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ISSN: 1868-7245

GENDER 1-2022 | Prostitution und Sexarbeit

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ISSN: 1868-7245

Inhalt

GENDER – Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft
1-2022: Prostitution und Sexarbeit
Hrsg.: Sabine Grenz / Heike Mauer / Nicola Behrmann / Martin Lücke / Romana Sammern

Sabine Grenz / Heike Mauer / Nicola Behrmann / Martin Lücke / Romana Sammern: Vorwort: Prostitution und Sexarbeit

Schwerpunkt/Essays
Sarah Baumann: Das Leumundszeugnis „der Prostituierten“. Zum Engagement des Genfer Vereins Aspasie für erweiterte Erwerbsmöglichkeiten von Sexarbeiterinnen (1982–1989)
Joana Lilli Hofstetter: Gegen das Gefühl der Ohnmacht – politische Selbstorganisierung von Sexarbeitenden im Kontext des Prostituiertenschutzgesetzes
Tom Fixemer / Verena Hucke: Queere Geflüchtete und die Diskursivierung des ‚Anderen‘ in Debatten um Sexarbeit, ‚Willkommenskultur‘ und Schutz
Rakiya El Matine / Niklas Heuser: Much Loved: eine Analyse intersektionaler Diskriminierung marokkanischer Sexarbeiter*innen und deren Repräsentation
Jutta Krauß: Queeres Begehren on Stage

Offener Teil/Essays: Open Part
Anna Carolin Müller / Ulla Stackmann: Kritik patriarchaler Macht und Sprache in Kathy Ackers Blood and Guts in High School
Diana Lengersdorf / Michael Meuser: Männlichkeiten zwischen Neujustierung und Wandel? Persistenzen hegemonialer Männlichkeit
Simon Moses Schleimer: Einschließungen und Ausgrenzungen im Spannungsfeld der sozialen Kategorien Geschlecht, Ethnizität und Religion. Intersektionale Perspektiven auf die Bildungsbiografien junger Musliminnen in Malaysia
Christiane Leidinger: Freiheitsaktionen der Frauenbewegung: die kollektiven Busfahrten zu Schwangerschaftsabbrüchen in die Niederlande (1975–1977) als Form ver-körperten Protests

Rezensionen/Book Reviews
Judith Conrads: Heike Mauer/Johanna Leinius (Hrsg.), 2021: Intersektionalität und Postkolonialität. Kritische feministische Perspektiven auf Politik und Macht
Anna Steenblock: Ingrid Artus, Nadja Bennewitz, Annette Henninger, Judith Holland, Stefan Kerber-Clasen (Hrsg.), 2020: Arbeitskonflikte sind Geschlechterkämpfe. Sozialwissenschaftliche und historische Perspektiven
Andreas Schulz: Kathrin Ganz/Jette Hausotter, 2020: Intersektionale Sozialforschung
Patricia Kleßen: Sarah Czerney, Lena Eckert, Silke Martin (Hrsg.), 2020: Mutterschaft und Wissenschaft. Die (Un-)Vereinbarkeit von Mutterbild und wissenschaftlicher Tätigkeit

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Publisher

ISSN

1868-7245

eISSN

2196-4467

Volume

14. Jahrgang 2022

Edition

1

Date of publication

25.03.2022

Scope

164

Language

Deutsch

Format

17 x 24 cm

DOI

https://doi.org/10.3224/gender.v14i1

Open-Access-Lizenz

https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de

Homepage

https://gender.budrich-journals.de

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Autor*innen

Keywords

Aktivismus, Bildung, Bühne, Bündnispolitiken, Germany, Devianz, Ernährer, Erotik, Ethnizität, Filmanalyse, Frauenbewegung, Freiheit, Geschlecht, Geschlechterverhältnisse, Gruppendiskussionen, hegemoniale Männlichkeit, Identität, Intersektionalität, Kathy Acker, Leidenschaft, Malaysia, Marokko, Metafiktion, neue Frauenbewegungen, performance, Postmoderne, Praxis- und Diskursanalyse, Prostituiertenschutzgesetz, Prostutition, Protest, Punk-Literatur, queer migration, queeres Begehren, Religion, Resozialisierung, Schutz, Schwangerschaftsabbruch, Schweiz, Selbsthilfe, Sexarbeit, sexualisierte Gewalt, sexuelle Arbeit, soziale Bewegungen, sozialer Wandel, Subversion, Transnationalität, Un_Sichtbarkeiten, US-Literatur, Willkommenskultur

