Beschreibung
Das Buch knüpft an die Diskussion um „geschlechtsspezifische Sozialisation“ an, die seit Beginn der 1990er Jahre zum Stillstand gekommen ist. Die Frage, wie Menschen in Auseinandersetzung mit ihren Lebensbedingungen zu Frauen und Männern werden, bleibt dennoch aktuell. Wie spielen gesellschaftliche Strukturen, die (auch) nach Geschlecht differenzieren, und soziale Praktiken zusammen, in denen Subjekte unterschiedliche Weiblichkeiten und Männlichkeiten „leben“? Der Band stellt Fragen und Herangehensweisen an den Zusammenhang von Sozialisation und Geschlecht im Lichte neuerer Entwicklungen der Geschlechterforschung vor.
Die Diskussion zu „geschlechtsspezifischer Sozialisation“ war in den 1970er und 1980er Jahren in verschiedenen Wissenschaften höchst aktuell. Inzwischen ist es still um das Thema geworden, wie um Sozialisation(stheorie) überhaupt. Biologische Erklärungen für angebliche oder empirisch beobachtete Geschlechterunterschiede haben wieder Konjunktur, nicht nur in populären Diskursen. Die de/konstruktivistische Geschlechterforschung kritisiert die „Reifizierung“ des Geschlechterdualismus im Konzept der „geschlechtsspezifischen Sozialisation“.
Das Buch fragt nach den prinzipiellen Schwächen des Sozialisationskonzepts mit Bezug auf Geschlecht sowie nach veränderten gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Denkweisen. Die Beiträge stellen neue Ansätze vor, z.B. die Perspektive der biographischen Konstruktion von Geschlecht (Dausien), ethnographisch-konstruktivistische Forschungen (Kelle), diskurstheoretische Zugänge (Hartmann), Konzepte wie „Habitus“ nach Bourdieu (Meuser) oder „Performativität“ nach Butler (Fritzsche/Tervooren) oder auch einen neuen Versuch, gesellschaftlichen Wandel und männliche Sozialisation theoretisch aufeinander zu beziehen (Böhnisch) u.a.m. An konkreten Forschungsprojekten werden grundlegende Probleme der Theoriekonstruktion aufgeworfen wie das Verhältnis von Theorie und Empirie oder die theoretische und methodologische Vermittlung der Ebenen Gesellschaft-Interaktion-Handlung-Individuum.
Aus dem Inhalt:
Helga Bilden
Sozialisation in der Dynamik der Geschlechterverhältnisse: Was mir heute besonders wichtig erscheint
Bettina Dausien
Biographischer Zugang zu Sozialisation und Geschlecht
Carol Hagemann-White
Sozialisation – zur Wiedergewinnung des Sozialen im Gestrüpp individualisierter Geschlechterbeziehungen
Regina Becker-Schmidt
Theoretische und methodische Anmerkungen zur Klausurtagung „Sozialisation und Geschlecht“
Paula-Irene Villa
Scheitern. Ein produktives Konzept zur Neuorientierung der Sozialisationsforschung
Helga Kelle
Konstruktivistische Kritik am Sozialisationsparadigma und die Alternative: Untersuchung von Kinderwelten
Michael Meuser
Riskante Praktiken: Zur Aneignung von Männlichkeit in den ernsten Spielen des Wettbewerbs
Lothar Böhnisch
Verdeckungen und Freisetzungen von Männlichkeit im „digitalen Kapitalismus“
Barbara Rendtorff
Zur Bedeutung von Geschlecht im Sozialisationsprozess: reale, imaginäre und symbolisch-politische Dimensionen des Körpers und ihre Bedeutungen
Christine Thon
Rekonstruktive Geschlechterforschung und die zögerliche Konstitution ihres Gegenstands: Eine Übung in der systematischen Irritation des forschenden Blicks
Renate Nestvogel
Sozialisation(stheorien) in interkultureller Perspektive am Beispiel eines Forschungsprojekts zu Afrikanerinnen in Deutschland
Minna Ruokonen-Engler
InDifferenzen: zur Analyse von Differenzkonstruktionen in Migrationsbiographien
Bettina Fritzsche/ Anja Tervooren
Begehrensdynamiken in der Sozialisation empirisch beleuchtet
Jutta Hartmann
Dynamisiertes Geschlecht. Diskurstheoretische Perspektiven zur Subjektkonstitution entlang der Grenzen von Geschlecht, Sexualität und Generation
Hanns-Martin Trautner
Sozialisation und Geschlecht: die entwicklungspsychologische Perspektive
The editors:
Prof. Dr. Helga Bilden, Institut für Psychologie, Universität München
Prof. Dr. Bettina Dausien, Fakultät für Pädagogik, Universität Bielefeld
Bewertungen
Es gibt noch keine Bewertungen.