Beschreibung
Tausende Kinder bleiben in der Republik Moldau zurück, während ihre Eltern zum Arbeiten ins Ausland migrieren. Im gesellschaftlichen Diskurs wird die Situation dieser Kinder stark problematisiert. Das Buch gibt einen Einblick in die Perspektiven ehemals betroffener junger Erwachsener und analysiert auf Basis der Grounded Theory deren Erfahrungen und Reflexionen in Bezug zu lokalen Gendernormen, dem öffentlichen Diskurs und den Bedingungen des Migrationsregimes.
Arbeitsmigration ist seit vielen Jahren eine gängige Strategie in der Republik Moldau, um den Lebensunterhalt der Familie zu sichern. Basierend auf lokalen Gendernormen und angeheizt durch die Berichte internationaler Organisationen entwickelte sich in Moldau um diese transnationalen Familien ein gesellschaftlicher Diskurs, der migrierende Eltern, besonders Mütter, für ihre Migration anklagt, weil sie mit der Migration soziale Normen durchbrechen. Die Kinder werden als „Opfer“ der elterlichen Migration betrachtet und deren Erfahrungen problematisiert.
Fränze Seidel untersucht sowohl den gesellschaftlichen Diskurs als auch die Perspektiven ehemals zurückgelassener Kinder auf die Trennungserfahrung. Methodologisch folgt sie der Grounded Theory und verbindet diese mit biografischen Forschungselementen. In den Erzählungen der Betroffenen offenbart sich die Wirkungsmacht der vorherrschenden Gendernormen, aber auch die aktive Auseinandersetzung der Kinder mit der Trennungserfahrung, dem gesellschaftlichen Diskurs und mit den Lebensumständen im Land. Trotz teils schmerzhafter Erfahrungen nehmen alle Befragten eine positive Haltung zur Migration ihrer Eltern ein. Sie ist das Resultat eines Reflexionsprozesses, der zu einer Solidarisierung mit den Eltern und deren Zielen, die sie mit der Migration verbanden, führt. Gleichzeitig positionieren sich einige Befragte entgegen dem gesellschaftlichen Diskurs. Ausnahmslos streben sie eine eigene Migration an, die als Folge und Fortsetzung der elterlichen Strategie angesehen werden kann.
Die Autorin bündelt ihre Forschungsergebnisse mit der theoretischen Bezugnahme auf das Konzept des Migrationsregimes. Hier zeigt sich, wie auf struktureller Ebene Macht über Migrierende und ihre Familien ausgeübt wird und das zu schwierigen Trennungszeiten beiträgt. Zudem kann sie zeigen, wie die zurückgelassenen Kinder sich im Verlauf ihrer Biografie zunehmend als handlungsmächtige Akteur*innen im Migrationsregime positionieren.
Die Autorin:
Fränze Seidel, mit der vorliegenden Arbeit promoviert an der Freien Universität Berlin
Der Fachbereich:
Sociology
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