Beschreibung
Die Schule in den amtlich deutschsprachigen Staaten ist von dem Spannungsverhältnis der konzeptionellen Einsprachigkeit im Deutschen und der faktischen Mehrsprachigkeit der SchülerInnen gekennzeichnet, die sich immer weiter ausdifferenziert. Die Monolingualität der schulischen Konzepte ist allerdings nicht ungebrochen: In den vergangenen Jahren wurden verschiedene didaktische Konzepte zum Umgang mit der gelebten Mehrsprachigkeit entwickelt. Vorschläge für die Öffnung des Unterrichts für Mehrsprachigkeit verfolgen u.a. das selbsterklärte Ziel, ein Stück weit sprachbezogene Gerechtigkeit für Kinder und Jugendliche herzustellen, deren Sprachen in der nationalstaatlichen Schule bis auf spezielle Projekte wie bilinguale Klassen keinen Raum finden. Allerdings gibt es bislang zwischen den fachdidaktischen und allgemeinpädagogischen Diskursen sowie weiteren theoretischen Diskursen über Bildungsgerechtigkeit kaum Berührungspunkte.
Welcher Zusammenhang kann zwischen der Berücksichtigung von Mehrsprachigkeit im Rahmen des monolingualen Bildungssystems und Vorstellungen von Bildungsgerechtigkeit hergestellt werden? Dieser Frage gehen die AutorInnen mit besonderer Berücksichtigung der migrationsbedingten Mehrsprachigkeit nach und leisten einen Beitrag zur Systematisierung und theoretischen Fundierung des einschlägigen fachdidaktischen Diskurses.
The editors:
Prof. Dr. Anke Wegner,
Universität Trier, Professorin für Didaktik der deutschen Sprache
Univ.-Prof. Dr. Inci Dirim,
Universtität Wien Professorin für Deutsch als Zweitsprache
Hier finden Sie den Waschzettel zum Buch (pdf- Infoblatt).
Zielgruppen: ErziehungswissenschaftlerInnen, SprachdidaktikerInnen, Deutsch als Zweitsprache-ExpertInnen, Studierende und LehrerInnen
B. Lübke –
Der Sammelband „Mehrsprachigkeit und Bildungsgerechtigkeit. Erkundungen einer didaktischen Perspektive“ widmet sich der durch den PISA-Schock befeuerten Diskussion um Bildungsgerechtigkeit in Deutschland. Die verschiedenen Autoren des von Anke Wegner und Inci Dirim herausgegebenen Bandes entwerfen aus unterschiedlichen Perspektiven einen produktiven Umgang mit Mehrsprachigkeit als Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit, Im einführenden Teil wird Bildungsgerechtigkeit als eine normative Kategorie bestimmt und differenziert ausbuchstabiert. Es folgen exemplarische Betrachtungen beispielsweise aus dem Bereich des Lesens oder Dolmetschens sowie dem Umgang mit Mehrsprachigkeit in der Schule. Wer Rezepte zum Umgang mit Mehrsprachigkeit sucht, sucht in diesem Band vergebens. Was er bietet ist eine differenzierte und reflektierte (hervorheben möchte ich hier den Beitrag von Dragan Miladinović zur rassismuskritischen Analyse des Begriffs Zweitsprache) Sammlung an Überlegungen und Ansätzen zur Bildungsgerechtigkeit unter der Bedingung der Mehrsprachigkeit.
H. Leinberger –
Der Sammelband „Mehrsprachigkeit und Bildungsgerechtigkeit“ von Wegner und Dirim ist ein wahrer Fundus an gut durchdachten Perspektiven, Herangehensweisen und praktischen Überlegungen. Neben den Ansätzen der Verteilungsgerechtigkeit, der Teilhabergerechtigkeit und der Anerkennungsgerechtigkeit, deren Grenzen und Chancen aufgezeigt werden, enthält der Sammelband Artikel, die sich mit einer konkreten didaktisch-methodischen Herangehensweise, wie beispielsweise dem mehrsprachigen Vorlesen, auseinandersetzen. Insgesamt stammen die Artikel aus dem deutschsprachigen Raum – je nachdem muss der Leser die Gegebenheiten beispielsweise von Österreich auf Deutschland übertragen. Insgesamt sollte dem Leser nach Abschluss der Lektüre der unglaubliche Sprachreichtum unserer Gesellschaft als wirklicher Reichtum bewusst und ebenso pfleglich als solcher behandelt werden. Dass Schüler benachteiligt sind, weil ihre Zweitsprache nicht Englisch oder Französisch, sondern Türkisch oder Arabisch ist, sollte der Vergangenheit angehören. Krumm bezeichnet dies in seinem Artikel als „Kapitalvernichtung“ – soweit würde ich nicht gehen, da mir dieser Begriff zu sehr den (auch tatsächlich gegebenen) ökonomischen Wert der Mehrsprachigkeit in den Mittelpunkt stellt und das Subjekt an sich in den Hintergrund stellt, der aber dennoch scharf aufzeigt, dass Mehrsprachigkeit und Bildungsgerechtigkeit noch immer ein Spannungsfeld darstellen und nicht als Synergien genutzt werden.
Das Buch ist ein Muss für alle, die sich vertieft mit der Materie auseinandersetzen möchten – nicht für solche, die nach schnellen Lösungen in ihrem eigenen Unterricht suchen.