Inhalt
BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen
2-2022: Oral History zwischen Aufarbeitung und Empowerment
Hrsg. von: Linde Apel & Almut Leh
Schwerpunkt
Linde Apel / Almut Leh: Einführung in den Schwerpunkt
Dorothee Wein: Colonia Dignidad von heute aus erzählt. Ein chilenisch-deutsches Oral History-Archiv als vielstimmiger Resonanzraum
Sebastian Justke / Johanna Sigl: Erzählen und Aufarbeiten? Eine kritische Reflexion über narrative Interviews in Forschungen zu sexualisierter Gewalt im kirchlichen Kontext
Myriam Alvarez / Miguel Garcia / Birgit Heidtke / Ada Rhode / Nausikaa Schirilla: Migrantinnengeschichte partizipativ. Inklusives Digitales Erinnerungsarchiv (IDEA)
Offene Beiträge
Thomas Gräfe: „Pogromdepp“ und „Salonantisemit“. Adolf Bartels und Houston Stewart Chamberlain: Zwei Varianten des völkischen Antisemitismus im Kontext von Bürgerlichkeit und Bildungskultur
Lisa Gmeiner: Verliebt und verachtet. „Deutschenmädchen“ und „Lebensbornkinder“ im kollektiven Gedächtnis Norwegens
Projektbericht
Nike Höfer / Michael Gref / Jana Beinlich / Sarah Zimmermann / Markus Würz / Ruth Rosenberger: Chancen und Grenzen der automatisierten Erkennung von Emotionen und Sentiments in Zeitzeugeninterviews. Ergebnisbericht eines interdisziplinären KI-Forschungsprojekts
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Leseproben
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Abstracts
Colonia Dignidad von heute aus erzählt. Ein chilenisch-deutsches Oral History-Archiv als vielstimmiger Resonanzraum (Dorothee Wein)
Das Projekt „Colonia Dignidad. Ein chilenisch-deutsche Oral History-Archiv“ ist einerseits geprägt von seinem erinnerungspolitischen Entstehungskontext und ist andererseits selbst zum Akteur in der Aufarbeitung der Geschichte der Colonia Dignidad geworden. Diese Entwicklung zeichnet der Artikel nach, indem er zunächst die einzelnen Betroffenengruppen und ihr Verhältnis zueinander sowie zu dem multiperspektivischen Oral History-Projekt umreißt. Anschließend werden Aspekte des Projektverlaufes reflektiert, der Umgang mit der Vielstimmigkeit der Erfahrungsgruppen auf der Archivplattform erläutert sowie der Frage nachgegangen, was das lebensgeschichtliche Erzählen zur Selbstbemächtigung unterschiedlicher Betroffener beitragen kann.
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Erzählen und Aufarbeiten? Eine kritische Reflexion über narrative Interviews in Forschungen zu sexualisierter Gewalt im kirchlichen Kontext (Sebastian Justke und Johanna Sigl)
Der Artikel thematisiert Herausforderungen qualitativer Forschung im Kontext sexualisierter Gewalt, insbesondere bei der Erhebung von narrativen Interviews und den damit verbundenen Erwartungen auf Seiten der Wissenschaftler:innen und der Interviewpartner:innen. Grundlage der Analyse stellen die in einem Forschungsprojekt zu sexualisierter Gewalt in den evangelischen Kirchen in Deutschland erhobenen narrativen Interviews mit Betroffenen sexualisierter Gewalt dar, welche zwischen 2021 und 2023 von den Autor:innen des Beitrags geführt wurden. Anhand der Analyse des Materials und der Reflexion der Interviewsituationen greift der Artikel die unterschiedlichen Erwartungshaltungen und Perspektiven auf die Forschung auf und fragt nach ihrer Bedeutung für den Forschungsprozess. Ausgelotet dabei wird der Möglichkeitsraum für Empowerment der Betroffenen durch die Wissenschaftler:innen. Im Ergebnis wird ein Spannungsfeld konstatiert, das durch Forschung, Aufarbeitung und den impliziten Wunsch nach Empowerment der Betroffenen definiert wird.
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Migrantinnengeschichte partizipativ. Inklusives Digitales Erinnerungsarchiv (IDEA) (Myriam Alvarez, Miguel Garcia, Birgit Heidtke, Ada Rhode und Nausikaa Schirilla)
Das BMBF geförderte Projekt IDEA – Inklusives Digitales Erinnerungsarchiv – sammelte von 2020 bis 2022 Oral-History-Interviews mit gesellschaftlich aktiven Migrantinnen. Ziel war es, biographische Erfahrungen, gesellschaftliche Forderungen und kollektiveVeränderungswünsche von Frauen mit eigener oder familiärer Migrationsgeschichte zu dokumentieren. Sie wurden für die Nachnutzung archiviert, Auszüge der Interviews wurden medial bearbeitet und über digitale Medien veröffentlicht. In einer Kooperation von angewandten Sozial- und Medienwissenschaften lag das Forschungsinteresse auf den partizipativen Prozessen. Dabei wurden auch digitale Formate für die Kommunikation und Kooperation der Co-Forschenden entwickelt und erprobt. Die gesellschaftliche Partizipation von Migrantinnen in Deutschland war zum einen das Kernthema des Projekts. IDEA sammelte und erzeugte Oral History außerdem partizipativ, in einem Netzwerk von freiwilligen Akteurinnen mit Erfahrungsexpertise. Darüber hinaus explorierte das Projekt, ob und wie partizipativ organisierte Oral History dazu beitragen kann, marginalisierte Zeugnisse differenzierter und selbstbestimmter zu überliefern. Um Co-Forschenden die Teilhabe am öffentlichen Gedächtnis zu erschließen, müssen zum einen Wissensressourcen, zum anderen Strukturen für den Erfahrungstransfer und für Empowerment zur Verfügung gestellt werden.