Abstracts

Das Leumundszeugnis „der Prostituierten“. Zum Engagement des Genfer Vereins Aspasie für erweiterte Erwerbsmöglichkeiten von Sexarbeiterinnen (1982–1989) (Sarah Baumann)
Bis 1989 verweigerten die Genfer Behörden Sexarbeiterinnen ein Leumundszeugnis mit der Begründung, dass Prostitution einen besonders „unehrenhaften“ Charakter zum Ausdruck bringe. Sexarbeiterinnen brauchten aber ein solches Zeugnis, wenn sie einer anderen Erwerbstätigkeit nachgehen wollten. Die Praktik der Genfer Behörden verfestigte gesellschaftliche Deutungen, die in der Sexarbeit tätige Frauen auf eine Identität als „Prostituierte“ festlegten und fixierten. Denn die Folge der Genfer Regelung war, dass eine berufliche Neu- und Umorientierung für Sexarbeiterinnen massiv erschwert wurde. Im Genfer Verein Aspasie organisierte Sex- und Sozialarbeiterinnen wehrten sich ab Beginn der 1980er-Jahre gegen diese Regelung und erreichten, dass sie 1989 aufgehoben wurde. Für ihren Widerstand war es zentral, „Prostituierte“ als Identitätszuschreibung aufzubrechen und als Erwerbsarbeit sichtbar zu machen. Denn erst die Anerkennung von Prostitution als Arbeit eröffnete aus ihrer Perspektive die Freiheit, sich auch gegen die Sexarbeit und für eine andere Erwerbstätigkeit zu entscheiden. Schlüsselwörter: Sexarbeit, Neue Frauenbewegungen, Identität, Devianz, Resozialisierung, Schweiz
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Gegen das Gefühl der Ohnmacht – politische Selbstorganisierung von Sexarbeitenden im Kontext des Prostituiertenschutzgesetzes (Joana Lilli Hofstetter)
Im Kontext der Pläne zum Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) organisierten sich Sexarbeitende in Deutschland ab 2013 kollektiv, um kontrollierende und repressive Maßnahmen abzuwehren. Der Beitrag zeichnet die Entwicklung dieser politischen Selbstorganisierung bis zur Verabschiedung des ProstSchG in 2016 nach. Basierend auf einer zweijährigen enthnografischen Forschung mit politisch aktiven Sexarbeitenden stelle ich dar, wie sich Sexarbeitende im Feld der Prostitutionspolitik positionierten, in welchem Verhältnis andere politische Akteur_innen zu ihnen standen und welche Ambivalenzen und Konfliktlinien sich bildeten. Sexarbeitende scheiterten schließlich in ihrem Ziel, das ProstSchG zu verhindern. Mit dessen Verabschiedung trat zwar eine Ernüchterung, jedoch auch eine Diversifizierung der Selbstorganisierung ein. Sexarbeitende waren daher erfolgreich darin, eine anhaltende Bewegung aufzubauen, die seither etablierte Akteurin in der sich weiter transformierenden deutschen Prostitutionspolitik ist. Schlüsselwörter: Sexarbeit, Aktivismus, Prostituiertenschutzgesetz, Bündnispolitiken, Soziale Bewegungen, Deutschland
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Queere Geflüchtete und die Diskursivierung des ‚Anderen‘ in Debatten um Sexarbeit, ‚Willkommenskultur‘ und Schutz (Tom Fixemer, Verena Hucke)
Unter Bezugnahme theoretischer Perspektiven zu postkolonialem Othering und diskursiven Grenzziehungen fragt dieser Beitrag nach den Un_Sichtbarmachungen und Ver-Anderungen von queeren Geflüchteten in Debatten um Sexarbeit, ‚Willkommenskultur‘ und Schutz. Anhand dieser drei Debatten werden diskursive Grenzziehungen entlang der Analysekategorie Un_Sichtbarmachungen unter besonderer Berücksichtigung der Verschränkung von Queerness und Migration/Flucht herausgearbeitet. Deutlich wird, inwiefern queere Geflüchtete im Kontext von Sexarbeit (strategisch) unsichtbar gemacht und auf eine vulnerable Position festgeschrieben werden sowie sexuell-geschlechtliche Selbstbestimmung weitreichend determiniert oder gar aberkannt ist. Schlüsselwörter: Queer Migration, Willkommenskultur, Schutz, Sexualisierte Gewalt, Sexuelle Arbeit, Un_Sichtbarkeiten
