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BIOS 1-2016 | Verwaltete Biographien

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ISSN: 0933-5315

Inhalt

BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen
1-2016: Verwaltete Biographien
hrsg. von: Elisabeth Schilling & Astrid Biele Mefebue

Beiträge
Elisabeth Schilling / Astrid Biele Mefebue: Das verwaltete Leben. Einführung
Ina Alber: Sinn und Ordnung. Biographien als Deutungsmuster im Diskurs
Yannick Kalff: Das „Projekt“ als Metapher der Biographie. Verwaltungslogik und Selbstwerdung
Caroline Richter: Vom Glück der Berufung. „Glück“ als Topos in Berufsbiographien des wissenschaftlichen Nachwuchses
Alexander Lenger / Mila Obert / Christoph Panzer / Hannes Weinbrenner: „Dann hat sich die Universität doch entschlossen, mir eine Dauerstelle zu geben“. Eine Agency-Analyse zum Erleben der Strukturiertheit wissenschaftlicher Karrieren im akademischen Feld
Janina Söhn: Die institutionelle Bewertung von Erwerbsbiographien durch die Gesetzliche Rentenversicherung und die finanziellen Konsequenzen. Längsschnittanalysen zu Zugewanderten in Deutschland
Olga Galanova: Das Leben unter Verdacht. Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit als Quelle „devianter Biographien“
Francis Seek: Akte Lebensende. Die Verwaltung des armen Todes im Kontext ordnungsbehördlicher Bestattungen

Projektberichte
Anna Maria Droumpouki: Erinnerungen an die Okkupation in Griechenland. Entstehung, Entwicklung und gesellschaftliche Bedeutung eines deutsch-griechischen Dokumentationsprojekts

Literaturbesprechungen
Hans Joachim Schröder: Manfred Clemenz: Der Mythos Paul Klee. Eine biographische und kulturgeschichtliche Untersuchung.

Inhaltsverzeichnis herunterladen

 

Einzelbeitrag-Download (Open Access/Gebühr): bios.budrich-journals.de
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Zusätzliche Information

Verlag

ISSN

0933-5315

eISSN

2196-243X

Jahrgang

29. Jahrgang 2016

Ausgabe

1

Erscheinungsdatum

01.11.2017

Umfang

162

Sprache

Deutsch

Format

17 x 24 cm

DOI

https://doi.org/10.3224/bios.v29i1

Open Access-Lizenz

https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de

Homepage

https://bios.budrich-journals.de

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Autor*innen

Schlagwörter

Akademiker*innen, Berufsbiographie, Bestattungen, Biographie, Bundesrepublik Deutschland, DDR, Erwerbsbiographien, gesetzliche Rentenversicherung, Griechenland, Hochschule, Kulturgeschichte, Migration, Ministerium für Staatssicherheit, Paul Klee, Stasi, Tod, Universität, verwaltete Biographien, wissenschaftliche Karriere, wissenschaftlicher Nachwuchs, Zweiter Weltkrieg

