Beschreibung
Mit dem Eintrag von ‚divers‘ in das Personenstandsregister wird das System der Zweigeschlechtlichkeit im deutschsprachigen Raum rechtlich erweitert. Trotzdem existieren bisher kaum erziehungswissenschaftliche Perspektiven auf Trans*- und Inter*Geschlechtlichkeit. Und das obwohl pädagogisches Handeln Geschlechterwissen entscheidend prägt. Dieser Leerstelle widmen sich die Beiträge des Jahrbuchs.
Seit den 1980er Jahren und insbesondere im Zusammenhang mit politischen Aktivismen hat sich das Feld der Zugänge zu trans*- und inter*geschlechtlichen Leben zwar ausdifferenziert, jedoch existieren nur vereinzelt Veröffentlichungen, die Trans*- und Inter*Geschlechtlichkeit im Zusammenhang mit Erziehung und Bildung erläutern.
Grundsätzlich ist Trans*- und Inter*Studies die Verbindung von Wissenschaft und Aktivismus, die Kritik an normativer Zweigeschlechtlichkeit, Cis*Genderismus und psycho-medizinische Regulierungen sowie die Forderung nach Selbstbestimmung gemeinsam. Darüber hinaus verstehen sich beide Richtungen als Wissenschaftskritik und stellen die Wirklichkeiten von trans* und inter*geschlechtlichen Menschen in den Mittelpunkt. Gleichzeitig bilden trans* und inter*geschlechtliche Menschen jedoch keine homogenen Gruppen: Lebenslagen unterscheiden sich in Bezug auf die Interdependenzen von Geschlechtern und Sexualitäten, bezogen auf geopolitische und soziale Verortungen, aber auch auf psycho-medizinische Regulierungen und Selbstverständnisse. Die Berücksichtigung dieser Verhältnisse hat in den Erziehungswissenschaften bisher jedoch kaum stattgefunden. Erziehungswissenschaftliche Perspektiven auf Lebensweisen von trans*- und inter*geschlechtlichen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, ihre biographischen Erfahrungen in Familie, mit Peers und in Bildungsinstitutionen sowie die Frage nach (sozial)pädagogischen Angeboten sind demnach kaum vorhanden. Geht man davon aus, dass im Zuge pädagogischer Maßnahmen Geschlechterwissen erzeugt, legitimiert und verhandelt wird, zeigt sich hier ein bedeutsames Desiderat. Diesem widmen sich die Beiträge des Jahrbuchs. Sie beleuchten dabei Themen wie Trans* und Intersex Studies, Diskurse um Trans* oder Inter*Geschlechtlichkeit, Erfahrungen von Trans*- und Inter*Personen, Perspektiven von Lehrer*innen, Sozialarbeiter*innen und Eltern, Pädagogik, Geschichte und Medizinkritik.
Inhaltsverzeichnis + Leseprobe
The editors:
Prof. Dr. Marita Kampshoff, Institut für Erziehungswissenschaft, PH Schwäbisch Gmünd
Prof. Dr. Bettina Kleiner, Institut für Allgemeine Erziehungswissenschaft, Goethe-Universität Frankfurt a.M.
Prof. Dr. Antje Langer, Institut für Erziehungswissenschaft, Universität Paderborn
Hier finden Sie den Waschzettel zum Buch (PDF-Infoblatt).
Die Zielgruppe:
Lehrende und Forschende der Erziehungswissenschaft und Gender Studies
Lea Eileen Pöhls –
Das „Jahrbuch erziehungswissenschaftliche Geschlechterforschung. Trans- und Intergeschlechtlichkeit in Erziehung und Bildung“, herausgegeben von Marita Kampshoff, Bettina Kleiner und Antje Lange, bietet einen wichtigen Beitrag zur erziehungswissenschaftlichen Forschung im Bereich der Trans- und Intergeschlechtlichkeit. Die einzelnen Beiträge präsentieren aktuelle Neuansätze in einem interdisziplinären Feld, das zunehmend an Komplexität gewinnt.