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Much Loved: eine Analyse intersektionaler Diskriminierung marokkanischer Sexarbeiter*innen und deren Repräsentation (Rakiya El Matine, Niklas Heuser)
Der Beitrag beschäftigt sich mit den Interdependenzen der Diskriminierung, die Sexarbeiter*innen in Marokko erfahren. Ausgangspunkt der Analyse ist der 2015 erschienene Spielfilm Much Loved von Nabil Ayouch, welcher als Repräsentation gesellschaftlicher Praxen und Diskurse verstanden und anhand einer intersektionalen Mehrebenenanalyse der marokkanischen Sexarbeit kontextualisiert wird. Die Analyse stellt vor allem den strukturellen und repräsentationalen Charakter der Intersektionalität heraus. Schlüsselwörter: Sexarbeit, Intersektionalität, Marokko, Praxis- und Diskursanalyse, Filmanalyse
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Queeres Begehren on Stage (Jutta Krauß)
Im Mittelpunkt des Beitrags steht ein Sharing von Gerard X Reyes, das vom Theorem der Sexarbeit inspiriert wird. Das Sharing des Choreografen, Tänzers, Lehrers, zertifizierten Sexological Bodyworkers, Intimacy Coordinators und Montreal Kiki Ballroom Scene Pioniers Reyes wird im Sinne einer tanzwissenschaftlichen Aufführungsanalyse diskursiv verhandelt. Dabei basiert der Prozess der Bedeutungszuschreibung auf der Grundlage einer Foucault’schen Diskursanalyse. Das generierte Anschauungsmodell erfolgt zwar entlang der Aufführung, ist aber stets nur eine Analyse der Aufführung, die ihren eigenen Diskurs erzeugt. Es wird davon ausgegangen, dass Darstellungen und Verweise zu Sexarbeit am Körper und seinen Materialisierungsprozessen befragbar sind und in Verkörperungsprozessen sowie Darstellungsweisen zum Ausdruck kommen. Im Fokus der Analyse steht eine Bedeutungsgenerierung, in welcher Reyes’ Performance als ästhetische und ethische Situation im Theaterraum im Kontext der Konzepte Erotik, Leidenschaft, Begehren sowie der Kategorien sex, gender und desire betrachtet wird. Dies führt dazu, dass die Performance als Ausdruck eines queeren Begehrens begrifflich bestimmt wird. Schlüsselwörter: Queeres Begehren, Erotik, Leidenschaft, Performance, Bühne
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Kritik patriarchaler Macht und Sprache in Kathy Ackers Blood and Guts in High School (Anna Carolin Müller, Ulla Stackmann)
Die US-Amerikanerin Kathy Acker gilt als wegweisende Autorin für die radikal dekonstruktivistische Literatur. Besonders ihr 1984 publizierter Roman Blood and Guts in High School wird vielfach als feministisches Manifest gefeiert. In dem Roman stellt Acker die gewaltsame Unterdrückung von Frauen auf radikalste Weise dar und bespricht Themen wie Vergewaltigung, sexuellen Missbrauch und soziale Ungleichheit. Unser Beitrag untersucht die literarischen Mittel, derer sich Acker in dem Roman bedient, um eine tiefgreifende Kritik an gesellschaftlichen Strukturen zu entwerfen, insbesondere im Hinblick auf das patriarchale Sprachsystem und den literarischen Kanon. Die Analyse des Textes zieht die Frage nach sich, inwiefern drastische Darstellungsformen und eine avantgardistische Ästhetik Gefahr laufen, den potenziell subversiven Inhalt des Romans als Gewaltexzess erscheinen zu lassen, wie zum Beispiel das Verbot des Romans in der BRD 1985 belegt. Schlüsselwörter: Kathy Acker, US-Literatur, Subversion, Punk- Literatur, Postmoderne, Metafiktion
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Männlichkeiten zwischen Neujustierung und Wandel? Persistenzen hegemonialer Männlichkeit (Diana Lengersdorf, Michael Meuser)
