Inhalt
ZRex – Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung
1-2023: Freie Beiträge
Beiträge
Hans-Ulrich Probst: „Es ist ein geistiger Kampf“: Predigten des Patriarchen Kirill im Kontext des Ukraine-Krieges
Magdalena Marsovszky: „Gegen die moderne Welt“. Julius Evola in Ungarn
Florian Hartleb: Der Aufstieg des parteiförmigen Rechtsextremismus in russischer Nachbarschaft: der Fall Estland
Malte Janzing: Introvertierte, querulantische Widerstandskämpfer gegen ein korrumpiertes System: Subjektivierung in Rechtsintellektuellen-Diskursen
Philipp Polta: Antisemitismus und Antifeminismus in Covid-19-Verschwörungsmythen
Mara Simon / Raphael Kohl: Antifeminismus und naturalisierte Differenzvorstellungen – Ergänzungen zur Messung antiegalitärer Überzeugungen
Christoph Haker / Lukas Otterspeer: Wissenschaftsbezogener Rechtspopulismus/-extremismus an Hochschulen – Perspektiven von Betroffenen
Stefanie Lindner: Parallelen und Differenzen im Umgang mit extrem rechten Jugendlichen im Ost-West-Verhältnis. Eine machtkritische Analyse des Diskurses um die akzeptierende Jugendarbeit und das Aktionsprogramm gegen Aggression und Gewalt
Rezensionen
Felix Schilk: Wohlfahrt, Norbert (2022). Revolution von rechts? Der Antikapitalismus der Neuen Rechten und seine radikalpatriotische Moral – eine Streitschrift
Richard Gebhardt: Wiegel, Gerd (2022). Brandreden. Die AfD im Bundestag
Leon Rosa Reichle: Mullis, Daniel & Miggelbrink, Judith (Hrsg.). (2022). LOKAL EXTREM RECHTS. Analysen alltäglicher Vergesellschaftungen
Viktoria Rösch: Haas, Julia (2020). „Anständige Mädchen“ und „selbstbewusste Rebellinnen“. Aktuelle Selbstbilder identitärer Frauen
Fabian Virchow: Bale, Jeffrey M. & Bar-On, Tamir (2022). Fighting the Last War. Confusion, Partisanship, and Alarmism in the Literature on the Radical Right
Markus End: Diener, Eveline (2021). Das Bayerische Landeskriminalamt und seine „Zigeunerpolizei“ (1946 bis 1965). Kontinuitäten und Diskontinuitäten der bayerischen „Zigeunerermittlung“ im 20. Jahrhundert
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Abstracts
„Es ist ein geistiger Kampf“: Predigten des Patriarchen Kirill im Kontext des Ukraine-Krieges (Hans-Ulrich Probst)
Zusammenfassung: Neoeurasische Ideen, wie sie beispielsweise von Alexander Dugin formuliert werden, haben ihre semantischen wie inhaltlichen Bezüge zum orthodoxen Christentum. Die Vorstellung einer über die russischen Territorialgrenzen hinausgehenden Heiligen Rus bzw. einer orthodoxen Russischen Welt werden dabei auch von der Russisch- Orthodoxen Kirche vertreten. Im Kontext des Ukraine-Krieges ist Patriarch Kirill in verschiedenen Predigten an die Öffentlichkeit getreten, um den Angriff auf das Nachbarland theologisch zu rechtfertigen. Neben dualistischen Weltbildern, in denen die westlich-liberale Welt dämonisiert wird, sakralisiert Kirill die russische Nation und das russische Militär. Drei dieser Predigten dienen als empirisches Material dieses Artikels und erfahren eine vertiefte Betrachtung, um zwei Aspekten nachzugehen. Einerseits soll die politreligiöse Verschränkung von politischen und religiösen Sphären durch eine semantisch-orientierte Analyse der Predigten erkennbar werden. Andererseits wird mit Blick auf in den Predigten inszenierte und hergestellte Wissensdimensionen rekonstruiert, welche Rolle dem Konzept der Russischen Welt beigemessen wird und welche religionspolitische Dimension darin begründet liegt. Schlüsselbegriffe: Orthodoxie, Neoeurasismus, Russische Welt, Heilige Rus, Patriarch Kirill
