Beschreibung
Vor dem Hintergrund des Konzepts des Habitus und des sozialen Raums Pierre Bourdieus werden in dem Buch studentische Fachkulturen untersucht. Der Autor betrachtet dabei die soziale Laufbahn der Studierenden von der Herkunftsfamilie über die gegenwärtigen Lebensstile bis zur beruflichen Zukunft und erweitert die Analyse um die Ebene des politischen Raums. Auf der Grundlage einer quantitativen Befragung von Studierenden der Fächer Rechtswissenschaft, Volkswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftslehre, Sozialwissenschaften, Philosophie, Mathematik und Biologie widmet sich das Buch folgender Frage: Welche Wahlverwandtschaften, Korrespondenzen und Homologien bestehen zwischen Lebensstilen, beruflichen Zukunftsorientierungen und politischen Dispositionen?
In der bisherigen Erforschung sozialer Räume, ist die Ebene des politischen Raums nur selten einbezogen worden. Vor diesem Hintergrund wird eine Erweiterung der Analyse um die Untersuchung der Homologiebeziehungen zwischen der lebensstilspezifischen (kulturelles und ökonomisches Kapital) und der politischen Ebene des sozialen Raums unternommen. Für die Konstruktion des politischen Raums wird auf die Theorie der gesellschaftlichen Konfliktlinien zurückgegriffen.
Zentrales Merkmal des sozialen Raums der Studierenden ist der Gegensatz zwischen der Fächertrias Jura, Volks- und Betriebswirtschaftslehre und dem Fach Philosophie. Insbesondere in den lebensstilspezifischen und politischen Dispositionen der Studierenden dieser Fächer zeigt sich die Teilung der Herrschaftsarbeit zwischen dem kulturellen und dem ökonomischen Pol des sozialen Raums und des Felds der Macht. Dazwischen stehen die Sozialwissenschaften, die Biologie und die Mathematik – allerdings noch relativ deutlich auf der durch die Dominanz des kulturellen Kapitals gekennzeichneten Seite des sozialen Raums. Neben den Unterschieden zwischen den Fächern zeigen sich zudem – bei den gegenwärtigen Lebensstilen, der antizipierten beruflichen Zukunft und den politischen Dispositionen – ausgeprägte geschlechtsspezifische Differenzierungen im sozialen Raum der Studierenden.
Inhaltsverzeichnis + Leseprobe
Der Autor:
Anno Eßer M.A., Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Hier finden Sie den Waschzettel zum Buch (PDF-Infoblatt).
Die Zielgruppe:
Forschende der Soziologie
Erwin Eckenberger –
Das Buch von Anno Eßer basiert auf einer umfangreichen empirischen Studie, die an den Universitäten Bonn und Köln durchgeführt wurde. Der Autor analysiert darin die Lebensstile und
politischen Orientierungen von Studierenden in verschiedenen Fachbereichen wie Jura, Sozialwissenschaften, Volkswirtschaftslehre, Mathematik, Biologie, Betriebswirtschaftslehre und Philosophie.
Dabei beleuchtet das Buch Themen wie politisches Engagement, politische Orientierungen, soziale Herkunft, Freizeitgestaltung, Einstellung zur Arbeit, Finanzierungsmöglichkeiten während des Studiums
und die Identifikation mit den Fachbereichen. Gleichzeitig untersucht der Autor Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Lebensstilen, der politischen Orientierung, dem Wahlverhalten und der
beruflichen Zukunftsplanung.
Somit richtet sich das Werk von Anno Eßer nicht nur an Forscher:innen aus dem Bildungsbereich und der Hochschulbildung, sondern auch an Studierende, indem es einen spannenden Einblick
in die studentische Lebensweise und politischen Orientierungsmuster vermittelt. Zudem regt es zur fakultätsübergreifenden Auseinandersetzung und zur interdisziplinären Diskussion über die
unterschiedlichen Studiengänge hinweg an.
Sandra Abels –
Eßers Dissertation adressiert einerseits sozialwissenschaftliche Theorie durch die Verbindung zu Bourdieus Konzepten des Habitus und des Sozialen Raums, andererseits beschäftigt sich das Buch in weiten Teilen mit statistischen Analyseverfahren. Tatsächlich erscheint mir die Anwendung und Beschreibung der quantitativen Forschungsmethoden – konkret einer Hauptkomponentenanalyse mit anschließender Clusteranalyse zumeist wesentlich präsenter als die inhaltlichen Befunde. Gleichzeitig hätte ich aber hinsichtlich der statistischen Untersuchung gerne Zwischen- bzw. Nebenbefunde der Analyse gesehen, so dass der wissenschaftliche Prozess besser nachvollziehbar wird. Die Präsentation fokussiert sehr stark auf die Beantwortung der Fragestellung; der Weg von der Datenerhebung hin zu den dargestellten Antworten steckt nach meinem Empfinden weitgehend in einer Black Box. Aus diesem Grund ist für mein Studium die interessant geschriebene theoretische Fundierung der Arbeit in den Kapiteln 2-5 der aufschlussreichste Teil des Buches. Während der empirische Teil des Buches als Anschauungsbeispiel für die Anwendung verschiedener quantitativer Verfahren gut geeignet scheint, fehlt es mir an ergänzenden Informationen und auch an einer ausführlichen, kritischen Reflexion des Autors zum Beispiel über die Geeignetheit des verwendeten Fragebogens und mögliche Limitationen für die Interpretation, die sich aus der Formulierung einzelner Survey Items ergeben. Zugleich ist bei Eßer, anders als bei Bourdieu, die statistische Untersuchung die einzige Säule, auf der die Beschreibung des definierten sozialen Raums fußt, was nach meinem Verständnis die Aussagekraft nochmals deutlich reduziert. Eßer nimmt diesen Punkt jedoch in seiner Schlussbetrachtung auf und diskutiert mögliche weitere Forschung, die auch qualitative Methoden miteinbezieht (vgl. S. 213 f.). Mixed-method Annäherungen könnten dem statistischen Skelett dieser Arbeit durch detailliertere Einzelfallbeschreibungen mehr Tiefenschärfe verleihen. Insgesamt habe ich das Buch mit Interesse gelesen und einige Einsichten mitgenommen.