Inhalt
ZRex – Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung
2-2024: Freie Beiträge
Beiträge
Andreas Jensen: Wie eine „umgekehrte Psychoanalyse“: Überlegungen zum Propagandabegriff der Kritischen Theorie und dessen Potenzial für die Rechtsextremismusforschung
Fiona Kalkstein / Marius Dilling: „1989“ als Mythos – Apokalypse als Neuanfang. Eine tiefenhermeneutische Fallanalyse der apokalyptischen Narrative und der Wendebezüge auf den Corona-Protesten
Kemal Bozay / Mihri Özdoğan / Stefan Borrmann / Nikolai Anders: Ungleichwertigkeitsideologien in der Post-Migrationsgesellschaft. Ursachen und Formen des türkischen Rechtsextremismus in Deutschland und ihre Auswirkungen auf türkeistämmige Jugendmilieus als Herausforderung für die politische Bildung
Josephine B. Schmitt / Julia R. Winkler: Populistische Stimmen in extremistischen Online-Videos – eine Inhaltsanalyse von rechtsextremen und islamistischen YouTube-Videos
Daniel Keil: Europa gegen die EU: Aktualisierungen extrem rechter Europa-Imaginationen in der Krise der EU
Karina Korneli: Erziehung, Familie und Geschlecht im völkischen Neoliberalismus und völkischen Antikapitalismus
Forum
Damian Groten / Martina Ortner / Clarissa Rudolph: Interdisziplinäre Untersuchungen der extremen Rechten in Bayern – Start des Forschungsverbundes ForGeRex
Rezensionen
Benjamin Opratko: Wellgraf, Stefan & Hentschel, Christine (Hrsg.). (2022). Rechtspopulismen der Gegenwart. Kulturwissenschaftliche Irritationen
Hans-Ulrich Probst: Rhein, Philipp (2023). Rechte Zeitverhältnisse. Eine soziologische Analyse von Endzeitvorstellungen im Rechtspopulismus
Viktoria Kamuf: Bringt, Friedemann; Mayer, Marion; Warrach, Nora & Lehnert, Esther (Hrsg.). (2023). Beratung zu Rechtsextremismus und Demokratiegefährdung. Konzepte – Herausforderungen – intersektionale Perspektiven
Wolfgang Frindte: Mau, Steffen; Lux, Thomas & Westheuser, Linus (2023). Triggerpunkte. Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft sowie Mau, Steffen (2024). Ungleich vereint. Warum der Osten anders bleibt
Stefanie Mayer: Scrinzi, Francesca (2024). The Racialization of Sexism. Men, Women and Gender in the Populist Radical Right (Series: Gender and comparative Politics 10)
Einzelbeitrag-Download (Open Access): zrex.budrich-journals.de
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Abstracts
Wie eine „umgekehrte Psychoanalyse“: Überlegungen zum Propagandabegriff der Kritischen Theorie und dessen Potenzial für die Rechtsextremismusforschung (Andreas Jensen)
Der Beitrag unternimmt eine Reflexion jener psychosozialen Mechanismen, mit deren Hilfe ein Begriff von Propaganda für die Rechtsextremismusforschung gerahmt werden kann. Um einen solchen Propagandabegriff formulieren zu können, werden grundlegende Überlegungen ausgewählter Kritischer Theoretiker zu Propaganda und Agitation diskutiert. Dabei wird vorgeschlagen, dass Propaganda der extremen Rechten in Abgrenzung zu anderen politischen Mobilisierungsformen als eine regressiv wirkende Sozialisationsagentur verstanden werden kann. Um die Relevanz der dargelegten Überlegungen zu verdeutlichen, analysiert der Autor einen Ausschnitt einer politischen Rede von Björn Höcke (AfD), anhand der die doppelbödige Wirkungsweise extrem rechter Propaganda ausgearbeitet wird. So tritt in Höckes Ansprache gegen die deutsche Asylpolitik beispielhaft die ambivalente Adressierung extrem rechter Propaganda hervor, die ihrem Publikum einerseits narzisstische Aufwertung verspricht, dieses anderseits aber auch beständig klein macht und kränkt. Im Rahmen eines solchen doppelbödigen Erlebnisangebots jedoch, so wird zu zeigen versucht, macht extrem rechte Propaganda rechtsextreme Ideologiefragmente emotional attraktiv, insofern sie diese als verheißungsvolle Lösung für jene Konflikte und Beschädigungen darbietet, die extrem rechte Propaganda wiederum manipulativ verstärkt. Schlüsselbegriffe: Propaganda, Rechtsextremismus, Kritische Theorie, Psychoanalytische Sozialpsychologie, Erlebnisangebot, Björn Höcke