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„Gegen die moderne Welt“. Julius Evola in Ungarn (Magdalena Marsovszky)
Ziel des vorliegenden Aufsatzes ist, den Einfluss von Julius Evola, Wegbereiter des italienischen Faschismus, seine Aktivitäten und seine Rezeption in Ungarn darzustellen. Er ist heute ein beliebter Autor im Land. Evola entwickelte seine Thesen als Teil kulturpessimistischer, gegenmoderner, antidemokratischer und antiemanzipatorischer Denkrichtungen der Zwischenkriegszeit. Diese haben scheinbar unbemerkt auch den Realsozialismus überlebt und traten nach der Wende 1990 erneut stärker in Erscheinung. Sie zeichnen das Ideal einer neuen Weltordnung auf, in der das verloren geglaubte Paradies mit der Vorstellung über die arische Urharmonie gleichgesetzt wird und deren innere Mission es sei, diese wiederherzustellen. Evolas Thesen bilden heute die wichtigste Grundlage der identitär-universalistischen Position, spielen gegenwärtig als Verkehrung des menschenrechtlich-universalistischen Ansatzes der Aufklärung eine zentrale Rolle in der weit verbreiteten neurechten Politik der Regierung und anderer rechter Parteien, infiltrieren mangels einer kritischen Reflexiondie Gesellschaft imSinne der Gegenaufklärung und liefern Argumentationsmuster für die identitäre Politik Ungarns. Schlüsselbegriffe: Neue Rechte, Esoterik, nordische Tradition, Philosophia perennis, Eurasianismus, Jihad
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Der Aufstieg des parteiförmigen Rechtsextremismus in russischer Nachbarschaft: der Fall Estland (Florian Hartleb)
Nicht nur wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine lohnt sich die Beschäftigung mit den baltischen Staaten, insbesondere mit Estland. Brennglasartig verdichtet lässt sich hier der Aufstieg des Rechtsextremismus beobachten: Mit der EKREPartei reüssiert ein Familienunternehmen, das erfolgreich einen nach der 1991 erfolgten Unabhängigkeit des Landes existenten Patriotismus in die Richtung eines xenophoben, revisionistischen Nationalismus gelenkt hat. Der Beitrag analysiert aus estnischen Primärquellen, wie in den letzten Jahren der Rechtsextremismus salonfähig werden konnte. Dafür sorgten etwa öffentlich geschürte Phantomdebatten um eine angebliche Massenimmigration 2015/16. EKRE dockt dabei an ungelöste und unaufgearbeitete Fragen der Vergangenheit an. Das schließt Reminiszenzen an den Faschismus ein. Erstaunlich ist, dass EKRE als Teil der Regierung ebenso akzeptiert wurde wie die Partei auch generell als wichtiger politischer Faktor im Land gilt. Der offenbar in Politik und Gesellschaft anschlussfähige Traum einer Ethnokratie wird in einem Land kultiviert, das vor allem durch die Konfliktline zwischen ethnisch estnischen und russischstämmigen Menschen geprägt ist. Schlüsselbegriffe: Estland, EKRE, Rechtsextremismus, Revisionismus, Ethnokratie
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Introvertierte, querulantische Widerstandskämpfer gegen ein korrumpiertes System: Subjektivierung in Rechtsintellektuellen-Diskursen (Malte Janzing)
