Beschreibung
Wie erleben junge Erwachsene ihre Sexualität? Welche Bedeutung besitzen dabei soziale Ungleichheitsverhältnisse? Wie wird schulische Sexualerziehung aus der Perspektive von jungen Erwachsenen bei der Auseinandersetzung mit ihrer Sexualität empfunden? Die qualitativ-empirische Studie rekonstruiert die sexuelle Sozialisation von jungen Erwachsenen und ihre sexuellen Einstellungs- und Handlungsmuster im Kontext sozialer Ungleichheit.
Jugendsexualität und schulische Sexualerziehung sind in Deutschland quantitativ vergleichsweise gut erforscht. Doch die systematische, theoretische und qualitativ-empirische Auseinandersetzung mit pädagogisch kontextualisierten, sexuellen Lebensrealitäten unter den Bedingungen sozialer Ungleichheit stellt ein eklatantes Desiderat erziehungswissenschaftlicher Forschung und Theoriebildung dar und besitzt eine hohe Praxisrelevanz. Das Ziel der Studie ist die Auseinandersetzung mit dieser Leerstelle: die Rekonstruktion von Einstellungs- und Handlungsmuster junger Erwachsener im Hinblick auf Prozesse sexueller Sozialisation und sexueller Bildung. Vor dem Hintergrund einer fallübergreifend mangelhaft erlebten schulischen Sexualerziehung beschreibt der Autor drei Typen des Umgangs damit, die sich als Kompetenz-, Anerkennungs- und Befähigungsorientierungen für die sexuelle Bildung im schulischen Kontext und für die Erziehungs- und Bildungswissenschaften als hoch bedeutsam erweisen. Die interdisziplinäre Studie lässt sich dabei an den Schnittstellen von Geschlechter-, Sexualitäts- und Ungleichheitsforschung sowie der Schul- und Jugendhilfeforschung verorten.
Inhaltsverzeichnis + Leseprobe
Der Autor:
Dr. Jann Schweitzer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Erziehungswissenschaft, AG Sozialpädagogik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Hier finden Sie den Waschzettel zum Buch (PDF-Infoblatt).
Die Zielgruppe:
Lehrende und Forschende der Erziehungswissenschaft und Gender Studies
Lena Mey –
Das Buch „Sexuelle Bildung und soziale Ungleichheit“ greift die aktuellen politischen und fachlichen Diskussion zur Sexualität junger Menschen auf. Der Autor rekonstruiert dabei sexuelle soziale Prozesse junger Menschen auf wissenschaftlicher Ebene und setzt seinen Fokus auf die soziale Ungleichheit.
Besonders eindrücklich fand ich dabei die Rekonstruktionen der Gruppendiskussionen anhand von sechs Falldarstellungen. Hier wird ein guter Eindruck der sexuellen Lebenswelt junger Menschen vermittelt und konkrete Einblicke gewährt. Die Aktualität des Themas wird dadurch verdeutlicht. Dabei hält sich der Autor an wissenschaftliche Standards, wodurch Rückschlüsse möglich werden und neue Erkenntnisse für die schulische Sexualerziehung und den sexualpädagogischen Diskurs ermöglicht werden. Wer nach authentischen Einblicken in die sexuellen Sozialprozesse junger Menschen und ihrer sexuellen Bildung mit Fokus auf soziale Ungleichheiten sucht, ist mit diesem Buch gut beraten.
Melissa Lang –
„Sexuelle Bildung und soziale Ungleichheit. Rekonstruktionen sexueller Sozialisationsprozesse junger Erwachsener“ richtet sich aus meiner Sicht primär an all diejenigen, die mit jungen Erwachsenen, aber auch mit Jugendlichen bzw. Kindern zusammenarbeiten, da Sexualität ein Thema ist, das schon im frühen Alter eine große Rolle spielt. Fachkräfte der Sozialen Arbeit, die zu einem erheblichen Teil mit diesen Altersgruppen in verschiedensten Konstellationen, bspw. Wohngruppen, zusammenarbeiten, sollten deshalb ein fundiertes Wissen über Sexualität, wie sich diese ausbildet und wie diese Bildung professionell unterstützt werden kann, erlangen.
