Beschreibung
Wie stellen sich junge Menschen ein gutes, gelingendes Leben vor und welche Rolle spielen Zugehörigkeiten dabei? Das Buch untersucht die Entstehung und lebensgeschichtliche Entwicklung von Werten unter Bedingungen von Mehrfachzugehörigkeit. Anhand biographisch-narrativer Interviews mit jungen Frauen aus freikirchlichen russlanddeutschen Familien zeigt Rebekka Hahn, wie Heranwachsende sich zu den Wertvorstellungen ihrer unterschiedlichen sozialen Bezüge ins Verhältnis setzen und dabei zu eigenen Selbst- und Lebensentwürfen gelangen.
Ausgangspunkt der Studie sind spätmoderne Appelle einer eigensinnigen und optimierten Lebensführung, verbunden mit dem Erkenntnisinteresse, wie Jugendliche angesichts der darin mitschwingenden Zusprüche und Ansprüche ihre biographischen Selbst- und Lebensentwürfe zu den Vorstellungen eines guten, gelingenden Lebens ihrer unterschiedlichen sozialen Bezüge ins Verhältnis setzen. Daraus entwickelt wird die Fragestellung nach der Entstehung und lebensgeschichtlichen Entwicklung von Werten – verstanden als identitätsstiftende und lebensleitende Vorstellungen des Guten – unter Bedingungen von Mehrfachzugehörigkeit. Aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive kann die Adoleszenz als Schlüsselphase für wertbezogene Aushandlungen angesehen werden, da Fragen der Lebensorientierung zwischen Autonomie und Verbundenheit hier besonders dringlich werden. Familie, Migration und Glaube prägen diese Aushandlungen jeweils eigenständig, bringen jedoch gerade in ihrer Verschränkung spezifische Vorstellungen eines guten Lebens hervor, die zur biographischen Auseinandersetzung auffordern. Davon ausgehend nimmt die Studie eine biographieanalytische Perspektive ein und widmet sich einer bislang kaum beforschten Gruppe: junge Frauen der zweiten Generation aus freikirchlichen russlanddeutschen Familien. Die rekonstruktive Analyse von zehn biographisch-narrativen Interviews zeigt übergreifend eine hohe Kontinuität früh erworbener Werte und – anschlussfähig an resonanztheoretische Überlegungen – eine ausgeprägte Beziehungsförmigkeit des guten Lebens. Familie und Glaube erscheinen nicht nur als wichtigste Träger von Werten, sondern als zentrale Werte an sich. Sie fungieren einerseits als Ressourcen zur Bewältigung spätmoderner Anforderungen, andererseits wird deutlich, wie stark spätmoderne Ideale auch in diese intim gedachten und teils als widerständig entworfenen Sphären der biographischen Lebensführung hineinwirken.
Die Autorin:
Dr. Rebekka Hahn, Erziehungswissenschaftlerin, Universität Bielefeld
Der Fachbereich:
Educational Science

