Beschreibung
Die Lage der Bildung ist durch deren fortschreitende Abschaffung als Ziel der öffentlichen Erziehung und ihrer Mittel gekennzeichnet. Sie wird ersetzt durch ‚Kompetenz‘, die eine umfassende Fungibilität und Flexibilität der Menschen sicherstellen soll. Je sieben Diagnosen aus Deutschland und Brasilien beziehen sich auf die zentralen Teilaspekte der Lage und erlauben so einen komparativen Blick auf das Problem.
Kritische Pädagogik war immer Parteigänger für Bildung. Dabei malte sie nur in ihren bildungspolitischen Konjunkturen deren praktische Möglichkeit aus. Im Kern bezog sie sich analytisch auf die Differenz zwischen dem Anspruch und der Wirklichkeit der Bildung. Mit der neoliberalen Wende der entwickelten Gesellschaften wird das Bildungswesen als das mit entscheidende Mittel zum Zweck ökonomischer Wettbewerbsfähigkeit und Prosperität betrachtet. Das drückt sich in den neuen Zielen wie in den Mitteln aus, die nun das System bestimmen sollen und auch zunehmend bestimmen. „Kompetenz“ ist zum Schlüssel- wie zum Zauberwort dieser Jahre geworden. Mit ihr wird die völlige Passung des Ausbildungs- mit dem Beschäftigungssystem versprochen und dabei all das abgestreift, was als „europäische Bildungstradition“ (Blankertz) dem Erziehungswesen eine andere emanzipative Eigenlogik vorgab. Die Wissenschaft, die dieses Interesse advokatorisch zu vertreten und auszulegen suchte, wird zunehmend ersetzt durch eine aus Psychometrie und Betriebswirtschaftslehre gespeiste, technokratische Erfolge versprechende Dienstleistungswissenschaft. Schulen und Universitäten werden unter den Druck permanenter Selbstverbesserung gesetzt, deren Ziele vom Gelderwerb bzw. von der „Bildungsforschung“ definiert werden. Die Lage wird hermetisch als ein Zwang, der besinnungslos eine dem System fremde Agenda zu verfolgen verlangt.
Diese Lage der Bildung verlangt von der Pädagogik sachhaltige, leidenschaftlich leidenschaftslose Analyse. Sie bezieht sich in dem Band auf mehrere Teilaspekte: die Rolle und Kraft der kritischen Sicht auf die Dinge; Studien über die Erziehung zur Mündigkeit und Emanzipation unter den Bedingungen der total werdenden Kapitalisierung; Ergebnisse der neuen Steuerung in den Hochschulen; Relevanz der neuen Informationstechnologien, mit denen das Konzept der Information gegen das der Bildung gesetzt wird; Veränderung der pädagogischen Verhältnisse und der Substanz des unterrichtlichen Geschehens durch neue Medien; Extrapolation der absehbaren Zukunft von Schule Bildung. Gefragt wird sowohl grundsätzlich danach, ob und wenn ja wie an dem Versprechen der Bildung, ja der Pädagogik überhaupt festgehalten werden kann und ob sich die öffentliche Schule in ihrer bisherigen Funktion wird halten können.
Zu jedem Aspekt wird ein Beitrag aus Brasilien und Deutschland vorgestellt. Dies ermöglicht, sowohl die Globalisierung der Entwicklung zu verifizieren, wie auch sie zu falsifizieren. Und es zeigt sich, welche diagnostische Kraft in der kritischen Pädagogik enthalten ist.
Aus dem Inhalt:
- Pädagogik und Kritische Theorie: eine Darstellung ihrer aktuellen Beziehung
- Erziehung zur Mündigkeit oder zur flexiblen Persönlichkeit – eine politische Analyse der Erwartungen an das Erziehungssystem
- Die Umwälzung der öffentlichen Erziehungsverhältnisse im neoliberalen Zeitalter
- Die neuen Informationstechnologien und ihre Funktionsweise in der Schule
- Die neuen Medien als das Zentrum der kindlichen und jugendlichen Lebenswelt und ihr Einfluss auf die Erziehungsverhältnisse
- Bildung, Halbbildung und Unbildung durch Unterricht
- Über die Entgrenzung der pädagogischen Verhältnisse und den Funktionsverlust der Pädagogik
Die Autoren:
Prof. Dr. Andreas Gruschka, Professur für Pädagogik der Sekundarstufe, Goethe-Universität Frankfurt a.M.
Luiz A.C. Nabuco Lastória, Professor für Sozialpsychologie, Universität São Paulo
Hier finden Sie den Waschzettel zum Buch (pdf- Infoblatt).
Zielgruppen:
Forschende, Lehrende und Studierende der Erziehungswissenschaft
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