Beschreibung
„Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage…“ Beipackzettel sind in der Medizin üblich, aber auch in der Sozialen Arbeit muss mit Risiken, Fehlern und Nebenwirkungen gerechnet werden. Viele soziale Situationen und Entscheidungen weisen Ambivalenzen auf und sind nicht plan- und steuerbar. Studierende und Berufseinsteiger in den sozialen Berufen kennen die Handlungsmöglichkeiten und Maßnahmen, sind mit Fehlern und Widerständen in der Praxis aber oft überfordert. Das Buch versammelt unterschiedliche Ansätze zu einem produktiven Umgang mit Fehlern und trägt damit zur Entwicklung einer selbstkritischen und reflektierten Professionalität in der Sozialen Arbeit bei.
Gerade in Zeiten der ökonomischen Durchdringung sozialarbeiterischer und sozialpädagogischer Hilfeprozesse müssen sich auch die Organisationen Sozialer Arbeit kritisch hinsichtlich ihres Umgangs mit Fehlern überprüfen. Anders als im medizinischen Funktionssystem werden in der Sozialen Arbeit mögliche Schäden, Fehler, Risiken und Nebenwirkungen nur sehr begrenzt und eher allgemein thematisiert. Somit stellt sich auch für diese Profession die Aufgabe, dieses Thema mehr zu fokussieren und Standards einer Beurteilung von Fehlentwicklungen und Schäden, die durch die Helfer und ihre Institutionen bedingt sind, zu entwickeln und für die alltägliche Praxis einen offenen, selbstkritischen und fehlerfreundlichen Umgang zu verankern. Solch eine veränderte Praxis muss sich auch in der Fachliteratur und in der Ausbildung und Supervision widerspiegeln. Der Herausgeberpublikation zur Fehlerkultur in der Sozialen Arbeit liegt folgende Gliederung zugrunde: In der Einleitung wird der empirische Ausgangspunkt zu dieser Publikation vorgestellt und bei den befragten Sozialpädagog*innen erhobene Fehlerverständnisse und Strategien im Umgang mit Fehlern in der Praxis Sozialer Arbeit diskutiert im Kontext aktueller Thementrends (in) der Sozialen Arbeit. Die Titelbegrifflichkeit Fehlerkultur entspringt den Interviewantworten der befragten Sozialpädagog*innen und versteht sich als empirisch generierter Containerbegriff, dessen inhaltlicher Gehalt und theoretische Verortung in der Publikation diskutiert wird – im Kontext (inter)disziplinärer Zugänge und vergleichbarer Ansätze wie etwa der Risiko- und Sicherheitskultur sowie hinsichtlich einer sozialpädagogischen Professionalität im Umgang mit Fehlern. Im ersten Kapitel erfolgt – im Sinne einer Navigationshilfe – eine Annäherung an und Diskussion von Fehlerkultur in interdisziplinären Kontexten der Bezugswissenschaften. Im zweiten Kapitel findet diese Annäherung und Diskussion eine Fortsetzung in ausgewählten Zugängen bzw. theoretischen Verortungen der Sozialen Arbeit. Im dritten Kapitel werden – im Sinne einer Orientierungshilfe – Ansätze, (Fehl)Entwicklungen, Perspektiven von Fehlerkultur in der Sozialen Arbeit referiert und diskutiert. Im vierten Kapitel werden – im Sinne einer Gestaltungshilfe – Konzepte und Wege der Fundierung, Etablierung und Realisierung einer Fehlerkultur als sozialpädagogische Professionalität im Umgang mit Fehlern vorgestellt und Transferperspektiven in die Praxis der Sozialen Arbeit diskutiert.
