Beschreibung
Hochschulen stehen vor erheblichen Herausforderungen, wenn es um digitales Prüfen geht. Die Pandemie und die Diskussion um die Nutzung künstlicher Intelligenz in Lehre und Studium haben verdeutlicht, dass es an didaktischen, technischen, organisatorischen und rechtlichen Lösungen mangelt, um Prüfungen digital und gleichzeitig kompetenzorientiert umzusetzen. Die Autor*innen geben fächerspezifische Einblicke und zeigen Lösungsansätze für diese Herausforderungen auf.
Sie berücksichtigen dabei die technische Umsetzung, die didaktische Weiterentwicklung der Lehre und erproben Prüfungen kompetenzorientiert und mit Hilfe des Threshold Ansatzes und/oder des Decoding the Diciplines-Ansatzes. Die Beiträge dokumentieren theoretisch fundiert und praxisnah die Ergebnisse des Projekts „PITCH – Prüfungen innovieren, Transfer schaffen, Chancengerechtigkeit fördern“ der Universität Duisburg-Essen und decken ein breites fachliches Spektrum ab, das von den MINT-Fächern über das Lehramt und die Sportwissenschaften bis hin zu den Geistes-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften reicht. Probleme werden konstruktiv und multiperspektivisch aus Sicht der Studierenden, der Projektkoordination und der Hochschulleitung bearbeitet.
Die Autor*innen:
Dr. Nicole Auferkorte-Michaelis, Geschäftsführung, Team- und Projektleitung, Zentrum für Hochschulqualitätsentwicklung, Universität Duisburg-Essen,
Maiken Bonnes, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Zentrum für Hochschulqualitätsentwicklung, Universität Duisburg-Essen,
Dr. Patrick Hintze, Geschäftsführung, Institut für wissenschaftliche Schlüsselkompetenzen, Universität Duisburg-Essen,
Dr. Julia Liebscher, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Zentrum für Hochschulqualitätsentwicklung, Universität Duisburg-Essen
Der Fachbereich:
Educational Science
Frank Linde –
Der Sammelband „Prüfungen digital gestalten“, herausgegeben von Nicole Auferkorte-Michaelis, Maiken Bonnes, Patrick Hintze und Julia Liebscher, überzeugt durch seine hohe Relevanz, inhaltliche Tiefe und bemerkenswerte Praxisnähe. Entstanden im Rahmen des Projekts „PITCH“ an der Universität Duisburg-Essen, zeigt das Werk exemplarisch, wie krisenhafte Entwicklungen – insbesondere die Covid-Pandemie, ein Hackerangriff und regulatorische Umbrüche durch die Hochschul-Digitalverordnung in NRW – nicht als bloße Hindernisse, sondern als Impulse für strukturelle und didaktische Innovation genutzt werden können.
Das einleitende Kapitel liefert wertvolle Einblicke in die Genese des Projekts und verdeutlichen, wie Hochschulleitungen, Lehrende, technische und didaktische Expert:innen sowie Studierende gemeinsam an zukunftsfähigen Prüfungsformaten gearbeitet haben. Sehr positiv fällt auf, dass die Beiträge insgesamt nicht in oberflächlicher Tool-Beschreibung verharren, sondern die Prüfungsentwicklung konsequent in das Spannungsfeld von Kompetenzorientierung, rechtlicher Absicherung, technischer Umsetzbarkeit und Chancengerechtigkeit einbetten.
Ein großer Gewinn des Bandes ist der kluge Aufbau: Übergreifende konzeptionelle Beiträge zu „Threshold Concepts und Decoding the Disciplines“ sowie „Digital üben, prüfen und bewerten“ schaffen einen didaktischen Rahmen, in dem digitale Prüfungen nicht nur als Format, sondern als Teil ganzheitlicher Lernprozesse verstanden werden. Die daran anschließenden Praxisberichte aus verschiedenen Fachdisziplinen zeigen, wie diese Konzepte konkret umgesetzt und weitergedacht werden können – von der organischen Chemie über die Politikwissenschaft bis zur Experimentalphysik. Die Vielfalt der Fachrichtungen demonstriert zugleich die Anschlussfähigkeit der Ideen für unterschiedliche Prüfungskulturen.
Besonders hervorzuheben ist der konsequente SoTL-Ansatz (Scholarship of Teaching and Learning): Lehrende forschen an und mit ihrer Lehre, reflektieren kritisch ihre Praxis, testen neue Konzepte und diskutieren ihre Erkenntnisse offen. Dies macht das Buch nicht nur zu einer Fundgrube für konkrete Ideen, sondern auch zu einer Einladung, die eigene Lehre als forschungsgeleiteten Entwicklungsprozess zu verstehen.
Ein weiteres starkes Moment des Projekts und damit auch des Sammelbands ist die Multiperspektivität: Neben Lehrenden kommen auch Studierende (z. B. über die „Student Voice Group“) sowie juristische, technische und hochschulstrategische Stimmen zu Wort. Diese Vielstimmigkeit macht deutlich, dass digitale Prüfungen nur dann gelingen können, wenn sie als Gemeinschaftsaufgabe verstanden und multiprofessionell umgesetzt werden.
Insgesamt ist „Prüfungen digital gestalten“ ein hervorragendes Werk für alle, die sich fundiert und praxisnah mit den Potenzialen, Herausforderungen und Perspektiven digitaler Prüfungen auseinandersetzen möchten. Es eignet sich für Lehrende, Hochschuldidaktiker:innen, Hochschulmanager:innen und alle, die Digitalisierung nicht nur als technischen Prozess, sondern als kulturellen Wandel begreifen. Wer Prüfungen als integralen Bestandteil guter Lehre versteht, wird in diesem Buch zahlreiche Impulse, Best-Practice-Beispiele und Reflexionsanlässe finden und erkennen, dass auch Prüfungen Lernräume sein können.