Abstracts

Sinn und Ordnung. Biographien als Deutungsmuster im Diskurs (Ina Alber)
Biographien als soziale Ordnungsmuster erfüllen individuell und kollektiv eine sinnstiftende Funktion. Moderne Verwaltungen als Instrumente der Herrschaftslegitimation formulieren und dokumentieren biographische Daten, die sowohl zur Ordnung des Sozialen als auch als Grundlage für rekonstruktive Sozialforschung dienen. Das soziale Konstrukt Biographie liefert ein Analyseinstrument, um Deutungs- und Handlungsmuster sowie deren individuelle biographische Artikulation zu untersuchen. Je nachdem, welche Datengrundlagen für die sozialwissenschaftliche Rekonstruktion von Biographien genutzt werden, verweisen diese auf unterschiedliche Diskurse. Wie können die jeweils spezifischen sozio-historischen und diskursiven Kontexte der Datenproduktion für die Analyse berücksichtigt werden? In diesem methodologischen Beitrag wird Triangulation als Möglichkeit zur Rekonstruktion von sozialen Phänomenen diskutiert. Das Argument lautet, dass zur Erfassung der Komplexität von Biographien nicht die Kongruenz von Daten das Analyseziel sein kann, sondern dass gerade die Brüche und möglichen Widersprüche Aufschluss über das soziale Ordnungsmuster Biographie geben können.
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Das „Projekt“ als Metapher der Biographie. Verwaltungslogik und Selbstwerdung (Yannick Kalff)
Projekte stehen für einen aktiven Lebensstil, der auf Kreativität, Innovation, Flexibilität und Befristung verweist. Projekte sind nicht nur Einzelunternehmungen, die bewältigt werden sollen; sie erzeugen ein biographisches Narrativ, nach welchem Menschen ihr Leben orientieren. Darüber hinaus verweisen sie auf klare Strukturen, die durch Verwaltungslogiken organisiert werden. Projekte sind verwaltete Organisationszusammenhänge und suggerieren ein modernistisches Ordnungsdenken, welches sich in Zeitplänen, Fristen und Befristung ausdrückt. Ein solcher biographischer Selbstentwurf kann sich eines metaphorischen Projektbegriffs bedienen. Dieser Beitrag fragt nach den Implikationen und den verwaltenden Funktionen der Projektrhetorik in Biographien. Die These ist, dass projektifizierte Biographien spezifische Ordnungs- und Steuerungsmechanismen sowie Rechtfertigungsordnungen aufgreifen und so Lebensläufe selbstverantwortlich verwaltbar und planbar machen. Der Beitrag befasst sich zunächst mit den Begriffen Lebenslauf und Biographie, bevor er sich dann der Begriffsgeschichte und einer kurzen Darlegung von Blumenbergs Metaphorologie widmet. Die Metapher des Projekts wird als pragmatische Annäherung an ein Strukturprinzip interpretiert. Dieses wird zum einen als Rechtfertigungsordnung gelesen und zum anderen als Kontrollmodus interpretiert. Abschließend schlägt der Beitrag einen Bogen und diskutiert, wie individueller Lebenslauf und biographische Singularität den Kern einer spätmodernen Subjektivität bilden, deren diskursive Vermittlung im Individuum eingeschrieben und doch offen für das Eigensinnige ist.
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Vom Glück der Berufung. „Glück“ als Topos in Berufsbiographien des wissenschaftlichen Nachwuchses (Caroline Richter)
(Nachwuchs-)Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verweisen im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Laufbahn häufig auf Glück. Diese empirische Beobachtung aus einem Forschungsprojekt greift der Beitrag auf und fragt nach dem Warum. Er zeigt, ausgehend von der empirischen Verwendung des Begriffs Glück, wie die im Projekt Befragten die Entwicklung ihrer Laufbahn als biographische Folge eines Einflusses durch die Universität und die Professorenschaft einordnen. Die Analyse von Facetten des kommunikativen Einsatzes von Glück als biographischem Topos legt offen, dass es – entgegen der etablierten Interpretation von Webers „hasard“ als Zufall – unzureichend ist, „Glück“ in seinen verschiedenen kommunikativen Verwendungen in biographischen Selbstentwürfen von (Nachwuchs-)Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ausschließlich mit „Zufall“ gleichzusetzen. Vielmehr muss die Nutzung dieses Topos als Ausdruck der Unberechenbarkeit und Personenabhängigkeit gesehen werden, die für die Universität als Expertenorganisation im Spannungsfeld zwischen konservativem, meritokratischem Prinzip einerseits und unternehmerischem Wandel andererseits konstitutiv ist.
