thema dieses Buches „Geschlechterdifferenz“ holt Andrea Günter philosophiegeschichtlich weit aus: Sie spannt den Bogen von antiken Geschlechterdiskursen (Parmenides, Aristoteles, Platon, Diotima), über das Mittelalter mit Hildegard von Bingen bis hin zur Neuzeit mit dem Spätwerk Persuasion (deutscher Titel „Überredung“) der britischen Schriftstellerin des 19. Jahrhunderts Jane Austen. Günters These lautet: Geschlechterkonzepte sind seit Jahrtausenden heftig umstritten. Mit diesem Buch verfolgt sie das Anliegen hier Orientierung zu bieten, indem sie die einzelnen Debattenstränge herausarbeitet.

Elisabeth Grabner-Niel, aep information, 4-2022

Beschreibung

Beschreibung

Seit mehr als 2500 Jahren sind Geschlechterkonzepte heiß umkämpft. Zur Orientierung in diesen Auseinandersetzungen ist es wichtig, ihre Traditionen ebenso wie eroberte Alternativen zu kennen. Simone de Beauvoirs Konzepte der „Existenz“ und „sexuellen Differenzierung“ und Hannah Arendts Begriff der „Pluralität” stellen entscheidende Prüfsteine dafür dar, die philosophische Kategorienlehre und deren Verstrickungen mit Geschlechtertheoremen zu rekonstruieren. Die Autorin untersucht Geschlechterdiskurse in der Philosophiegeschichte von der Antike bis in die Moderne, macht die zugrunde liegenden Konzepte sichtbar und zeigt darin Kontinuitäten und Brüche auf.

Es geht hierbei zunächst darum, die Zusammenhänge zwischen Geschlechterkonzepten und den Erfindungen von Ontologie, Metaphysik bzw. Gerechtigkeit bei Parmenides, Aristoteles und Platon nachzuvollziehen und sich zugleich die Lücken und Uneindeutigkeiten in diesen Diskurses zunutze machen. So wird es sich herausstellen, dass zwei Substanz-Begriffe unterschieden werden müssen, die einander diametral entgegenstehen. Beauvoir wird diesen Unterschied aufgreifen und ferner Hegel folgend die „Existenz-Substanz“ zur Grundlage ihres Geschlechterdiskurses machen.
Nachfolgend werden kategoriale Gewohnheiten aufgesucht, die Geschlechterdiskurse gewöhnlich strukturieren. Geschlechtertheoreme werden aber auch als kritisches Moment herangezogen, um Kategorisierungsgewohnheiten zu diskutieren und präzisieren.
Ein weiterer Schwerpunkt wird darin liegen, das Klassifizierungsgefüge „Überlegenheit, Unterlegenheit und Gleichheit“ (Beauvoir) zu korrigieren, das Geschlechterverhältnisse grundlegend strukturiert. Hierfür werden Platons „Gastmahl“ und Aristoteles‘ Politische Philosophie und Gerechtigkeitsdiskurs ebenso herangezogen wie Argumentationsfiguren der modernen Philosophie (Kant, Hegel, Fichte, Fourier) und Hildegard von Bingens und Jane Austens Konzeptionen eines „tugendethischen Realismus“, der die Situation von Frauen zum Kriterium für maßvolles Handeln und Urteilen erhebt. Um diese weiblichen Traditionen sichtbar zu machen, sind methodologische Überlegungen wichtig, die den investigativen Charakter von freiheitlichen Geschlechterdiskursen verdeutlichen.

Inhaltsverzeichnis + Leseprobe

Die Autorin:
PD Dr. phil. Dr. theol. Andrea Günter, Privatdozentin für Philosophie, u.a. an der Universität Freiburg; freischaffende Autorin und Referentin in der Beruflichen Fort- und Weiterbildung; Coaching-, Teamentwicklungs- und Moderationsprojekte

 

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Die Zielgruppe:
Lehrende und Forschende der Gender Studies und Philosophie

Bibliografie

Zusätzliche Information

Verlag

ISBN

978-3-8474-2589-2

eISBN

978-3-8474-1750-7

Format

14,8 x 21 cm

Umfang

274

Erscheinungsjahr

2022

Erscheinungsdatum

07.03.2022

Auflage

1.