Zentrales Element hegemonialer Männlichkeit ist die enge Verwobenheit von Männlichkeiten und Erwerbsarbeit, die sich u. a. in der Figur des Ernährers der Familie manifestiert. Weltweit lassen sich Veränderungen feststellen, die Alternativen und neue Möglichkeitsräume erkennen lassen. Die konzeptionelle Einordnung dieser empirischen Phänomene steht allerdings noch am Anfang. Inwiefern es sich dabei um mehr als einen gesellschaftlichen Wandel handelt, sondern um ein grundlegend verändertes „In-der-Welt-Sein“, wollen wir anhand von in Gruppendiskussionen gewonnenen Daten für Deutschland diskutieren. Durch drei Fälle hindurch können wir zeigen, dass die Figur des Ernährers auf der einen Seite als klassisch, traditionell und auch veraltet verstanden und als solche zumindest in Teilen zurückgewiesen wird, auf der anderen Seite lassen sich in diesen Fällen auch Hinweise finden, dass sich der Ernährer nach wie vor zur Hegemonialisierung in der konkreten Praxis eignet. Instruktiv ist die Falldiskussion daher vor allem auch, da die Schilderungen der Diskussionsteilnehmer nachdrücklich verdeutlichen, wie hegemoniale Männlichkeit in der Praxis funktioniert: als Anrufung, der man sich nicht entziehen kann. Schlüsselwörter: Hegemoniale Männlichkeit, Ernährer, Geschlechterverhältnisse, Sozialer Wandel, Gruppendiskussionen
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Einschließungen und Ausgrenzungen im Spannungsfeld der sozialen Kategorien Geschlecht, Ethnizität und Religion. Intersektionale Perspektiven auf die Bildungsbiografien junger Musliminnen in Malaysia (Simon Moses Schleimer)
Der Beitrag nimmt eine intersektionalitätstheoretische Perspektive ein, um die spezifische Verflechtung der sozialen Kategorien Geschlecht, Ethnizität und Religion und deren Auswirkung auf die Handlungsspielräume junger muslimischer Studentinnen in Malaysia im Kontext ihrer Bildungsbiografien herauszuarbeiten. Dafür wurden zwölf narrative Interviews mit jungen Musliminnen in Malaysia geführt und in Anlehnung an die Methode des Szenischen Verstehens nach Lorenzer ausgewertet. Zwei der Interviews werden in Form von Einzelfällen vorgestellt. Sie zeigen auf, dass die soziale Kategorie Religion eine relevante Sinnressource sowie Legitimationsquelle für das soziale Handeln der jungen Frauen im Kontext ihrer Bildungsbiografien darstellt. Schlüsselwörter: Intersektionalität, Geschlecht, Religion, Ethnizität, Bildung, Malaysia
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Freiheitsaktionen der Frauenbewegung: die kollektiven Busfahrten zu Schwangerschaftsabbrüchen in die Niederlande (1975–1977) als Form ver-körperten Protests (Christiane Leidinger)
Der Beitrag setzt sich mit einer politischen Aktion(sform) auseinander, mit der feministisch gegen das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen protestiert wurde. Die transnationale Aktionsform der kollektiven Busfahrten in die Niederlande wird dabei als (doppelsinnige) Freiheitsaktion und vier-dimensional ver-körperte Direkte Aktion im Sinne anarchistischer Selbsthilfe am bundesdeutschen Staat vorbei analysiert. Es handelte sich um eine frauenbewegte Handlungsoffensive machtvoller Gemeinschaftlichkeit, die, 1975 beginnend, solidarische Kollektivität und Öffentlichkeit als Strategie nutzte, um eine faktische Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechts zu erwirken: In der Form der politischen Aktion wurde das Ziel selbst sichtbar gemacht (Konkretheit) und dieses unmittelbar durch die Abtreibungen erreicht (Implementierung). Empowernd schuf die Aktionsform selbstorganisierte Handlungsspielräume, wies dabei Angst und Scham zurück und delegitimierte das Gesetz. Nach einer reflexiven Kritik wurde die Aktionsform 1977 eingestellt. Resümierend werden die vorliegenden 11 Prinzipien einer Konzeption feministischen Widerstands um die Aktionsformaspekte feministische Reflexion und Solidarität erweitert. Schlüsselwörter: Frauenbewegung, Protest, Selbsthilfe, Schwangerschaftsabbruch, Transnationalität, Freiheit
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GENDER – Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft
1-2022: Prostitution und Sexarbeit
Hrsg.: Sabine Grenz / Heike Mauer / Nicola Behrmann / Martin Lücke / Romana Sammern