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„Dann hat sich die Universität doch entschlossen, mir eine Dauerstelle zu geben“. Eine Agency-Analyse zum Erleben der Strukturiertheit wissenschaftlicher Karrieren im akademischen Feld (Alexander Lenger, Mila Obert, Christoph Panzer, Hannes Weinbrenner)
Der vorliegende Artikel behandelt die Frage, wie Professorinnen und Professoren im deutschen Hochschulwesen ihre eigene Handlungsmacht auf ihrem Karriereweg hin zur Professur ex post in ihrer Biographie konstruieren und inwiefern sie ihren Lebensverlauf als strukturiert begreifen. Dem Ansatz der Biographieforschung folgend, werden Biographien hinsichtlich der individuellen Deutungsmuster der Lebensgeschichte der einzelnen Subjekte rekonstruiert. Ergänzend geht der hier vorliegende Artikel im Anschluss an Pierre Bourdieu davon aus, dass professorale Lebensläufe von strukturellen Elementen des akademischen Feldes geprägt werden; entsprechend werden in einem ersten Schritt die vorhandenen Strukturen des deutschen Hochschulsystems beschrieben und in den Forschungskontext eingeordnet. In einem zweiten Schritt behandelt der Artikel die Frage, wie Professorinnen und Professoren ihren Lebenslauf und ihre eigene Handlungsmacht hinsichtlich der vorhandenen Strukturen konzipieren. Zur Beantwortung dieser Fragestellung wurden sechs leitfadengestützte, teilbiographische Interviews mit Professorinnen und Professoren zu ihrem akademischen Werdegang aus einem größeren Korpus ausgewählt und mit der Methode der Agency-Analyse ausgewertet. Unsere Analysen zeigen, dass alle interviewten Professorinnen und Professoren ihre akademische Karriere als – auf irgendeine Art – strukturiert begreifen. Hierbei ergeben sich aus dem Material drei Grundnarrative, die sich hinsichtlich des Erlebens von Strukturiertheit des Lebenslaufs und der Zuschreibung von Agency deutlich unterscheiden: Das passive Erfahren und/oder Erleiden der Strukturen bei gleichzeitiger Beibehaltung vorheriger Dispositionen (Grundnarrativ I); die aktive Herstellung von Handlungsmacht durch das Verfolgen eines strategischen Plans (Grundnarrativ II) sowie die passive Prägung und Anpassung an die Strukturen des akademischen Feldes (Grundnarrativ III). Die in den Grundnarrativen erkennbaren Erzählungen von strategischem Handeln und Karriereplanung geben dabei Hinweise auf eine mögliche Erweiterung des feldspezifischen Handlungsmodus im Sinne eines Neuen Geistes des akademischen Kapitalismus.
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Die institutionelle Bewertung von Erwerbsbiographien durch die Gesetzliche Rentenversicherung und die finanziellen Konsequenzen. Längsschnittanalysen zu Zugewanderten in Deutschland (Janina Söhn)
Aus der Perspektive der soziologischen Lebensverlaufsforschung lassen sich Lebensverläufe als Abfolge sozial anerkannter Aktivitäten, Rollen und Ereignisse in Kerndimensionen wie Bildung, Arbeit und Familie begreifen. In Wohlfahrtsstaaten ist es das Rentenrecht, das geradezu paradigmatisch für dieses Verständnis institutionell eingebetteter Lebensverläufe steht. Erwerbsbiographien werden sprichwörtlich verwaltet, indem Informationen über spezifische Aktivitäten wie sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder Arbeitslosigkeit gesammelt und rentenrechtlich bewertet, andere Tätigkeiten dagegen unberücksichtigt bleiben. Diese selektive institutionelle Würdigung von Biographien bestimmt die Höhe der individuellen Renten, ist aber zunächst auf die Aktivitäten in einem Nationalstaat begrenzt. Dies ist jedoch für Migrantinnen und Migranten eine Herausforderung, denn der Erwerb der ersten Rentenanwartschaft erfolgt später als bei Personen ohne Migrationserfahrung. Wie unterscheiden sich die rentenrechtlich anerkannten Erwerbsbiographien und die daraus resultierenden Altersrenten von Zugewanderten im Vergleich zu Einheimischen und untereinander? Welche sozialen Merkmale gehen mit eher günstigen oder eher prekären Verläufen einher? Diese Forschungsfragen beantwortet der Beitrag auf Basis eigener Analysen von längsschnittlichen Daten der Deutschen Rentenversicherung für die Lebensjahre 19 bis 65 der Rentenzugangskohorte des Jahres 2014. Die unterdurchschnittlichen Altersrenten zugewanderter Rentnerinnen und Rentner sind sowohl auf die migrationsbedingten Beitragslücken als auch auf die im Vergleich zu Einheimischen längeren Phasen der Arbeitslosigkeit und niedrigere Gehälter bzw. Beitragszahlungen zurückzuführen. Schließlich wird empirisch gezeigt, dass auch rentenrechtliche Sonderregelungen wie das Fremdrentengesetz für Zugewanderte mit (Spät-)Aussiedlerstatus und internationale Sozialversicherungsabkommen die migrationsbedingten Risiken teilweise abfedern und letztere eher den sozioökonomisch besser gestellten Zugewanderten zugutekommen.
