Beschreibung
Rechtsextreme Frauen werden mit ihren Einstellungen und ihrem Handeln oft übersehen und unterschätzt – auch in der Sozialen Arbeit und Pädagogik. Dies hat Folgen für das demokratische Miteinander, insbesondere aber für Menschen, die von rechter Gewalt betroffen sind. Doch wie kommt es zu diesem Wahrnehmungs- und Interventionsdefizit? Welche Ursachen lassen sich in Geschichte und Gegenwart in der Sozialen Arbeit und Pädagogik erkennen? Wie verlaufen Situationen in verschiedenen Handlungsfeldern und welche Alternativen lassen sich herausarbeiten? Diese und weitere Fragen werden im Buch beantwortet. Die Autor_innen plädieren für eine professionsethische Haltung von (sozial)pädagogischen Fachkräften.
Rechtsextreme Frauen werden häufig mit ihrer Ideologie übersehen. Das bekannteste Beispiel hierfür ist die Rechtsterroristin Beate Zschäpe. In der aktuellen Auseinandersetzung wird ihr Handeln durch banalisierende oder sexualisierende Darstellungen entpolitisiert. Hierbei handelt es sich nicht um einen Einzelfall. Fachkräfte der Pädagogik und der Sozialen Arbeit sind verstärkt mit rechtsextremen Erscheinungsformen konfrontiert und herausgefordert, diese zu erkennen und einen Umgang damit zu entwickeln. Esther Lehnert und Heike Radvan fragen nach Ursachen für die Unterschätzung rechtsextremer Frauen in der Gesellschaft. Mit einem Blick in die Geschichte untersuchen sie, welche stereotypen Bilder über Frauen entstanden sind. Zudem setzen sie sich mit der Wahrnehmung engagierter Frauen der extremen Rechten in Ost- und Westdeutschland nach 1945 auseinander, um dann das Engagement von Frauen im aktuellen Rechtsextremismus zu untersuchen. Darauf aufbauend untersuchen die Autorinnen die pädagogische und sozialarbeiterische Praxis in verschiedenen Bereichen: in der frühkindlichen Pädagogik, der Schule, der Jugendarbeit sowie der Vereins – und Verbandsarbeit. Aus der Beratungspraxis wissen Lehnert und Radvan, dass oft das Prinzip der „doppelten Unsichtbarkeit“ greift und rechtsextreme Akteurinnen übersehen werden: als engagierte Mütter, als Erzieherinnen, als Sozialarbeiterinnen oder als Klientel in der Jugendarbeit. Anhand von Beispielen aus der Beratungspraxis stellen die Autorinnen dar, mit welchen Herausforderungen Fachkräfte konfrontiert sind, und entwickeln darauf aufbauend spezifische Handlungsempfehlungen. Hierbei wird vor allem die Ebene der Elternarbeit und das pädagogische Handeln mit Kindern und Jugendlichen thematisiert. Wie können Fachkräfte das Engagement rechtsextremer Eltern wahrnehmen und welche Interventionsmöglichkeiten gibt es? Welche Ansätze gibt es für die Einzel- und Gruppenarbeit mit Kindern, die in rechtsextremen Elternhäusern aufwachsen? Welche Ansätze der primären Prävention gibt es? Anhand vonFallbeispielen werden zudem Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit rechtsextremen KollegInnen vorgestellt.
Die Autorinnen:
Prof. Dr. Esther Lehnert,
Professur für Geschichte, Theorie und Praxis Sozialer Arbeit mit dem Schwerpunkt Rechtsextremismus an der Alice Salomon Hochschule Berlin
Prof. Dr. Heike Radvan,
Brandenburgische Technische Universität Cottbus – Senftenberg
Zielgruppen: PädagogInnen, Fachkräfte im Bereich Soziale Arbeit, Studierende und Lehrende im Bereich Geschlechterforschung, Soziale Arbeit und Erziehungswissenschaft
Hier finden Sie den Waschzettel zum Buch (PDF-Infoblatt).
Justus Makollus –
Die Autorinnen werfen einen Blick auf die Wahrnehmung von Frauen sowohl innerhalb der Gesellschaft im Allgemeinen, als auch innerhalb der Sozialen Arbeit im Besonderen. Dabei stellen sie die These auf, dass auf Grund des Konzepts der „organisierten Mütterlichkeit“ ein weibliches Stereotyp von Fürsorge und Pflege vorherrscht, welches eine aktive Beteiligung von Frauen an diskrimierenden, menschenverachtenden und gewalttätigen Handlungen negiert. Diese Rollenzuschreibung nutzen rechtsextreme Frauen in der Sozialen Arbeit und darüber hinaus gezielt aus, um sich als unpolitische und unbeteiligte Personen von Aktionen der rechten Szene öffentlich abzugrenzen. Gleichzeitig sind sie damit „doppelt unsichtbar“ und können so ihre Ideologie unbeachtet verbreiten. Dieser Aspekt gilt sowohl für die frühkindliche Pädagogik, die Jugendarbeit, Familienfürsorge und Pflege, ist also im gesamten gesellschaftlichen Spektrum angesiedelt. Daher mahnen die Autorinnen einen offensiven Umgang mit rechtsextremen Weltanschauungen und Pädagoginnen/Sozialarbeiterinnen, die diese offen vertreten, an. Das Zauberwort heißt hier „Prävention“, die vor allem noch unentschlossene „Mitläufer“ der Szene erreichen soll. Nur ein enges gesellschaftliches Miteinander und der Mut zur offenen Diskussion können hier Abhilfe schaffen, so die Kernaussage dieses Buches. Nicht allein für Pädagogen ist der Text sehr lesenswert; Rechtsextremismus ist ein Problem aller Schichten und (Fach-)Richtungen, daher sollte sich jeder Interessierte von diesem Buch angesprochen fühlen.