Sabine Grenz / Heike Mauer / Nicola Behrmann / Martin Lücke / Romana Sammern: Vorwort: Prostitution und Sexarbeit

Schwerpunkt/Essays
Sarah Baumann: Das Leumundszeugnis „der Prostituierten“. Zum Engagement des Genfer Vereins Aspasie für erweiterte Erwerbsmöglichkeiten von Sexarbeiterinnen (1982–1989)
Joana Lilli Hofstetter: Gegen das Gefühl der Ohnmacht – politische Selbstorganisierung von Sexarbeitenden im Kontext des Prostituiertenschutzgesetzes
Tom Fixemer / Verena Hucke: Queere Geflüchtete und die Diskursivierung des ‚Anderen‘ in Debatten um Sexarbeit, ‚Willkommenskultur‘ und Schutz
Rakiya El Matine / Niklas Heuser: Much Loved: eine Analyse intersektionaler Diskriminierung marokkanischer Sexarbeiter*innen und deren Repräsentation
Jutta Krauß: Queeres Begehren on Stage

Offener Teil/Essays: Open Part
Anna Carolin Müller / Ulla Stackmann: Kritik patriarchaler Macht und Sprache in Kathy Ackers Blood and Guts in High School
Diana Lengersdorf / Michael Meuser: Männlichkeiten zwischen Neujustierung und Wandel? Persistenzen hegemonialer Männlichkeit
Simon Moses Schleimer: Einschließungen und Ausgrenzungen im Spannungsfeld der sozialen Kategorien Geschlecht, Ethnizität und Religion. Intersektionale Perspektiven auf die Bildungsbiografien junger Musliminnen in Malaysia
Christiane Leidinger: Freiheitsaktionen der Frauenbewegung: die kollektiven Busfahrten zu Schwangerschaftsabbrüchen in die Niederlande (1975–1977) als Form ver-körperten Protests

Rezensionen/Book Reviews
Judith Conrads: Heike Mauer/Johanna Leinius (Hrsg.), 2021: Intersektionalität und Postkolonialität. Kritische feministische Perspektiven auf Politik und Macht
Anna Steenblock: Ingrid Artus, Nadja Bennewitz, Annette Henninger, Judith Holland, Stefan Kerber-Clasen (Hrsg.), 2020: Arbeitskonflikte sind Geschlechterkämpfe. Sozialwissenschaftliche und historische Perspektiven
Andreas Schulz: Kathrin Ganz/Jette Hausotter, 2020: Intersektionale Sozialforschung
Patricia Kleßen: Sarah Czerney, Lena Eckert, Silke Martin (Hrsg.), 2020: Mutterschaft und Wissenschaft. Die (Un-)Vereinbarkeit von Mutterbild und wissenschaftlicher Tätigkeit