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Das Leben unter Verdacht. Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit als Quelle „devianter Biographien“ (Olga Galanova)
Der Aufsatz versteht sich als Beitrag zur methodischen Diskussion über die Grenzen der Interpretationsabsicherung in biographischer Fallrekonstruktion und beschäftigt sich mit der Frage, welchen Erkenntniswert die verwalteten Biographien für die Biographieforschung haben. Werden Stasi-Unterlagen in ihrem Produktions- und Nutzungskontext betrachtet, lässt sich sofort erkennen, dass sie keine passiven Abschriften von Lebensereignissen sind. Vielmehr sind sie insofern aktive Leistungen ihrer Verfasser, als sie zu dem der Institution eigenen Zweck entstanden sind, Misstrauen zu generieren und deviante Lebensläufe zu konstruieren. Anhand von kontrastierenden Formaten wie einem Eröffnungsbericht zu einer Akte und einem Transkript eines abgehörten Telefonates werden die Besonderheiten von Stasi-Akten als Quellen für die Biographieforschung herausgearbeitet. Als Resultat lässt sich erkennen, dass amtliche Dokumente zwar eine Version des biographischen Geschehens liefern, aber in erster Linie als Lösung für relevante institutionelle Aufgaben dienen.
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Akte Lebensende. Die Verwaltung des armen Todes im Kontext ordnungsbehördlicher Bestattungen (Francis Seek)
Im vorliegenden Artikel werden ausgewählte Ergebnisse einer ethnographischen Studie zu Interventionen im Kontext anonymer ordnungsbehördlicher Bestattungen in Berlin vorgestellt. Der Beitrag diskutiert die Verwaltung von marginalisierten Biographien und Einflüsse des normativen „Projekt Lebensende“ auf Menschen, die von Gesundheits- oder Ordnungsämtern bestattet werden. Anschließend werden Interventionen in diesem Feld diskutieren, die einer Unsichtbarmachung und Abwertung der Biographien ordnungsbehördlich bestatteter Menschen entgegenwirken.
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Erinnerungen an die Okkupation in Griechenland. Entstehung, Entwicklung und gesellschaftliche Bedeutung eines deutsch-griechischen Dokumentationsprojekts (Anna Maria Droumpouki)
Trotz der vielen Forschungsarbeiten zum Zweiten Weltkrieg stellt der deutsche Historiker Dieter Pohl fest, dass über Griechenlands Rolle noch sehr wenig bekannt ist. Ähnliches gilt auch für die griechische Öffentlichkeit selbst, wo wenig fundiertes Wissen über den Zweiten Weltkrieg und die deutsche Okkupation existiert. Allerdings ändert sich dies derzeit, und ein wachsendes öffentliches Interesse an den Geschichten von Überlebenden ist feststellbar. Aus diesem Grund ist eine Online-Plattform mit griechischen Zeitzeugenberichten der Okkupationszeit besonders sinnvoll, wie sie im Rahmen des Projekts „Erinnerungen an die Okkupation in Griechenland“ aufgebaut wird. Hierfür werden mindestens 70 lebensgeschichtliche Video-Interviews mit griechischen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen aufgenommen. Ihre Erinnerungen an die Besatzung werden für die Zukunft bewahrt und für das Internet aufbereitet. Erfasst werden in landesweiter Streuung Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Zeitzeugenkategorien: Widerstandskämpferinnen und -kämpfer, Opfer von Massakern, Überlebende von Bombenangriffen, versteckte Juden, Shoah-Überlebende, Personen, die bei Razzien in Athen und anderen Orten verhaftet und nach Deutschland deportiert wurden, etc. Die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen werden gebeten, ihre Lebensgeschichte zu erzählen und erhalten somit Gelegenheit, auch über relevante allgemeine Aspekte der Nachkriegsgeschichte zu berichten. Nach der Aufnahme der Interviews wird ein Online-Portal geschaffen, in dem die Erinnerungsberichte mit weiteren Quellenmaterialien bereitgestellt, ergänzt und historisch kontextualisiert werden. Das Gesamtprojekt „Erinnerungen an die Okkupation in Griechenland“ ist am Center für Digitale Systeme (CeDiS) der Freien Universität Berlin angesiedelt. In diesem Beitrag werden auch einige Ausschnitte aus Lebenserinnerungen vorgestellt.
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Inhalt