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„1989“ als Mythos – Apokalypse als Neuanfang Eine tiefenhermeneutische Fallanalyse der apokalyptischen Narrative und der Wendebezüge auf den Corona-Protesten (Fiona Kalkstein & Marius Dilling)
Der Beitrag widmet sich der Frage, welche psychosoziale Rolle die Bezüge zu „1989“, die damit verwobenen apokalyptischen Narrative und Verschwörungsideen auf den Corona- und den nachfolgenden Protesten spielen. Grundlage bildet eine tiefenhermeneutische Fallanalyse. Es zeigt sich, dass die kollektiven Narrative auf den ostsächsischen Protesten einerseits ermöglichen, Aggression kompromisshaft auszuagieren und andererseits dazu beitragen, Ohnmacht, Schwäche und Schuldgefühle abzuwehren. Dass das ideologische Angebot, die Ereignisse um den Gesellschaftszusammenbruch wieder dauerhaft in die Gegenwart zu holen, auf derart fruchtbaren Boden stößt, wird mit der jüngeren deutschdeutschen Geschichte als ambivalenten Erfahrungsraum in Verbindung gebracht. Während über das Geschehen gesprochen werden kann, ist die emotionale Relevanz sowohl gesellschaftlich als auch individuell unzureichend verarbeitet. Schlüsselbegriffe: Apokalypse, Verschwörungsmentalität, Rechtsextremismus, Mythos, Palingenese, 1989
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Ungleichwertigkeitsideologien in der Post-Migrationsgesellschaft Ursachen und Formen des türkischen Rechtsextremismus in Deutschland und ihre Auswirkungen auf türkeistämmige Jugendmilieus als Herausforderung für die politische Bildung (Kemal Bozay, Mihri Özdoğan, Stefan Borrmann & Nikolai Anders)
Rechtsextreme, rassistische und antisemitische Einstellungen sind derzeit in Jugendmilieus weit verbreitet. In der Post-Migrationsgesellschaft gewinnen türkisch rechtsextreme Bewegungen, wie die Ülkücü-Bewegung (auch bekannt als Graue Wölfe), an Einfluss und begeistern türkeistämmige Jugendliche für ultra-nationalistische Mobilisierungen. Diese Entwicklung schafft einen Nährboden für Gewalt, Hass und Demokratiefeindlichkeit unter jungen Menschen. Im November 2020 beschloss der Deutsche Bundestag einen parteiübergreifenden Antrag unter dem Motto „Nationalismus und Rassismus die Stirn bieten – Einfluss der Ülkücü-Bewegung zurückdrängen“, um auf die Gefahr des „türkischen Rechtsextremismus in Deutschland“ aufmerksam zu machen. Der Antrag forderte eine konsequente Bekämpfung aller Formen von Rechtsextremismus in Deutschland und die Prüfung eines Verbots der Ülkücü-Bewegung. Diese Entwicklungen stellen die politische Bildung und Soziale Arbeit vor die Herausforderung, neue Strategien zur Radikalisierungsprävention zu entwickeln. Diese Strategien müssen zwingend eine rassismuskritische Perspektive einnehmen. Schlüsselbegriffe: türkischer Rechtsextremismus, Ungleichwertigkeitsideologien, rassistische Einstellungen, türkeistämmige Jugendmilieus, Ülkücü-Bewegung, Radikalisierungsprävention
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Populistische Stimmen in extremistischen Online-Videos – eine Inhaltsanalyse von rechtsextremen und islamistischen YouTube-Videos (Josephine B. Schmitt & Julia R. Winkler)