Der Beitrag untersucht die Subjektivierung einer selbsternannten aktuellen rechtsintellektuellen Elite, die sich um das Institut für Staatspolitik und namentlich Götz Kubitschek formiert und mit der Behauptung einer Tradition rechtsintellektuellen Denkens von der Konservativen Revolution zur Zeit der Weimarer Republik bis heute verbunden ist. Dafür werden Buch- und Zeitschriftenpublikationen sowie Zeitungsinterviews und Hintergrundartikel von zentralen Akteur:innen ausgewertet und die Subjektposition eines „introvertierten, querulantischen Widerstandskämpfers gegen ein korrumpiertes System“ rekonstruiert. Die Wissenssoziologische Diskursanalyse nach Keller (2005) stellt den theoretischen Rahmen zur Bestimmung des Verhältnisses von (rechtsintellektueller) Subjektivität und Diskurs dar, ebenso wie sie mit dem Konzept der Subjektposition das zentrale Analyseinstrument bereitstellt. Die Auswertung erfolgt mithilfe von Strategien der Grounded Theory (Strauss/Corbin 1996). Abschließend wird die Bedeutung von (Dis‐)Kontinuitätskonstruktionen zur Konservativen Revolution und die Rolle des Feuilletons für rechtsintellektuelle Subjektivität diskutiert. Schlüsselbegriffe: Rechtsintellektualität, Neue Rechte, Subjektivierung, Konservative Revolution, Institut für Staatspolitik, Wissenssoziologische Diskursanalyse
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Antisemitismus und Antifeminismus in Covid-19-Verschwörungsmythen (Philipp Polta)
Der Beitrag untersucht im Zuge der Covid-19-Pandemie aufgekommene Verschwörungsmythen auf Verschränkungen von Antisemitismus und Antifeminismus. Antisemitismus und Antifeminismus werden dabei als Weltanschauungen begriffen, welche u. a. in Verschwörungsmythen zu ihrem Ausdruck gelangen. Sowohl Antisemitismus als auch Antifeminismus sind in allen Bereichen der Gesellschaft verbreitet. Die Basis dieses Beitrags bildet eine Untersuchung der Telegramkanäle der Verschwörungsideolog:innen Attila Hildmann, Eva Herman und Oliver Janich im Zeitraum vom 20. Juli 2020 bis 07. August 2020. Die Telegramkanäle wurden frame-analytisch untersucht und gängige Verschwörungsmythen dadurch rekonstruiert. Diese wurden auf ihren antisemitischen und antifeministischen Gehalt und deren spezifische Verschränkung untersucht. Antifeminismus, der im vorliegenden Fall deutlich auf die Diskurse um Abtreibung und Prostitution zurückgreift, wirkt dabei in einer verstärkenden Funktion auf die antisemitische Projektionsfläche in den Verschwörungsmythen. Schlüsselbegriffe: Antisemitismus, Antifeminismus, Verschwörungsmythen
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Antifeminismus und naturalisierte Differenzvorstellungen – Ergänzungen zur Messung antiegalitärer Überzeugungen (Mara Simon & Raphael Kohl)
In diesem Beitrag stellen wir zwei Skalen zur Messung zeitgenössischer antiegalitärer Einstellungen vor. Die Skala Antifeminismus misst gesamtgesellschaftlich anschlussfähige Versatzstücke antifeministischer Diskurse und erlaubt Untersuchungen antifeministischen Mobilisierungspotentials. Damit stellt sie eine wichtige Ergänzung zu aktuellen Messinstrumenten, welche spezifische Strömungen fokussieren, dar. Die Skala Naturalisierung misst naturalisierte Differenzvorstellungen von Geschlechterverhältnissen, einem zentralen Bestandteil sexistischer und antifeministischer Überzeugungen und ergänzt die klassische Messung sexistischer Einstellungen um zeitgenössische Ausdrucksformen. Beide Skalen werden mittels konfirmatorischer Faktoranalysen validiert. Ihr Zusammenhang mit klassischen Messinstrumenten wird mittels Strukturgleichungsmodellen untersucht. Wir können zeigen, dass unsere Skalen verwandte, aber unterschiedliche Phänomene messen und in einem sinnvollen Zusammenhang mit etablierten Messinstrumenten stehen. Beide Skalen können einen Beitrag zur quantitativen Untersuchung von antiegalitären Weltanschauungen in der Bevölkerung leisten. Schlüsselbegriffe: Sexismus, Naturalisierte Differenzvorstellungen, Antifeminismus, Skalenentwicklung, Strukturgleichungsmodelle