Sprache

Deutsch

Produktsicherheit

Bewertungen (4)

4 Bewertungen für Philosophie und Geschlechterdifferenz

  1. Mareike Borger

    In dieser Publikation setzt sich die Autorin tiefgreifend mit dem von ihr für den Geschlechterdiskurs geforderten genealogischen Bewusstsein auseinander. Von den antiken Geschlechterdiskursen – man erinnere sich an die Frau als passive Pflanze bzw. den Mann als aktives Tier – bis hin zu Jane Austens Roman als Abbildung von „Geschlechterkonturen“, zeichnet sie den Geschlechterdiskurs nach, ohne den Kontakt zur Gegenwart zu verlieren. Günter zeigt aus verschiedenen, spannenden Perspektiven die Genealogie von Geschlechterverhältnissen und -beziehungen und verknüpft diese mit Kategorien wie Natur, Haben/Besitz, Zeit, Differenz und Politik.
    Für mich ist das Buch weniger eine Einführung als eher eine Weiterführung eigener Studieninhalte. Daher würde ich es eher Studierenden mit etwas Vorwissen empfehlen. Für mich als Politik- und Germanistikstudierenden gab es viele interessante Verknüpfungen dieser Bereiche mit der Geschlechterforschung – eine Fundgrube für Hausarbeitsthemen!

  2. Ben Bubeck

    „Man wird nicht als Frau geboren: Man wird dazu gemacht.“ Der Satz, den Simone de Beauvoir 1949 in Das andere Geschlecht niederschrieb, wird gerade an geisteswissenschaftlichen Fakultäten kaum noch hinterfragt. Essentialistischen Vorstellungen („Frauen sind so“) mit der Betonung der kulturellen Prägung zu begegnen, mag zunächst einleuchten. Die Begrenztheit dieser Argumentation kennen alle, die schon mal versucht haben, die Behauptung, Frauen könnten nicht einparken, mit der banalen Feststellung zu entkräften, Frauen könnten sehr wohl einparken. Unabhängig davon, was gegen dieses „Frauen sind so“ in Anschlag gebracht wird, die Logik eines festgefahrenen Geschlechtsunterschieds wird damit nicht angetastet. Andrea Günter will mit ihrem Buch „Philosophie und Geschlechterdifferenz – Auf dem Weg eines genealogischen Geschlechterdiskurses“ diesen Diskurs aufklären. Dem starren Dualismus versucht sie dadurch zu entkommen, die Unterschiedslogik selbst zu befragen. Das gelingt ihr unter anderem durch saubere Quellenarbeit. Leser*innen lernen, dass Beauvoir nicht vom Geschlechtsunterschied, sondern von sexueller Differenzierung geschrieben hat. Auch das Eingangszitat ist misslich übersetzt: Im Original heißt es: „on le devient“ („Man wird es“). Anstatt Frauen folglich als passive Empfängerinnen zu konzeptionalisieren, betont Beauvoir ursprünglich die wechselseitige Interdependenzbeziehung. Günter zeigt, wie folgenreich solche Missverständnisse sind und wie schwer sie es uns heute machen, das Geschlechterverhältnis nicht als eindeutigen Geschlechtsunterschied, sondern als Bedingungsgefüge relationaler Beziehungen zu begreifen. Durch die Rekonstruktion von Parmenides‘ Vorstellung, Knaben würde in der Gebärmutter rechts, Mädchen links entstehen, wird erklärbar, warum noch heute in Kirchen diese Sitzordnung gilt. Günter entlarvt dieses Denken als ein Denken gegen die Natur. Sie sensibilisiert dafür, genau zu differenzieren, ob bei der Referenz auf die Natur mehrheitlich die vorausgesetzte, „wahre“ Natur gemeint ist. Sie verweigert sich jedoch nicht nur einem falschen Naturalismus, sondern auch einem falschen Konstruktivismus. Das ist erfrischend – gerade für Studierende, die immer häufiger nur mit eindimensionalen Kanon-Lektüren in Kontakt kommen. Wie produktiv und aktuell historische Texte gelesen werden können, zeigt Günter in ihrem Durchgang durch die Geschichte. Erkenntnistheoretisch wie hermeneutisch leistet sie damit einen Beitrag, das Geschlechterverhältnis (wieder) neu zu denken. Diese Irritation sei allen Studierenden empfohlen, die die Irritation noch als Kern ihres Studiums ansehen.