Inhalt

BIOS – Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen
1-2016: Verwaltete Biographien
hrsg. von: Elisabeth Schilling & Astrid Biele Mefebue

Beiträge
Elisabeth Schilling / Astrid Biele Mefebue: Das verwaltete Leben. Einführung
Ina Alber: Sinn und Ordnung. Biographien als Deutungsmuster im Diskurs
Yannick Kalff: Das „Projekt“ als Metapher der Biographie. Verwaltungslogik und Selbstwerdung
Caroline Richter: Vom Glück der Berufung. „Glück“ als Topos in Berufsbiographien des wissenschaftlichen Nachwuchses
Alexander Lenger / Mila Obert / Christoph Panzer / Hannes Weinbrenner: „Dann hat sich die Universität doch entschlossen, mir eine Dauerstelle zu geben“. Eine Agency-Analyse zum Erleben der Strukturiertheit wissenschaftlicher Karrieren im akademischen Feld
Janina Söhn: Die institutionelle Bewertung von Erwerbsbiographien durch die Gesetzliche Rentenversicherung und die finanziellen Konsequenzen. Längsschnittanalysen zu Zugewanderten in Deutschland
Olga Galanova: Das Leben unter Verdacht. Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit als Quelle „devianter Biographien“
Francis Seek: Akte Lebensende. Die Verwaltung des armen Todes im Kontext ordnungsbehördlicher Bestattungen

Projektberichte
Anna Maria Droumpouki: Erinnerungen an die Okkupation in Griechenland. Entstehung, Entwicklung und gesellschaftliche Bedeutung eines deutsch-griechischen Dokumentationsprojekts

Literaturbesprechungen
Hans Joachim Schröder: Manfred Clemenz: Der Mythos Paul Klee. Eine biographische und kulturgeschichtliche Untersuchung.