Populistische und extremistische Akteur:innen gewinnen unabhängig von ihrer ideologischen Verortung stetig an Popularität. Digitale Medien spielen dabei eine zentrale Rolle. Obwohl in Medienberichten spekuliert wird, dass das von Populist:innen geschaffene einfache Weltbild zu extremeren Positionen beiträgt, gibt es bisher keine Untersuchungen dazu, inwiefern Extremist:innen in ihren Mitteilungen auf populistische Kommunikationsmuster zurückgreifen. Außerdem gibt es keine Studie, welche unterschiedliche Ideologien diesbezüglich gegenüberstellt. Die vorliegende Studie schließt diese Lücke und präsentiert eine quantitative Inhaltsanalyse von N=51 extremistischen YouTube-Videos (n=25 rechtsextremistisch, n=26 islamistisch extremistisch). Die Ergebnisse zeigen, dass 30 Prozent der Videos die drei zentralen Elemente des Populismus aufweisen (Volkszentrismus, Anti-Elitismus und Wiederherstellung der Souveränität). Zudem unterscheiden sich rechtsextremistische und islamistische Videos nur geringfügig hinsichtlich der verwendeten populistischen Kommunikationsmuster. Schlüsselwörter: Populismus, YouTube, Inhaltsanalyse, extremistische Propaganda
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Europa gegen die EU: Aktualisierungen extrem rechter Europa-Imaginationen in der Krise der EU (Daniel Keil)
Die letzten 10 Jahre der Europäischen Union sind geprägt durch zahlreiche Krisen, die sich derart gegenseitig verstärkt haben, dass die Existenz der EU selbst infrage steht. Zentraler Bestandteil der Bearbeitung der Krisen sind daher Debatten um die Zukunft der EU respektive Europas. Gleichzeitig haben weite Teile der extremen Rechten ihre Europa-Imaginationen vor dem Hintergrund dieser Krisen aktualisiert. Ein zentrales Motiv ist dabei die Entgegensetzung eines ‚wahren Europas‘ gegen die EU. Der Beitrag analysiert die inhaltlichen Dimensionen und politisch-strategischen Implikationen dieses Motivs und situiert sie in der Krise der EU. Extrem rechte Imaginationen von Europa sind Teil der Versuche, autoritäre Veränderungen der institutionellen Struktur der EU zu erreichen. Vor dem Hintergrund hegemonietheoretischer, wissenspolitologischer und ideologiekritischer Überlegungen werden Aussagen extrem rechter Akteur*innen zu Europa untersucht und in Kategorien eingeteilt. Diese einzelnen ideologischen Versatzstücke verstehe ich als Elemente einer großen Diskursformation, die spezifische strategische Implikationen aufweisen. Schlüsselbegriffe: Europa, Europäische Union, extreme Rechte, Europa-Imaginationen der extremen Rechten, Krise, Autoritarismus
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Erziehung, Familie und Geschlecht im völkischen Neoliberalismus und völkischen Antikapitalismus (Karina Korneli)
Aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive befasst sich der Beitrag mit Gesellschaftsentwürfen der Neuen Rechten auf Basis ihrer divergierenden sozial- und wirtschaftspolitischen Konzeptionen. Beispielhaft für den völkischen Neoliberalismus wird das Buch „Alternative Politik“ (2017) von Felix Menzel herangezogen und auf Vorstellungen von Erziehung und Familie sowie geschlechterordnenden Implikationen untersucht. Dem gegenüber wird das Buch „Solidarischer Patriotismus“ (2021) von Benedikt Kaiser als Vertreter des völkischen Antikapitalismus einer kritischen Betrachtung unterzogen. Es zeigt sich, dass beiden Entwürfen völkische Familien- und Geschlechterbilder zugrunde liegen. Aufgrund der zentralen Rolle, die die Familie als Gegenhalt zur wirtschaftlichen Konkurrenzlogik im völkischen Neoliberalismus spielt, kommt dieser in Menzels Ausführungen eine vergleichsweise prominente Position zu. Auf der anderen Seite speist sich Kaisers Entwurf aus einem rassistisch-exklusiven Solidaritätspostulat, dem vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Individualisierungstendenzen eine gewisse Verfänglichkeit zukommt. Der Beitrag schließt mit dem Appell an die Erziehungswissenschaft, einem solchen neurechten Vorstoß ein inklusives Solidaritätsangebot entgegenzustellen. Schlüsselbegriffe: Neue Rechte, völkischer Neoliberalismus, völkischer Antikapitalismus, Erziehung, Familie, Geschlecht
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