Inhaltsverzeichnis + Leseprobe
Kostenloser Open Access Beitrag:
Stefanie Büchner: Fehler aus organisationssoziologischer Perspektive (10.36198/9783838558448-103-113)
Die Autoren:
Prof. Dr. rer. pol. Jürgen Beushausen, Diploma Hochschule, Studiendekan im Masterstudium „Psychosoziale Beratung in Sozialer Arbeit“, zudem tätig als Supervisor und in der Weiterbildung
Kirsten Rusert M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin und Promovendin der Erziehungswissenschaften und des Zentrums für Lehrer*innenbildung an der Universität Vechta, zudem tätig als Mediatorin und Prozessbegleitung
Prof. Dr. Martin Stummbaum, Professor für Soziale Arbeit an der Fakultät für angewandte Geistes- und Naturwissenschaften der Hochschule Augsburg
Hier finden Sie den Waschzettel zum Buch (PDF-Infoblatt).
Die Zielgruppe:
Studierende, Lehrende und Praxis der Sozialen Arbeit und verwandter Bereiche des Sozialwesens
Judith Rau –
Der Sammelband „Fehlerkulturen in der Sozialen Arbeit“ bietet eine vielseitig, komplex und gleichsam gekonnt im Fokus einende Auseinandersetzung mit Fehlern in der beruflichen Disziplin der Sozialen Arbeit beziehungsweise eine multiperspektivische Annäherung an den Begriff der Fehlerkultur. Die Autor:innen gliedern den Band in vier Abschnitte, welche mittels theoretischer und praktischer Einflüsse Navigationshilfen, Orientierungshilfen und Gestaltungshilfen bieten sollen. Die Einleitung bietet bereits in ihrer Kürze einen umfassenden Einblick in den Kern der Thematik und ebnet somit elegant den Weg in die folgenden Fachbeiträge, welche zur Hinterfragung der gesellschaftlichen Konnotation des Fehlerbegriffs einladen.
Für mich persönlich repräsentiert der Sammelband einen erleichternden Blick auf Fehler, mit Bedacht der damit einhergehenden, realistisch betrachteten Ursachen, Kofaktoren und Lösungsmomente. So fühle ich mich zur selbstfürsorglichen Reflexion eingeladen.
Julia –
Ich durfte das Buch „Fehlerkulturen in der Sozialen Arbeit“ von Jürgen Beushausen et al. als Rezensionsexemplar lesen und bewerten. Da ich selbst in der Jugendhilfe tätig bin und weiß, wie schwerwiegend Fehler in diesem Arbeitsfeld sein können, fand ich es sehr spannend zu lesen, wie die Sichtweise der einzelnen Autoren bezüglich dieses Themas aussieht.
Ein weiterer interessanter Punkt in dem Sammelband war, dass sehr oft die These beziehungsweise die Aussage getroffen wurde, dass Fehler in der Sozialen Arbeit unerwünscht sind und falls es dazu kommen sollte, dass man Fehler begeht, diese möglichst schnell beseitigt und soweit wie möglich „vertuscht“ werden sollten, damit niemand Externes davon erfährt. Außerdem wird in Hochschulen selten, wenn überhaupt, darüber gesprochen, wie Fehler in unserem Arbeitsfeld aussehen und wie sie vermieden werden können oder wie man damit umgehen kann, wenn es doch dazu kommen sollte, dass jemandem ein Fehler unterläuft.
Mir persönlich hat das Buch sehr viel gebracht, da in meinem Studiengang ebenfalls nicht auf Fehler in der Sozialen Arbeit eingegangen wurde und es dazu weder Vorlesungen noch Seminare gab und ich mich dank des Buches besser mit dem Thema auseinandersetzen konnte. Die Texte sind sehr verständlich formuliert und die Argumentation, meines Erachtens, gut nachvollziehbar. Ich würde das Buch jedem Studiengang empfehlen, der sich mit Sozialer Arbeit beschäftigt. Meiner Meinung nach sollte das Buch auch als Grundlage in der Erzieherausbildung genutzt werden.