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Bibliografie

Zusätzliche Information

Verlag

ISSN

0933-5315

eISSN

2196-243X

Jahrgang

29. Jahrgang 2016

Ausgabe

1

Erscheinungsdatum

01.11.2017

Umfang

162

Sprache

Deutsch

Format

17 x 24 cm

DOI

https://doi.org/10.3224/bios.v29i1

Open Access-Lizenz

https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/de

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Sinn und Ordnung. Biographien als Deutungsmuster im Diskurs (Ina Alber)
Biographien als soziale Ordnungsmuster erfüllen individuell und kollektiv eine sinnstiftende Funktion. Moderne Verwaltungen als Instrumente der Herrschaftslegitimation formulieren und dokumentieren biographische Daten, die sowohl zur Ordnung des Sozialen als auch als Grundlage für rekonstruktive Sozialforschung dienen. Das soziale Konstrukt Biographie liefert ein Analyseinstrument, um Deutungs- und Handlungsmuster sowie deren individuelle biographische Artikulation zu untersuchen. Je nachdem, welche Datengrundlagen für die sozialwissenschaftliche Rekonstruktion von Biographien genutzt werden, verweisen diese auf unterschiedliche Diskurse. Wie können die jeweils spezifischen sozio-historischen und diskursiven Kontexte der Datenproduktion für die Analyse berücksichtigt werden? In diesem methodologischen Beitrag wird Triangulation als Möglichkeit zur Rekonstruktion von sozialen Phänomenen diskutiert. Das Argument lautet, dass zur Erfassung der Komplexität von Biographien nicht die Kongruenz von Daten das Analyseziel sein kann, sondern dass gerade die Brüche und möglichen Widersprüche Aufschluss über das soziale Ordnungsmuster Biographie geben können.
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Das „Projekt“ als Metapher der Biographie. Verwaltungslogik und Selbstwerdung (Yannick Kalff)
Projekte stehen für einen aktiven Lebensstil, der auf Kreativität, Innovation, Flexibilität und Befristung verweist. Projekte sind nicht nur Einzelunternehmungen, die bewältigt werden sollen; sie erzeugen ein biographisches Narrativ, nach welchem Menschen ihr Leben orientieren. Darüber hinaus verweisen sie auf klare Strukturen, die durch Verwaltungslogiken organisiert werden. Projekte sind verwaltete Organisationszusammenhänge und suggerieren ein modernistisches Ordnungsdenken, welches sich in Zeitplänen, Fristen und Befristung ausdrückt. Ein solcher biographischer Selbstentwurf kann sich eines metaphorischen Projektbegriffs bedienen. Dieser Beitrag fragt nach den Implikationen und den verwaltenden Funktionen der Projektrhetorik in Biographien. Die These ist, dass projektifizierte Biographien spezifische Ordnungs- und Steuerungsmechanismen sowie Rechtfertigungsordnungen aufgreifen und so Lebensläufe selbstverantwortlich verwaltbar und planbar machen. Der Beitrag befasst sich zunächst mit den Begriffen Lebenslauf und Biographie, bevor er sich dann der Begriffsgeschichte und einer kurzen Darlegung von Blumenbergs Metaphorologie widmet. Die Metapher des Projekts wird als pragmatische Annäherung an ein Strukturprinzip interpretiert. Dieses wird zum einen als Rechtfertigungsordnung gelesen und zum anderen als Kontrollmodus interpretiert. Abschließend schlägt der Beitrag einen Bogen und diskutiert, wie individueller Lebenslauf und biographische Singularität den Kern einer spätmodernen Subjektivität bilden, deren diskursive Vermittlung im Individuum eingeschrieben und doch offen für das Eigensinnige ist.
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Vom Glück der Berufung. „Glück“ als Topos in Berufsbiographien des wissenschaftlichen Nachwuchses (Caroline Richter)
(Nachwuchs-)Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verweisen im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Laufbahn häufig auf Glück. Diese empirische Beobachtung aus einem Forschungsprojekt greift der Beitrag auf und fragt nach dem Warum. Er zeigt, ausgehend von der empirischen Verwendung des Begriffs Glück, wie die im Projekt Befragten die Entwicklung ihrer Laufbahn als biographische Folge eines Einflusses durch die Universität und die Professorenschaft einordnen. Die Analyse von Facetten des kommunikativen Einsatzes von Glück als biographischem Topos legt offen, dass es – entgegen der etablierten Interpretation von Webers „hasard“ als Zufall – unzureichend ist, „Glück“ in seinen verschiedenen kommunikativen Verwendungen in biographischen Selbstentwürfen von (Nachwuchs-)Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ausschließlich mit „Zufall“ gleichzusetzen. Vielmehr muss die Nutzung dieses Topos als Ausdruck der Unberechenbarkeit und Personenabhängigkeit gesehen werden, die für die Universität als Expertenorganisation im Spannungsfeld zwischen konservativem, meritokratischem Prinzip einerseits und unternehmerischem Wandel andererseits konstitutiv ist.