Das Buch unterstützt dieses Verständnis, indem es nicht nur Grundlagen von Sexualität bzw. sexueller Bildung beleuchtet, sondern indem es die soziale Herkunft miteinbezieht und diese anhand von Gruppendiskussionen diskutiert. Dementsprechend trägt das Buch aus meiner Sicht dazu bei, das Verständis von sexueller Bildung von jungen Erwachsenen zu unterstützen, wodurch bspw. Fachkräfte der Sozialen Arbeit in der Praxis wissenschaftlich fundierter in diesem Bereich mit ihren Adressat:innen zusammenarbeiten können.
k.konstabel0609 –
Eine sehr spannende Dissertation, die das sehr relevante Thema der Sexuellen Bildung umreißt.
Das Buch ist gut strukturiert und ermöglicht einen gelungenen Einstieg in das Thema, wodurch Begriffe wie: sexuelle Sozialisation, Intersektionalität und Ungleichheit einen Raum bekommen. Auch die Theorie und Falldarstellungen sind sehr nachvollziehbar und man bekommt sehr viele Einblicke in das Datenmaterial. Dadurch ist das Buch sowohl für Personen interessant, die mehr über das Thema lernen oder lesen wollen, als auch für Personen, die eine gelungene Dissertation lesen möchten und Beispiele für moderne Gruppendiskussionen suchen.
Tessa Clarkson –
Jann Schweitzer thematisiert die Notwendigkeit, dass sich „die wissenschaftliche Beschäftigung mit Sexualität nicht in der Prävention von (…) Gefahren erschöpfen sollte“ (S. 196) und plädiert dafür, den erziehungswissenschaftlichen Diskurs um weitere relevante Aspekte zu erweitern. Deshalb möchte er in seiner Dissertation mit Hilfe einer qualitativen, rekonstruktiven Studie den Fragen nachgehen, wie junge Erwachsene ihre Sexualität erleben, bewerten und diskutieren und welche Bedeutung soziale Ungleichheitsverhältnisse für sexuelle Sozialisationsprozesse haben. Hierbei interessiert ihn auch besonders die Rolle und Bedeutung der schulischen Sexualerziehung in diesem Kontext.
Um diese Fragen zu beantworten, führt er sechs Gruppendiskussionen mit insgesamt 18 jungen Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 21 Jahren, die einerseits homogene Gruppen hinsichtlich ihres Geschlechts, sexuellen Orientierung und der besuchten Schulform darstellen und andererseits „echte Peergroups“ (S. 65) sind. Eines seiner zentralen Untersuchungsergebnisse ist die defizitär erlebte schulische Sexualerziehung in allen Gruppendiskussionen. Davon ausgehend identifiziert der Autor drei Typen des Umgangs damit. Während er formale sexuelle Bildung als eine der zentralen Ressourcen für die sexuelle Sozialisation ausmacht, beobachtet er gleichzeitig, dass Sexualerziehung im Raum Schule vor allem diejenigen benachteiligt, die nicht cis-geschlechtlich männlich und heterosexuell sind. Er arbeitet heraus, dass insbesondere die Kategorien Geschlecht und sexuelle Orientierung bedeutsame Kategorien für die sexuelle Sozialisation und sexuelle Bildung darstellen, während die Differenzkategorien class und race auf Grund der fehlenden Thematisierung in den Gruppendiskussionen in seiner Dissertation eine Leerstelle bleiben. Für Lehrkräfte sind vor allem die Grundlagen-Kapitel, in denen der Autor die zentralen Ausgangspunkte sexueller Sozialisation und den aktuellen Stand der quantitativen Forschung insbesondere zu Jugendsexualität und sexueller Sozialisation beleuchtet, sowie die Falldarstellungen, die einen guten Einblick in das Erleben sexueller Sozialisation, in den Umgang mit und die Kommunikation über Sexualität eine Leseempfehlung.
Bei der Lektüre der Dissertation von Jann Schweitzer erlangt man einen differenzierten Blick auf die Sexualität junger Erwachsener, auf sexuelle Bildung und auf schulische Sexualerziehung. Die Falldarstellungen und seine Analyse- und Diskussionsergebnisse bieten neue Perspektiven auf sexuelle Sozialisationsprozesse. Außerdem können die Grundlagenkapitel mit den theoretischen Ausführungen und empirischen Befunden zur Erweiterung des eigenen Fachwissens beitragen.