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1868-7245

eISSN

2196-4467

Volume

14. Jahrgang 2022

Edition

1

Date of publication

25.03.2022

Scope

164

Language

Deutsch

Format

17 x 24 cm

DOI

https://doi.org/10.3224/gender.v14i1

Open-Access-Lizenz

https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de

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Das Leumundszeugnis „der Prostituierten“. Zum Engagement des Genfer Vereins Aspasie für erweiterte Erwerbsmöglichkeiten von Sexarbeiterinnen (1982–1989) (Sarah Baumann)
Bis 1989 verweigerten die Genfer Behörden Sexarbeiterinnen ein Leumundszeugnis mit der Begründung, dass Prostitution einen besonders „unehrenhaften“ Charakter zum Ausdruck bringe. Sexarbeiterinnen brauchten aber ein solches Zeugnis, wenn sie einer anderen Erwerbstätigkeit nachgehen wollten. Die Praktik der Genfer Behörden verfestigte gesellschaftliche Deutungen, die in der Sexarbeit tätige Frauen auf eine Identität als „Prostituierte“ festlegten und fixierten. Denn die Folge der Genfer Regelung war, dass eine berufliche Neu- und Umorientierung für Sexarbeiterinnen massiv erschwert wurde. Im Genfer Verein Aspasie organisierte Sex- und Sozialarbeiterinnen wehrten sich ab Beginn der 1980er-Jahre gegen diese Regelung und erreichten, dass sie 1989 aufgehoben wurde. Für ihren Widerstand war es zentral, „Prostituierte“ als Identitätszuschreibung aufzubrechen und als Erwerbsarbeit sichtbar zu machen. Denn erst die Anerkennung von Prostitution als Arbeit eröffnete aus ihrer Perspektive die Freiheit, sich auch gegen die Sexarbeit und für eine andere Erwerbstätigkeit zu entscheiden. Schlüsselwörter: Sexarbeit, Neue Frauenbewegungen, Identität, Devianz, Resozialisierung, Schweiz
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Gegen das Gefühl der Ohnmacht – politische Selbstorganisierung von Sexarbeitenden im Kontext des Prostituiertenschutzgesetzes (Joana Lilli Hofstetter)
Im Kontext der Pläne zum Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) organisierten sich Sexarbeitende in Deutschland ab 2013 kollektiv, um kontrollierende und repressive Maßnahmen abzuwehren. Der Beitrag zeichnet die Entwicklung dieser politischen Selbstorganisierung bis zur Verabschiedung des ProstSchG in 2016 nach. Basierend auf einer zweijährigen enthnografischen Forschung mit politisch aktiven Sexarbeitenden stelle ich dar, wie sich Sexarbeitende im Feld der Prostitutionspolitik positionierten, in welchem Verhältnis andere politische Akteur_innen zu ihnen standen und welche Ambivalenzen und Konfliktlinien sich bildeten. Sexarbeitende scheiterten schließlich in ihrem Ziel, das ProstSchG zu verhindern. Mit dessen Verabschiedung trat zwar eine Ernüchterung, jedoch auch eine Diversifizierung der Selbstorganisierung ein. Sexarbeitende waren daher erfolgreich darin, eine anhaltende Bewegung aufzubauen, die seither etablierte Akteurin in der sich weiter transformierenden deutschen Prostitutionspolitik ist. Schlüsselwörter: Sexarbeit, Aktivismus, Prostituiertenschutzgesetz, Bündnispolitiken, Soziale Bewegungen, Deutschland
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Queere Geflüchtete und die Diskursivierung des ‚Anderen‘ in Debatten um Sexarbeit, ‚Willkommenskultur‘ und Schutz (Tom Fixemer, Verena Hucke)
Unter Bezugnahme theoretischer Perspektiven zu postkolonialem Othering und diskursiven Grenzziehungen fragt dieser Beitrag nach den Un_Sichtbarmachungen und Ver-Anderungen von queeren Geflüchteten in Debatten um Sexarbeit, ‚Willkommenskultur‘ und Schutz. Anhand dieser drei Debatten werden diskursive Grenzziehungen entlang der Analysekategorie Un_Sichtbarmachungen unter besonderer Berücksichtigung der Verschränkung von Queerness und Migration/Flucht herausgearbeitet. Deutlich wird, inwiefern queere Geflüchtete im Kontext von Sexarbeit (strategisch) unsichtbar gemacht und auf eine vulnerable Position festgeschrieben werden sowie sexuell-geschlechtliche Selbstbestimmung weitreichend determiniert oder gar aberkannt ist. Schlüsselwörter: Queer Migration, Willkommenskultur, Schutz, Sexualisierte Gewalt, Sexuelle Arbeit, Un_Sichtbarkeiten