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„Dann hat sich die Universität doch entschlossen, mir eine Dauerstelle zu geben“. Eine Agency-Analyse zum Erleben der Strukturiertheit wissenschaftlicher Karrieren im akademischen Feld (Alexander Lenger, Mila Obert, Christoph Panzer, Hannes Weinbrenner)
Der vorliegende Artikel behandelt die Frage, wie Professorinnen und Professoren im deutschen Hochschulwesen ihre eigene Handlungsmacht auf ihrem Karriereweg hin zur Professur ex post in ihrer Biographie konstruieren und inwiefern sie ihren Lebensverlauf als strukturiert begreifen. Dem Ansatz der Biographieforschung folgend, werden Biographien hinsichtlich der individuellen Deutungsmuster der Lebensgeschichte der einzelnen Subjekte rekonstruiert. Ergänzend geht der hier vorliegende Artikel im Anschluss an Pierre Bourdieu davon aus, dass professorale Lebensläufe von strukturellen Elementen des akademischen Feldes geprägt werden; entsprechend werden in einem ersten Schritt die vorhandenen Strukturen des deutschen Hochschulsystems beschrieben und in den Forschungskontext eingeordnet. In einem zweiten Schritt behandelt der Artikel die Frage, wie Professorinnen und Professoren ihren Lebenslauf und ihre eigene Handlungsmacht hinsichtlich der vorhandenen Strukturen konzipieren. Zur Beantwortung dieser Fragestellung wurden sechs leitfadengestützte, teilbiographische Interviews mit Professorinnen und Professoren zu ihrem akademischen Werdegang aus einem größeren Korpus ausgewählt und mit der Methode der Agency-Analyse ausgewertet. Unsere Analysen zeigen, dass alle interviewten Professorinnen und Professoren ihre akademische Karriere als – auf irgendeine Art – strukturiert begreifen. Hierbei ergeben sich aus dem Material drei Grundnarrative, die sich hinsichtlich des Erlebens von Strukturiertheit des Lebenslaufs und der Zuschreibung von Agency deutlich unterscheiden: Das passive Erfahren und/oder Erleiden der Strukturen bei gleichzeitiger Beibehaltung vorheriger Dispositionen (Grundnarrativ I); die aktive Herstellung von Handlungsmacht durch das Verfolgen eines strategischen Plans (Grundnarrativ II) sowie die passive Prägung und Anpassung an die Strukturen des akademischen Feldes (Grundnarrativ III). Die in den Grundnarrativen erkennbaren Erzählungen von strategischem Handeln und Karriereplanung geben dabei Hinweise auf eine mögliche Erweiterung des feldspezifischen Handlungsmodus im Sinne eines Neuen Geistes des akademischen Kapitalismus.
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Die institutionelle Bewertung von Erwerbsbiographien durch die Gesetzliche Rentenversicherung und die finanziellen Konsequenzen. Längsschnittanalysen zu Zugewanderten in Deutschland (Janina Söhn)
Aus der Perspektive der soziologischen Lebensverlaufsforschung lassen sich Lebensverläufe als Abfolge sozial anerkannter Aktivitäten, Rollen und Ereignisse in Kerndimensionen wie Bildung, Arbeit und Familie begreifen. In Wohlfahrtsstaaten ist es das Rentenrecht, das geradezu paradigmatisch für dieses Verständnis institutionell eingebetteter Lebensverläufe steht. Erwerbsbiographien werden sprichwörtlich verwaltet, indem Informationen über spezifische Aktivitäten wie sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder Arbeitslosigkeit gesammelt und rentenrechtlich bewertet, andere Tätigkeiten dagegen unberücksichtigt bleiben. Diese selektive institutionelle Würdigung von Biographien bestimmt die Höhe der individuellen Renten, ist aber zunächst auf die Aktivitäten in einem Nationalstaat begrenzt. Dies ist jedoch für Migrantinnen und Migranten eine Herausforderung, denn der Erwerb der ersten Rentenanwartschaft erfolgt später als bei Personen ohne Migrationserfahrung. Wie unterscheiden sich die rentenrechtlich anerkannten Erwerbsbiographien und die daraus resultierenden Altersrenten von Zugewanderten im Vergleich zu Einheimischen und untereinander? Welche sozialen Merkmale gehen mit eher günstigen oder eher prekären Verläufen einher? Diese Forschungsfragen beantwortet der Beitrag auf Basis eigener Analysen von längsschnittlichen Daten der Deutschen Rentenversicherung für die Lebensjahre 19 bis 65 der Rentenzugangskohorte des Jahres 2014. Die unterdurchschnittlichen Altersrenten zugewanderter Rentnerinnen und Rentner sind sowohl auf die migrationsbedingten Beitragslücken als auch auf die im Vergleich zu Einheimischen längeren Phasen der Arbeitslosigkeit und niedrigere Gehälter bzw. Beitragszahlungen zurückzuführen. Schließlich wird empirisch gezeigt, dass auch rentenrechtliche Sonderregelungen wie das Fremdrentengesetz für Zugewanderte mit (Spät-)Aussiedlerstatus und internationale Sozialversicherungsabkommen die migrationsbedingten Risiken teilweise abfedern und letztere eher den sozioökonomisch besser gestellten Zugewanderten zugutekommen.