Daniel Wiedmann –
Das Sammelwerk „Fehlerkulturen in der Sozialen Arbeit“ von Jürgen Beushausen, Kirsten Rusert, Martin Stummbaum et. al. gibt umfassende und hilfreiche Impulse für die Entwicklung einer konstruktiven Fehlerkultur in unterschiedlichen Kontexten Sozialer Arbeit. Dabei wird es von den Autor*innen als selbstverständlich angesehen, dass das Auftreten von Fehlern Teil einer professionellen Sozialen Arbeit ist. Insbesondere der Beitrag von Nicole Rosenbauer zur Thematik unabhängiger Ombudsstellen in der Kinder- und Jugendhilfe war für mich persönlich sehr aufschlussreich. Sie zeigt darin zunächst kurz auf, wie es zur Entstehung der Ombudsstellen-Bewegung in Deutschland kam, um anschließend auf verschiedene Perspektiven unabhängiger, ombudschaftlicher Arbeit einzugehen. Ich würde das Buch für den letzten Studienabschnitt des Bachelorstudiengangs „Soziale Arbeit“ empfehlen, da es dazu anregt, kritisch über bestehende Praxis Sozialer Arbeit nachzudenken und diese besonders im Hinblick auf ihren Umgang mit Fehlern von Fachkräften Sozialer Arbeit zu reflektieren. Dies setzt jedoch ein grundlegendes Verständnis von Abläufen professioneller Sozialer Arbeit voraus.
Celina Kömmlinger –
Ich habe das Buch „Fehlerkulturen in der sozialen Arbeit“ im Zusammenhang mit einer Hausarbeit gelesen und dieses als Grundlage verwendet. Ich studiere Erziehungswissenschaft im Master und konnte durch den Sammelband mein theoretisches Wissen erweitern. Außerdem arbeite ich im Bereich der Jugendhilfe und fand die verschiedenen Sichtweisen auf dieses Thema sehr spannend. Das Buch gibt spannende Impulse zur Entwicklung einer besseren Fehlerkultur.
Empfehlen kann ich das Buch für alle Student*innen der Sozialen Arbeit, Erziehungswissenschaft etc. Es gibt spannende neue Einblicke in ein Thema, welches (meiner Erfahrung nach) nicht ausreichend an der Uni behandelt wird. Ein gewisses Grundwissen über die Abläufe innerhalb der Sozialen Arbeit würde ich dennoch voraussetzen. Die Texte sind im Großen und Ganzen sehr verständlich geschrieben und besitzen eine sinnvolle Argumentationsgrundlage.
M.H. –
Perfektion bzw. das Streben nach dem Perfekten – etwas, das uns in der heutigen Gesellschaft sehr oft begegnet. Doch Menschen sind komplex und ebenfalls in eine Reihe von Einflüssen und Zusammenhängen sowie Vorprägungen eingebunden. Da erscheint etwas (bspw. ein Verhalten o.Ä.) schnell fehlerhaft, ungenügend oder wird als solches benannt. Wir sind und bleiben alle Lernende. Das zu zeigen und einen Umgang/Haltung damit zu finden, ist menschlich. Daher benötigt es ebenso einen professionellen Umgang mit Fehlern, Dialogfähigkeit und eine gelebte fehlerfreundliche Kultur sowie entsprechende Vorbilder. Besonders in der Praxis (Fachkräftemangel, Ausnahmesituationen etc.) bekommt dieses Thema m.E. oft zu wenig Zeit. Es erscheint sinnvoll, hier adäquat zu moderieren und entsprechendes Methodenspektrum aufzubauen, wie mit Fehlern oder Fehlverhalten bspw. im Team umgegangen werden kann/soll. Dies muss eingeübt und trainiert werden und benötigt entsprechenden Raum sowie Ressourcen.
Ich empfinde das vorliegende Buch „Fehlerkulturen in der Sozialen Arbeit“ herausgegeben von J. Beushausen, K. Rusert und M. Stummbaum als Einladung bzw. gelungene Möglichkeit, sich der im Titel anklingenden Thematik zu öffnen, das eigene Handeln daraufhin zu reflektieren und daraus zu lernen. So können eine Haltung und ein bewusster Umgang mit Fehlern entwickelt und auch auf der kommunikativen Ebene Veränderung erzielt werden (Mindset).
Besonders im Studium kann vorbereitend ein horizonterweiternder Perspektivwechsel vollzogen werden. Mit zahlreichen Praxisbeispielen und eine Anbindung an den aktuellen wissenschaftlichen Kontext.