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Much Loved: eine Analyse intersektionaler Diskriminierung marokkanischer Sexarbeiter*innen und deren Repräsentation (Rakiya El Matine, Niklas Heuser)
Der Beitrag beschäftigt sich mit den Interdependenzen der Diskriminierung, die Sexarbeiter*innen in Marokko erfahren. Ausgangspunkt der Analyse ist der 2015 erschienene Spielfilm Much Loved von Nabil Ayouch, welcher als Repräsentation gesellschaftlicher Praxen und Diskurse verstanden und anhand einer intersektionalen Mehrebenenanalyse der marokkanischen Sexarbeit kontextualisiert wird. Die Analyse stellt vor allem den strukturellen und repräsentationalen Charakter der Intersektionalität heraus. Schlüsselwörter: Sexarbeit, Intersektionalität, Marokko, Praxis- und Diskursanalyse, Filmanalyse
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Queeres Begehren on Stage (Jutta Krauß)
Im Mittelpunkt des Beitrags steht ein Sharing von Gerard X Reyes, das vom Theorem der Sexarbeit inspiriert wird. Das Sharing des Choreografen, Tänzers, Lehrers, zertifizierten Sexological Bodyworkers, Intimacy Coordinators und Montreal Kiki Ballroom Scene Pioniers Reyes wird im Sinne einer tanzwissenschaftlichen Aufführungsanalyse diskursiv verhandelt. Dabei basiert der Prozess der Bedeutungszuschreibung auf der Grundlage einer Foucault’schen Diskursanalyse. Das generierte Anschauungsmodell erfolgt zwar entlang der Aufführung, ist aber stets nur eine Analyse der Aufführung, die ihren eigenen Diskurs erzeugt. Es wird davon ausgegangen, dass Darstellungen und Verweise zu Sexarbeit am Körper und seinen Materialisierungsprozessen befragbar sind und in Verkörperungsprozessen sowie Darstellungsweisen zum Ausdruck kommen. Im Fokus der Analyse steht eine Bedeutungsgenerierung, in welcher Reyes’ Performance als ästhetische und ethische Situation im Theaterraum im Kontext der Konzepte Erotik, Leidenschaft, Begehren sowie der Kategorien sex, gender und desire betrachtet wird. Dies führt dazu, dass die Performance als Ausdruck eines queeren Begehrens begrifflich bestimmt wird. Schlüsselwörter: Queeres Begehren, Erotik, Leidenschaft, Performance, Bühne
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Kritik patriarchaler Macht und Sprache in Kathy Ackers Blood and Guts in High School (Anna Carolin Müller, Ulla Stackmann)
Die US-Amerikanerin Kathy Acker gilt als wegweisende Autorin für die radikal dekonstruktivistische Literatur. Besonders ihr 1984 publizierter Roman Blood and Guts in High School wird vielfach als feministisches Manifest gefeiert. In dem Roman stellt Acker die gewaltsame Unterdrückung von Frauen auf radikalste Weise dar und bespricht Themen wie Vergewaltigung, sexuellen Missbrauch und soziale Ungleichheit. Unser Beitrag untersucht die literarischen Mittel, derer sich Acker in dem Roman bedient, um eine tiefgreifende Kritik an gesellschaftlichen Strukturen zu entwerfen, insbesondere im Hinblick auf das patriarchale Sprachsystem und den literarischen Kanon. Die Analyse des Textes zieht die Frage nach sich, inwiefern drastische Darstellungsformen und eine avantgardistische Ästhetik Gefahr laufen, den potenziell subversiven Inhalt des Romans als Gewaltexzess erscheinen zu lassen, wie zum Beispiel das Verbot des Romans in der BRD 1985 belegt. Schlüsselwörter: Kathy Acker, US-Literatur, Subversion, Punk- Literatur, Postmoderne, Metafiktion
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Männlichkeiten zwischen Neujustierung und Wandel? Persistenzen hegemonialer Männlichkeit (Diana Lengersdorf, Michael Meuser)