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Der Aufsatz versteht sich als Beitrag zur methodischen Diskussion über die Grenzen der Interpretationsabsicherung in biographischer Fallrekonstruktion und beschäftigt sich mit der Frage, welchen Erkenntniswert die verwalteten Biographien für die Biographieforschung haben. Werden Stasi-Unterlagen in ihrem Produktions- und Nutzungskontext betrachtet, lässt sich sofort erkennen, dass sie keine passiven Abschriften von Lebensereignissen sind. Vielmehr sind sie insofern aktive Leistungen ihrer Verfasser, als sie zu dem der Institution eigenen Zweck entstanden sind, Misstrauen zu generieren und deviante Lebensläufe zu konstruieren. Anhand von kontrastierenden Formaten wie einem Eröffnungsbericht zu einer Akte und einem Transkript eines abgehörten Telefonates werden die Besonderheiten von Stasi-Akten als Quellen für die Biographieforschung herausgearbeitet. Als Resultat lässt sich erkennen, dass amtliche Dokumente zwar eine Version des biographischen Geschehens liefern, aber in erster Linie als Lösung für relevante institutionelle Aufgaben dienen.
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Im vorliegenden Artikel werden ausgewählte Ergebnisse einer ethnographischen Studie zu Interventionen im Kontext anonymer ordnungsbehördlicher Bestattungen in Berlin vorgestellt. Der Beitrag diskutiert die Verwaltung von marginalisierten Biographien und Einflüsse des normativen „Projekt Lebensende“ auf Menschen, die von Gesundheits- oder Ordnungsämtern bestattet werden. Anschließend werden Interventionen in diesem Feld diskutieren, die einer Unsichtbarmachung und Abwertung der Biographien ordnungsbehördlich bestatteter Menschen entgegenwirken.
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Erinnerungen an die Okkupation in Griechenland. Entstehung, Entwicklung und gesellschaftliche Bedeutung eines deutsch-griechischen Dokumentationsprojekts (Anna Maria Droumpouki)
Trotz der vielen Forschungsarbeiten zum Zweiten Weltkrieg stellt der deutsche Historiker Dieter Pohl fest, dass über Griechenlands Rolle noch sehr wenig bekannt ist. Ähnliches gilt auch für die griechische Öffentlichkeit selbst, wo wenig fundiertes Wissen über den Zweiten Weltkrieg und die deutsche Okkupation existiert. Allerdings ändert sich dies derzeit, und ein wachsendes öffentliches Interesse an den Geschichten von Überlebenden ist feststellbar. Aus diesem Grund ist eine Online-Plattform mit griechischen Zeitzeugenberichten der Okkupationszeit besonders sinnvoll, wie sie im Rahmen des Projekts „Erinnerungen an die Okkupation in Griechenland“ aufgebaut wird. Hierfür werden mindestens 70 lebensgeschichtliche Video-Interviews mit griechischen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen aufgenommen. Ihre Erinnerungen an die Besatzung werden für die Zukunft bewahrt und für das Internet aufbereitet. Erfasst werden in landesweiter Streuung Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Zeitzeugenkategorien: Widerstandskämpferinnen und -kämpfer, Opfer von Massakern, Überlebende von Bombenangriffen, versteckte Juden, Shoah-Überlebende, Personen, die bei Razzien in Athen und anderen Orten verhaftet und nach Deutschland deportiert wurden, etc. Die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen werden gebeten, ihre Lebensgeschichte zu erzählen und erhalten somit Gelegenheit, auch über relevante allgemeine Aspekte der Nachkriegsgeschichte zu berichten. Nach der Aufnahme der Interviews wird ein Online-Portal geschaffen, in dem die Erinnerungsberichte mit weiteren Quellenmaterialien bereitgestellt, ergänzt und historisch kontextualisiert werden. Das Gesamtprojekt „Erinnerungen an die Okkupation in Griechenland“ ist am Center für Digitale Systeme (CeDiS) der Freien Universität Berlin angesiedelt. In diesem Beitrag werden auch einige Ausschnitte aus Lebenserinnerungen vorgestellt.
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