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Wissenschaftsbezogener Rechtspopulismus/-extremismus an Hochschulen – Perspektiven von Betroffenen (Christoph Haker & Lukas Otterspeer)
Mit dem Begriff wissenschaftsbezogener Rechtspopulismus/-extremismus fokussiert der Beitrag solche (extrem) rechten Organisationen, Praktiken und Diskursstrategien, die sich auf das Feld der Wissenschaft beziehen. Dabei rückt in einer qualitativen Interview-Studie die Betroffenenperspektive in den Mittelpunkt, die ein blinder Fleck der Forschung ist: Wie nehmen Betroffene wissenschaftsbezogenen Rechtspopulismus/-extremismus wahr und welche Umgangsweisen finden sie? Präsentiert werden Ergebnisse zur widersprüchlichen Erscheinungsform von wissenschaftsbezogenem Rechtspopulismus/-extremismus. Neben erwartbaren Phänomenen (zum Beispiel (kultur‐)rassistischen, misogynen, antidemokratischen und verschwörungstheoretischen Positionierungen) zeigt sich dieser insofern widersprüchlich, als dass er zwischen Inanspruchnahme von Wissenschaftlichkeit sowie Wissenschaftsfreiheit auf der einen Seite und Wissenschaftsfeindlichkeit auf der anderen Seite oszilliert. Er trifft mit Hochschulen auf Institutionen, deren Strukturen einen kritischen Umgang erschweren, und er wirkt weit über die jeweils konkreten Situationen seines Erscheinens hinaus. Unsere Analysen untermauern die Notwendigkeit, die Bedeutung von wissenschaftsbezogenem Rechtspopulismus/-extremismus in seiner Widersprüchlichkeit über die jeweiligen Situationen hinaus zu erkennen und wissenschaftsspezifische Antworten zu finden, die dieser Widersprüchlichkeit Rechnung tragen – und sind damit eine Aufforderung an Hochschulen und alle dort tätigen Personen. Schlüsselbegriffe: Interview, Rechtspopulismus, Rechtsextremismus, Wissenschaft, Wissenschaftsfreiheit, Wissenschaftsfeindlichkeit
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Parallelen und Differenzen im Umgang mit extrem rechten Jugendlichen im Ost-West-Verhältnis. Eine machtkritische Analyse des Diskurses um die akzeptierende Jugendarbeit und das Aktionsprogramm gegen Aggression und Gewalt (Stefanie Lindner)
Die extrem rechte Gewalt der 1990er-Jahre war von Debatten in öffentlichen Medien, Erziehungswissenschaften und Sozialer Arbeit begleitet. Jedoch mangelt es der Jugendarbeit bis heute an Konzepten für den Umgang mit extrem rechten Jugendlichen. Der Artikel analysiert Fachliteratur zum Aktionsprogramm gegen Aggression und Gewalt (AgAG), das 1992 als Modelprogramm in den damaligen neuen Bundesländern implementiert wurde, und zum Konzept der akzeptierenden Jugendarbeit, das Ende der 1980er-Jahre in Bremen entwickelt wurde. Eine Grounded Theory basierte Literaturanalyse arbeitet Parallelen und Differenzen heraus. Eine bis heute gängige Annahme, das Scheitern pädagogischer Maßnahmen gegen extrem rechte Gewalt sei direkte Folge der Bedingungen der Transformationsgesellschaft, wird dadurch infrage gestellt. Vielmehr zeigt sich, dass die spezifische Form der Entpolitisierung extrem rechter Gewalt nicht erst in der Praxis der AgAG-Projekte entstand, sondern bereits in der Literatur zur akzeptierenden Jugendarbeit konzeptuell verankert war. Der Artikel nutzt zwei machtkritische Ansätze, die unterstreichen, dass West-Ost als hierarchisierendes Ordnungsmoment bei der Bewertung pädagogischer Arbeit im Kontext von Rechtsextremismus Einfluss haben könnte. Schlüsselbegriffe: Rechtsextremismus, akzeptierende Jugendarbeit, AgAG, Transformationsgesellschaft, Ostdeutschland, Dominanzkultur
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