Zentrales Element hegemonialer Männlichkeit ist die enge Verwobenheit von Männlichkeiten und Erwerbsarbeit, die sich u. a. in der Figur des Ernährers der Familie manifestiert. Weltweit lassen sich Veränderungen feststellen, die Alternativen und neue Möglichkeitsräume erkennen lassen. Die konzeptionelle Einordnung dieser empirischen Phänomene steht allerdings noch am Anfang. Inwiefern es sich dabei um mehr als einen gesellschaftlichen Wandel handelt, sondern um ein grundlegend verändertes „In-der-Welt-Sein“, wollen wir anhand von in Gruppendiskussionen gewonnenen Daten für Deutschland diskutieren. Durch drei Fälle hindurch können wir zeigen, dass die Figur des Ernährers auf der einen Seite als klassisch, traditionell und auch veraltet verstanden und als solche zumindest in Teilen zurückgewiesen wird, auf der anderen Seite lassen sich in diesen Fällen auch Hinweise finden, dass sich der Ernährer nach wie vor zur Hegemonialisierung in der konkreten Praxis eignet. Instruktiv ist die Falldiskussion daher vor allem auch, da die Schilderungen der Diskussionsteilnehmer nachdrücklich verdeutlichen, wie hegemoniale Männlichkeit in der Praxis funktioniert: als Anrufung, der man sich nicht entziehen kann. Schlüsselwörter: Hegemoniale Männlichkeit, Ernährer, Geschlechterverhältnisse, Sozialer Wandel, Gruppendiskussionen
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Einschließungen und Ausgrenzungen im Spannungsfeld der sozialen Kategorien Geschlecht, Ethnizität und Religion. Intersektionale Perspektiven auf die Bildungsbiografien junger Musliminnen in Malaysia (Simon Moses Schleimer)
Der Beitrag nimmt eine intersektionalitätstheoretische Perspektive ein, um die spezifische Verflechtung der sozialen Kategorien Geschlecht, Ethnizität und Religion und deren Auswirkung auf die Handlungsspielräume junger muslimischer Studentinnen in Malaysia im Kontext ihrer Bildungsbiografien herauszuarbeiten. Dafür wurden zwölf narrative Interviews mit jungen Musliminnen in Malaysia geführt und in Anlehnung an die Methode des Szenischen Verstehens nach Lorenzer ausgewertet. Zwei der Interviews werden in Form von Einzelfällen vorgestellt. Sie zeigen auf, dass die soziale Kategorie Religion eine relevante Sinnressource sowie Legitimationsquelle für das soziale Handeln der jungen Frauen im Kontext ihrer Bildungsbiografien darstellt. Schlüsselwörter: Intersektionalität, Geschlecht, Religion, Ethnizität, Bildung, Malaysia
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Freiheitsaktionen der Frauenbewegung: die kollektiven Busfahrten zu Schwangerschaftsabbrüchen in die Niederlande (1975–1977) als Form ver-körperten Protests (Christiane Leidinger)
Der Beitrag setzt sich mit einer politischen Aktion(sform) auseinander, mit der feministisch gegen das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen protestiert wurde. Die transnationale Aktionsform der kollektiven Busfahrten in die Niederlande wird dabei als (doppelsinnige) Freiheitsaktion und vier-dimensional ver-körperte Direkte Aktion im Sinne anarchistischer Selbsthilfe am bundesdeutschen Staat vorbei analysiert. Es handelte sich um eine frauenbewegte Handlungsoffensive machtvoller Gemeinschaftlichkeit, die, 1975 beginnend, solidarische Kollektivität und Öffentlichkeit als Strategie nutzte, um eine faktische Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechts zu erwirken: In der Form der politischen Aktion wurde das Ziel selbst sichtbar gemacht (Konkretheit) und dieses unmittelbar durch die Abtreibungen erreicht (Implementierung). Empowernd schuf die Aktionsform selbstorganisierte Handlungsspielräume, wies dabei Angst und Scham zurück und delegitimierte das Gesetz. Nach einer reflexiven Kritik wurde die Aktionsform 1977 eingestellt. Resümierend werden die vorliegenden 11 Prinzipien einer Konzeption feministischen Widerstands um die Aktionsformaspekte feministische Reflexion und Solidarität erweitert. Schlüsselwörter: Frauenbewegung, Protest, Selbsthilfe, Schwangerschaftsabbruch, Transnationalität, Freiheit
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