  3. Laila Riedmiller

    „Geschlechterdiskurse brauchen ein genealogisches Bewusstsein“ (S. 259) – diese Annahme leitet Günters Argumentation. Genealogie versteht sie dabei mit Hannah Arendt auch in ihrer Zukünftigkeit und betont die geschlechtliche Dimension von Gebürtlichkeit. Diese basiere philosophiegeschichtlich auf unterschiedlichen Subjektkonzeptionen, was zu Missverständnissen führen könne.
    Beginnend mit der Antike arbeitet Günter die philosophische Verwendung von Geschlechterdualismen heraus und verdeutlicht, dass dies häufig von Kategorienfehlern, Hierarchisierungen und Defizitvorstellungen begleitet war und ist. Dazu kommen – auch auf Ebene kritischer Rezeptionen dieser Diskurse – Übersetzungsfehler, etwa wenn Simone de Beauvoirs Hauptwerk in der deutschen Übersetzung plötzlich eine Hierarchie zwischen Frauen und Männern impliziert, gegen die diese eigentlich vehement anschreibt.
    Günter beabsichtigt mit ihrem Ritt durch die Philosophiegeschichte die Entlarvung unreflektierter Übernahmen philosophischer Geschlechterdualismen. Statt von eindeutiger Andersartigkeit auszugehen, müsse es um die Betonung von Pluralität gehen, um Dialektik statt Dichotomie, um Dynamik statt Statik. Dabei verwahrt sie sich sowohl gegen einen radikalen Konstruktivismus, der in der Betonung des sprachlich und sozial Konstruierten lediglich ein anderes Absolutes setze, als auch gegen Naturalismen, die die verabsolutierenden Implikationen der meisten Naturbegriffe verkennen.
    Mit Arendt und Beauvoir betont Günter Uneindeutigkeit und Offenheit, die Gleichzeitigkeit von Allgemeinem und Besonderem, Veränderlichkeit und Dynamik. Die beliebte Gegenüberstellung zweier dichotom und theologisch anmutender Verständnisse innerhalb des Feminismus – essenzielle Geschlechterdifferenz versus postmoderne Willkür – verwirft Günter zugunsten einer erhellenden, dialektischen Lesart des philosophischen Geschlechterdiskurses und der Betonung von Pluralität.
    Damit leistet sie einen wichtigen Beitrag zu einem differenzierten Verständnis mitunter zu Unrecht als essentialistisch verworfener Autorinnen wie Simone de Beauvoir und den häufig unhinterfragten metaphysischen Voraussetzungen feministischer Theoriebildung. Das Buch würde ich daher eindeutig empfehlen, allerdings nicht als Einstiegswerk betrachten. Als angehende Promovendin mit philosophischem, geschlechtertheoretischem und politikwissenschaftlichem Hintergrund konnte ich den Ausführungen gut folgen und viele Anregungen aufnehmen. Ohne Vorwissen, speziell auch über innerfeministische Auseinandersetzungen, stelle ich mir das Verständnis aber stellenweise schwierig vor.

  4. Veronika von Wachter

    Günter legt in diesem Buch eine grundlegende Darstellung des Denkens der Geschlechterdifferenz in der klassischen Philosophie vor, und erarbeitet ausgehend davon Möglichkeiten, diese in feministischer Perspektive philosophisch zu fassen. Damit schafft sie eine Brücke zwischen der Disziplin der Philosophie und der Frauen- und Geschlechterforschung, wobei letztere inhaltlich quer zu den Disziplinen verläuft, im deutschen Hochschulwesen aber tendenziell zumindest institutionell wenig Anbindung an die Philosophie aufweist. Gerade der Versuch, diese Kluft zu überbrücken ist m.E. das Verdienst von Philosophie und Geschlechterdifferenz. Besonders spannend ist hier die produktive Verknüpfung von antiker Philosophie, deren konzeptueller gender bias in der Rezeptionsgeschichte laut Günter (S. 17) systematisch verschwiegen werde, und modernen feministischen Diskursen, in denen der Rückgriff auf philosophische Konzepte oft Hintergrundwissen ermangele (z.B. S. 45). Trotz der klaren Verortung in der Philosophie ist die Lektüre insofern sowohl für (fortgeschrittene) Studierende der Philosophie, als auch der Frauen- und Geschlechterforschung empfehlenswert. Gerade aufgrund der potenziell interdisziplinären Leserschaft wäre allerdings eine stärkere Aufschlüsselung philosophischer Grundbegriffe – etwa „Ontologie“, „Metaphysik“, etc. – hilfreich gewesen. Die Vielschichtigkeit des Buches stellt zudem den hohen Anspruch an die Leserin, beim Ritt durch 2500 Jahre Philosophiegeschichte stets wieder zum roten Faden zurückzufinden, nämlich der theoretischen Ausarbeitung einer im Sinne Simone de Beauvoirs konzipierten Geschlechterdifferenz. Eine Straffung des Umfangs, oder aber eine noch deutlichere Herausstellung der Relevanz der jeweiligen Kapitel und Unterkapitel für dieses Unterfangen wäre daher der Argumentation zuträglich gewesen.

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