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„Pogromdepp“ und „Salonantisemit“. Adolf Bartels und Houston Stewart Chamberlain: Zwei Varianten des völkischen Antisemitismus im Kontext von Bürgerlichkeit und Bildungskultur (Thomas Gräfe)
Glaubt man zeitgenössischen Beobachter/-innen und Historiker/-innen, gab es im Kaiserreich und in der Weimarer Republik zwei Spielarten des Antisemitismus: einen Standards bürgerlicher Respektabilität unterschreitenden Radau-Antisemitismus und einen bürgerlichen Antisemitismus, der gemäßigter auftrat und auch im Bildungsbürgertum akzeptiert wurde. Am Beispiel der völkischen Weltanschauungsproduzenten Adolf Bartels und Houston Stewart Chamberlain wird hinterfragt, ob und inwiefern diese Unterscheidung haltbar ist. Es stellt sich heraus, dass zwischen dem „Radauantisemiten“ Bartels und dem „Salonantisemiten“ Chamberlain keine substanziellen weltanschaulichen Differenzen bestanden, während sich beide in der Verfügbarkeit über kulturelles Kapital sowie im anvisierten und erreichbaren Zielpublikum durchaus unterschieden. Folglich müssen Radauantisemitismus und bürgerlicher Antisemitismus eher als sozialgeschichtliche denn als ideengeschichtliche Kategorien aufgefasst und nicht als Gegenbegriffe, sondern in ihrer Interaktion untersucht werden.
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Verliebt und verachtet. „Deutschenmädchen“ und „Lebensbornkinder“ im kollektiven Gedächtnis Norwegens (Lisa Gmeiner)
Der Aufsatz untersucht die komplexen Interaktionen zwischen Erinnerungskultur, kollektivem Gedächtnis und der Tabuisierung bestimmter historischer Ereignisse am Beispiel von „Deutschenmädchen“ und „Deutschenkindern“ in Norwegen in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Das kollektive Gedächtnis fungiert als kulturelles Konstrukt, das die Art und Weise beeinflusst, wie Gesellschaften historische Ereignisse interpretieren und weitergeben. Die Autorin analysiert die Erinnerungskultur in Norwegen und ihre Auswirkungen auf die Darstellung der „Deutschenmädchen und „Deutschenkinder“, die während des Krieges in Norwegen lebten, unter Berücksichtigung der skandinavischen Forschung zum Thema. Die Tabuisierung bestimmter Aspekte wird als wichtiger Faktor betrachtet, der die Entwicklung des kollektiven Gedächtnisses beeinflusst. Die vorliegende Untersuchung nutzt eine interdisziplinäre Methodik, die museale Verarbeitung, literarische Werke, filmische Darstellungen und zeitgenössische Medien wie Videogames einschließt. Durch die Analyse dieser vielfältigen Quellen wird ein umfassendes Bild von der Interaktion zwischen Erinnerungskultur, kollektivem Gedächtnis und der Behandlung von „Deutschenmädchen“ und „Deutschenkindern“ während und nach dem Zweiten Weltkrieg in Norwegen gezeichnet. Die Ergebnisse des Aufsatzes zeigen ebenfalls einen Wandel in der Wahrnehmung einerseits der Frauen und Kinder durch die Bevölkerung Norwegens und andererseits der eigenen Rolle der Bevölkerung im Verhältnis zu diesen. Es lässt sich schlussfolgern, dass der negative Umgang mit „Deutschenmädchen“ und deren Kindern intensiv im kollektiven Gedächtnis verhandelt wird und sich überdies in einem „floating gap“ befindet, da die Phase der Ritualisierung noch aussteht.
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Chancen und Grenzen der automatisierten Erkennung von Emotionen und Sentiments in Zeitzeugeninterviews. Ergebnisbericht eines interdisziplinären KI-Forschungsprojekts (Nike Höfer, Michael Gref, Jana Beinlich, Sarah Zimmermann, Markus Würz und Ruth Rosenberger) Historikerinnen und Historiker der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und Informatiker des Fraunhofer Instituts für Intelligente Analyse- und Informationssysteme haben zwei Jahre lang in einem interdisziplinären Forschungsprojekt einen Softwareprototypen entwickelt, der mit Hilfe von Verfahren Künstlicher Intelligenz in audiovisuellen Zeitzeugeninterviews wahrnehmbare Emotionen und wertende Meinungsäußerungen (Sentiment) erkennt. Das Projekt wurde im Zeitraum 2020 bis 2022 finanziell gefördert im Rahmen der KI-Strategie der Bundesregierung. Der Beitrag thematisiert das Forschungsdesign, dessen Operationalisierung sowie daraus ersichtliche Chancen und (derzeitige) Grenzen der automatisierten Analyse von Zeitzeugeninterviews im Kontext der softwareunterstützten Erschließung von (musealen) Sammlungen.
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