Das Buch bietet eine vielseitige und breite Beleuchtungsachse (verschiedene Blickwinkel und Perspektiven) innerhalb der Sozialen Arbeit in Bezug auf Fehler und Fehlerkultur(en).
Im Hochschulkontext kommt dieser Gesichtspunkt m.E. häufig zu kurz, hat aber unglaublich viel Potenzial, auch in besonderer Weise darüber nachzudenken, wie wir unsere eigene Profession und den Arbeitskontext im Arbeitsalltag konkret verbessern können und damit auch schon im Studium auf den späteren Umgang professionell vorzubereiten.
Besonders im Wechsel bzw. Übergang von Studium und Beruf oder im begleitenden Praxissemester bzw. Anerkennungsjahr halte ich diese Lektüre für gewinnbringend, einerseits, um auch kritische Fragestellungen und Sichtweisen zuzulassen und diesen Raum zu geben. Anderseits, um bei der aktiven Ausbildung der Sozialarbeitendenrolle zu unterstützen.
Aus meiner beruflichen Praxis heraus wird vor allem klar, dass eine einheitliche Definition von „Fehlern“ in der Sozialen Arbeit äußerst schwierig zu leisten ist und auch viele Ausprägungen hat. Da die Arbeit mit Menschen immer auch Beziehungsarbeit ist und ebenso das Technologiedefizit vorliegt, erscheint eine einheitliche Vorgehensweise und Fehlerbenennung schwierig. Diese muss stets neu und immer im individuellen Horizont gemeinsam mit dem/der Klient*in herausgearbeitet werden. Als interessant für die Praxis und zum besseren Verständnis des Kontextes sowie der eigenen Handlungskompetenz möchte ich den Artikel „Selbstkompetenz – Zum professionellen Umgang mit der Angst vor Fehlern in der Sozialen Arbeit“ von H. Effinger hervorheben.
Carmina Hägewald –
„Fehlerkulturen in der Sozialen Arbeit“ von Beushausen et al. ist ein umfassender Sammelband zu einem wichtigen Thema, das in Hochschulen und der Praxis kaum thematisiert wird.
Auch wenn ich das Gefühl habe, in der Sozialen Abeit gibt es schon einige Einrichtungen, welche eine offene Fehlerkultur praktizieren. Ich finde es gerade als Berufsanfängerin wichtig, dass man ohne Angst vor Fehlern im Feld ankommen kann, Fehler konstruktiv besprochen werden und eine Kultur der Angstfreiheit vor Fehlern herrscht. In der Sozialen Arbeit gibt es so viele Möglichkeiten, Fälle zu behandeln oder auf Dinge zu reagieren, die Angst vor Fehler hemmt dabei, selbstbewusst ins Feld zu treten. Natürlich können Fehler im Sozialen Bereich auch gravierende Folgen mit sich ziehen, wie im Buch angesprochen, bei einer Sozialarbeiterin, unten deren Schutz als Jugendamtmitarbeiterin zwei Kinder verstarben und welche nun deswegen angeklagt ist. Es gibt dennoch einen Unterschied zwischen kleinen und wirklich großen Fehlern und gerade die kleineren werden im Berufsalltag oft viel zu hoch bewertet, so dass kein wertschätzendes Miteinander entsteht.
Das Buch beleuchtet das Thema umfassend, es geht auf spezielle Bereiche ein, wie z.B. die Arbeit mit unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten und die Kinder und Jugendhilfe. Es kann als gutes Grundlagewerk zu dem Thema verwendet werden, entspricht hohen wissenschaftlichen Standards und ist daher kein leicht verständliches Buch. Für Leute aus der Praxis, die Soziale Arbeit studiert haben und andere Akerdemiker*innen ist es aber allemal lesenswert und wichtig.
Es werden zudem Interwiev-Ausschnitte von vielen Praktiker*inner der Sozialen Arbeit hinzugezogen, was viele Problematiken und Einstellungen zu dem Thema nochmal stark verdeutlicht.