Beschreibung
In seinem Buch rekonstruiert Christoph Joppich die Entwicklung des modernen Antisemitismus in Argentinien. Durch einen universalhistorischen Ansatz werden Kolonialherrschaft, Unabhängigkeit, Nationenbildung, Faschismus, Kalter Krieg und die Gegenwart gesellschaftstheoretisch miteinander verknüpft. Geschichtliche Überlegungen werden durch empirische Inhaltsanalysen ergänzt. Dabei erfährt der Gegenstand eine sozialkritische Deutung, mit einem besonderen Augenmerk auf seine bislang wenig erforschten linken und israelbezogenen Ausprägungen.
Antisemitismus in lateinamerikanischen Gesellschaften ist bislang ein Randthema der kritischen Antisemitismusforschung. Während insbesondere argentinische Historiker*innen in den vergangenen Jahrzehnten damit begonnen haben, die antisemitische Vergangenheit der Region aufzuarbeiten, bleibt die Verflechtung zwischen der Neuen Welt und Judenfeindschaft weitgehend unbeachtet – besonders in der eurozentrisch geprägten Forschung der Alten Welt. Gleichzeitig wird der Zusammenhang von Antisemitismus, der politischen Linken und Antizionismus, wie er sich spätestens seit dem Sechstagekrieg abzeichnete, in der lateinamerikanischen Forschung ausgeblendet.
Die idiosynkratische und militante Israelfeindschaft der Guerilla sowie die antiisraelische Rhetorik und Gewaltpraxis der sogenannten progressiven Regierungen wurden bisher kaum erforscht. Mit Blick auf Argentinien – dem historischen Zentrum des modernen Antisemitismus in Lateinamerika – schließt dieses Buch erstmals diese Forschungslücke. Anknüpfend an die Antisemitismuskritik der Kritischen Theorie werden gesellschaftstheoretische und universalgeschichtliche Überlegungen herangezogen und versucht, diese in die räumlichen und zeitlichen Dynamiken der lateinamerikanischen Neuen Welt zu übersetzen, um den Antisemitismus in Argentinien als Forschungsgegenstand neu zu konzeptualisieren. Seine Entstehung wird über die Nationenbildung und Unabhängigkeit in die Zeit der spanischen Kolonialherrschaft bis in die Gegenwart des 21. Jahrhunderts rekonstruiert. Bestehende Forschungsstände und neue empirische Untersuchungen, insbesondere hinsichtlich israelbezogener Erscheinungsformen des Antisemitismus von links, werden erkenntnisbringend zusammengedacht.
Das Ergebnis ist, in Anlehnung an Max Horkheimer, weit mehr als eine Gesellschaftsgeschichte des Antisemitismus in Argentinien, sondern auch eine geschichtliche Deutung Argentiniens, die sich erst durch den Antisemitismus vollständig begreifen lässt.
Der Autor:
Christoph Joppich, hat Lateinamerikanistik, Soziologie und Politikwissenschaften in Würzburg, Passau und Buenos Aires studiert. Er forscht zur historischen und gegenwärtigen Entwicklung des Antisemitismus in den Gesellschaften Lateinamerikas. Aktuell arbeitet er an einer Studie zur Universalgeschichte des modernen Antisemitismus in der Region unter Bezugnahme auf die kritische Gesellschaftstheorie der Frankfurter Schule.
Der Fachbereich:
Soziologie, Politikwissenschaft
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