Ein bemerkenswerter Aspekt des Buches ist, dass es vielschichtige Fragen zu Verhältnissetzungen aufwirft. Es wird deutlich, dass die Thematik nicht nur pädagogische und bildungswissenschaftliche Dimensionen berührt, sondern auch politische und wissenschaftliche Aspekte umfasst. Dies regt zur weiteren Diskussion über die Beziehungen zwischen Pädagogik und Politik oder Wissenschaft und Aktivismus an. Die Beiträge geben Anstoß, diese Fragen vertieft zu erforschen und in anderen Zusammenhängen zu diskutieren.
Besonders hervorzuheben ist, dass sich die Beiträge der Leerstelle widmen, dass bisher kaum erziehungswissenschaftliche Perspektiven auf Trans*- und Inter*Geschlechtlichkeit existieren. Dies ist umso bedeutender, da das Personenstandsregister in Deutschland rechtlich erweitert wurde, indem der Eintrag „divers“ hinzugefügt wurde. Es besteht daher ein dringender Bedarf, die Auswirkungen dieser rechtlichen Veränderungen auf Erziehung und Bildung zu untersuchen und angemessene pädagogische Ansätze zu entwickeln.
Myles Heykes –
Seit zwei Semestern studiere ich Soziale Arbeit, einen Bereich, welchen ich zum Teil aufgrund meiner eigenen leider teils negativen Erfahrungen in der Schule und meinem sozialen Umfeld als Trans*Mensch gewählt habe.
Mit großem Interesse habe ich also dieses Buch gelesen und kann es guten Gewissens an diejenigen weiterempfehlen, welche in ihrem Beruf in Kontakt mit anderen Menschen, insbesondere Kindern und Jugendlichen treten werden. Auch die Menschen, die bereits Erfahrung mit dem Thema haben, werden hier interessante und aktuelle Fortschritte der erziehungswissenschaftlichen Geschlechterforschung finden.
Mit dem neuen Geschlechtseintrag ‚divers‘ und der in Aussicht stehenden Abschaffung des veralteten ‚Transsexuellen Gesetz‘, werden Trans*, Nicht-binäre und Inter* Menschen nun endlich mehr beachtet. Natürlich wird dies somit auch ein Thema für Mitarbeiter*innen in allen pädagogischen und sozialen Bereichen, umso wichtiger ist es also, dass diese Ahnung haben und mit möglichen neuen Situationen umgehen können.
Das Buch bietet einen verständlichen und guten Einstieg in das Thema der Trans- und Intergeschlechtlichkeit mit einem Fokus auf Erziehung und Bildung. Innerhalb der Texte werden mehrere Blickwinkel auf die Geschichte, Politik und Methodik geworfen, um einen respektvollen und thematisch sicheren Umgang mit TINA* Menschen zu ermöglichen.
j.s. –
Das „Jahrbuch erziehungswissenschaftliche Geschlechterforschung – Trans- und Intergeschlechtlichkeit in Erziehung und Bildung“ benötigt dringend mehr Aufmerksamkeit. Es behandelt aus verschiedenen Perspektiven einen Aspekt, der in der Erziehungswissenschaft noch immer viel zu selten mitgedacht wird. Ich selbst komme aus dem Grundschullehramt und sehe den Bedarf hier nochmals verstärkt. Leider ist der Primarbereich auch in diesem Sammelband ein Bereich, der nicht viel Beachtung erfährt – der Fokus liegt stattdessen in den meisten Texten eher auf Jugendlichen bzw. älteren Schüler*innen. Vor allem interessant ist das Buch also vermutlich für Erziehungswissenschaftler*innen und/oder Praktizierende, die sich mit höheren Schulklassen beschäftigen. Obwohl es also für mich nicht ganz passend war, empfehle ich es uneingeschränkt für die Lektüre!